Das Elektroauto als Stromspeicher fürs Haus: So funktioniert bidirektionales Laden
Das eigene Haus mit Strom aus der E-Auto-Batterie versorgen: Klingt nach einer genialen Idee. Was schon funktioniert, was noch besser werden muss.
Stromspeicher können unabhängiger vom Versorger machen
Noch gibt es kaum geeignete Autos und Wallboxen
Gesetzgeber und Industrie müssen noch Normen und Regeln entwickeln
Das Elektroauto als Stromspeicher
Endlich unabhängig werden vom Energieversorger: Davon träumen viele Menschen. Wer eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach hat, hat den ersten Schritt schon getan. Aber mehr als 30 Prozent vom Eigenbedarf lassen sich mit der Sonne kaum decken, zu sehr schwanken Wetter und eigener Stromverbrauch von Tag zu Tag.
Erhöhen lässt sich dieser Anteil mit einem eigenen Stromspeicher. Weshalb auch die Nachfrage nach Großbatterien zunimmt. Günstig sind sie allerdings nicht: Pro Kilowattstunde Speicherplatz muss man derzeit zwischen 750 und 1200 Euro einplanen. Grundsätzlich gilt: je höher die Kapazität, desto günstiger der Durchschnittspreis pro kWh.
Aber warum einen Stromspeicher kaufen, wenn das eigene Elektroauto auch eine Batterie hat? Das E-Auto könnte tagsüber überschüssigen Strom, etwa aus der Photovoltaik-Anlage speichern und bei Bedarf wieder zurückgeben – an ein elektrisches Gerät, ins Haus- oder Stromnetz.
Tatsächlich versprechen sich viele Fachleute von dieser Möglichkeit, dem bidirektionalen Laden, einen wichtigen Schritt hin zu mehr Energiesicherheit. Autobatterien, die Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben, könnten die schwankende Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen ausgleichen.
Bidirektionales Laden: So funktioniert es
Beim bidirektionalen Laden kann Strom in zwei Richtungen fließen: Zunächst aus dem Netz in einen Speicher – und anschließend wieder aus ihm heraus, zurück ins Netz. Grundsätzlich sind dazu viele Geräte längst in der Lage. Jeder Akku speichert Strom und gibt ihn anschließend wieder ab, Laptops und Powerbanks versorgen Handys mit Energie.
Will man eine E-Auto-Batterie zum bidirektionalen Laden nutzten, braucht es allerdings einen Zwischenschritt. Denn Elektroautos fahren mit Gleichstrom (DC), im Haushalt wird aber nur Wechselstrom (AC) genutzt. Deshalb muss der Wechselstrom beim Laden in Gleichstrom umgewandelt werden. Dafür sorgt ein Gleichrichter, entweder im Bordladegerät des Fahrzeugs oder in einer DC-Wallbox. Soll der Strom wieder ins Netz zurückfließen, braucht man einen Wechselrichter.
Wenn der Strom aus der Autobatterie anschließend wieder ins Haus- oder Stromnetz zurückgegeben werden soll, muss dieser Prozess in umgekehrter Richtung ablaufen, der Gleichstrom also wieder in Wechselstrom zurückgewandelt werden. Auch dafür ist eine technische Vorbereitung nötig.
V2L, V2H, V2G: Drei Varianten
Es gibt drei Varianten des bidirektionalen Ladens. Die einfachste und schon in einigen Modellen erhältliche: Im E-Auto befindet sich eine ganz normale Schuko-Steckdose, an die man unterwegs elektrische Geräte anschließen kann. Diese Funktion wird als Vehicle-to-load (V2L) oder Vehicle-to-Device (V2D) bezeichnet. Fahrzeuge wie der Hyundai Ioniq, der Kia Niro oder die Modelle von MG verfügen über diese Option. Wirklich revolutionär ist das zwar nicht – dafür aber sehr praktisch, etwa für Camper oder alle, die unterwegs Strom benötigen. Zum Beispiel Handwerker, um Werkzeuge zu betreiben oder zu laden.
