Genesis Electrified GV70: Nobler Elektro-SUV im ADAC Test
Der Genesis Electrified GV70 erscheint individueller als die Elektro-SUVs von