Die zweite Variante: Das an die Wallbox angeschlossene E-Auto gibt Energie ans Stromnetz des Hauses ab. Hier spricht man von Vehicle-to-Home (V2H). Dabei hängt das E-Auto wie beim Laden an der hauseigenen Wallbox und bei Bedarf – etwa weil die Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach keinen Strom liefert – wird der vorher geladene Strom zum Eigenverbrauch abgegeben.
Und zuletzt die anspruchsvollste Option: Das E-Auto speist den in der Batterie gespeicherten Strom nicht nur ins heimische, sondern sogar ins öffentliche Netz ein: Vehicle-to-Grid (V2G). Die Vision dahinter: Durch eine intelligente Steuerung könnten viele Tausend E-Autos zu einem "virtuellen Kraftwerk" zusammengeschaltet werden und so zur Stabilisierung der Energieversorgung beitragen. Etwa während der Bedarfsspitzen am Morgen und am Abend, wenn in vielen Haushalten gleichzeitig das Licht oder der Herd angeschaltet wird.
Diese Autos können bidirektional laden
Modell | Stecker | AC / DC | Art |
---|---|---|---|
Cupra Born (mit 77 kWh und VW-Konzern-Software 3.5) | CSS | DC | V2H: lt. VW ab Anfang 2024 mit Wallbox und Hauskraftwerk S10 E Compact von E3/DC / V2G (vorbereitet) |
Schuko | AC (1-phasig) | V2L, Einführung von V2H und V2G voraussichtlich in der nächsten Generation | |
CHAdeMO | DC | V2H / V2G (vorbereitet) | |
CHAdeMO | DC | V2H / V2G (vorbereitet) | |
Mitsubishi ¹ Outlander / iMIEV¹ | CHAdeMO | DC | V2H / V2G (vorbereitet) |
Schuko | AC (1-phasig) | V2L | |
Schuko | AC (1-phasig) | V2L | |
Schuko | AC (1-phasig) | V2L | |
Skoda Enyaq (mit 77 kWh und VW-Konzern-Software 3.5) | CCS | DC | V2H: lt. VW ab Anfang 2024 mit Wallbox und Hauskraftwerk S10 E Compact von E3/DC / V2G (vorbereitet) |
Schuko / Typ 2 / CCS | AC (1/3-phasig) / DC | V2L / V2H / V2G (vorbereitet) | |
VW ID.3, ID.4, ID.5, ID Buzz (mit 77 kWh und VW-Konzern-Software 3.5) | CSS | DC | V2H: lt. VW ab Anfang 2024 mit Wallbox und Hauskraftwerk S10 E Compact von E3/DC / V2G (vorbereitet) |
Schuko / Typ 2 / CCS | AC (1/3-phasig) / DC | V2L / V2H / V2G (vorbereitet) |
Bidirektionales Laden: Die Norm ist da
Die Technik für das bidirektionale Laden ist also bereits da. Damit es reibungslos und an möglichst vielen Ladestationen – vor allem zu Hause – funktioniert, müssen viele Rädchen ineinander greifen.
Vor allem muss das Eigenheim über ein intelligentes Energiemanagement verfügen. Damit lässt sich erfassen, wann wie viel Strom im Haushalt verbraucht wird. Und, falls eine PV-Anlage vorhanden ist, wie viel selbst erzeugter Strom gerade zur Verfügung steht.
Das System muss auch wissen, wie es um den Ladestand des E-Autos bestellt ist und wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dessen Batterie gesaugt werden sollte. Etwa weil gerade genug oder zu wenig Solarstrom vom eigenen Dach zur Verfügung steht oder die Batterieladung sonst nicht mehr für die nächste Fahrt reicht.
Die Norm dafür gibt es inzwischen: Im April 2023 veröffentlichte die Internationale Organisation für Normung die ISO 15118-20. Sie regelt die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladeeinrichtung, beispielsweise einer Wallbox, zum bidirektionalen Laden.
Nun stehen die Hersteller von Wallboxen, E-Autos und Energiemanagementsystemen vor der Aufgabe, normkonforme und damit zueinander kompatible Produkte zu wirtschaftlichen Preisen auf den Markt zu bringen.
Lastmanagement fürs ganze Stromnetz
Ein intelligentes Lastmanagement wird entscheidend sein, wenn der Strom nicht nur im eigenen Haushalt (Vehicle-to-Home, V2H) verbraucht, sondern auch noch ins öffentliche Stromnetz (Vehicle-to-Grid, V2G) eingespeist werden soll. Be- und Entladung, womöglich sogar einer großen Anzahl von E-Auto-Batterien, müssten dann mit Angebot und Nachfrage synchronisiert werden.
Eine weitere Baustelle: die Abrechnung mit dem Stromversorger für den abgegebenen Strom. Dafür müsste man vermutlich Lösungen, wie es sie schon jetzt für die Einspeisung von Strom aus Photovoltaik gibt, an die Elektromobilität anpassen.
Und zuletzt: Zwischen den verschiedenen E-Auto-Modellen gibt es erhebliche technische Unterschiede, von der Größe der Batterie bis zur Spannung im Bordnetz. Damit müssten Hausanschlüsse und Wallboxen umgehen können, um Fehlfunktionen, Kurzschlüsse oder Schäden an der Batterie zu vermeiden.
Ungewiss ist zudem, wie Autohersteller mit der Garantie für die Autobatterie umgehen, wenn sie auch fürs bidirektionale Laden freigegeben wird. Schließlich würde die Batterie dann häufiger be- und entladen, als bei normaler Nutzung allein zum Fahren zu erwarten wäre. Offen ist darüber hinaus die Haftung für eventuell auftretende Schäden an der Installation, sollte es doch einmal zu Fehlfunktionen kommen.
Gesetzesänderungen sind nötig
Der Gesetzgeber hat noch einiges zu tun. Aktuell sind E-Autos aus rechtlicher Sicht Pkw und keine Batteriespeicher, für die es teils günstigere rechtliche Vorgaben gibt. Der ADAC setzt sich deshalb für eine steuerliche Gleichbehandlung von stationären Speichern und "rollenden Speichern", also E-Autos ein.
Der Grund: Die Doppelbesteuerung von Strom, der im Auto zwischengespeichert wird, macht die Rückgabe ans öffentliche Netz unwirtschaftlicher. Denn derzeit fallen einmal beim Strombezug aus dem Netz, also beim Kauf, Steuern an, und dann wieder bei der Rückspeisung ins Netz, also beim Verkauf.
Auch weitere Detailfragen gilt es zu klären, etwa, wie der Fiskus mit damit umgeht, wenn ein E-Auto steuerbegünstigt beim Arbeitgeber aufgeladen und der Strom anschließend gegen Geld wieder ins Netz eingespeist wird.
Geschäftsmodell in Sicht?
Die größte Hürde dürfte aber bis auf Weiteres das Geschäftsmodell sein, also die Frage, ob sich für den Nutzer bzw. die Nutzerin die zusätzlichen Kosten für Technik im Auto und Infrastruktur im Haus überhaupt lohnt. Wallboxen, die bidirektionales Laden ermöglichen, werden wohl zunächst drei- bis viermal teurer als herkömmliche Modelle sein. Auch das Lastmanagement und die Technik im Auto kosten Geld.
Um diese Investitionen wieder zu erwirtschaften, muss nicht nur viel Strom in die Autobatterie hinein- und wieder herausfließen. Die Preisdifferenz zwischen dem eingespeicherten und wieder abgegebenen Strom muss auch ausreichend groß sein.
Bei der Zwischenspeicherung von Solarstrom vom eigenen Dach ist das schon jetzt oft der Fall. Auch die Nutzung von dynamischen Stromtarifen kann einen profitablen Anwendungsfall darstellen.
Noch höhere Gewinne könnten erzielt werden, wenn viele E-Auto-Batterien zur Netzstabilisierung zusammengeschaltet werden. Voraussetzung für alle Erlösmodelle: Die Preise für die erforderliche Hardware müssen deutlich fallen.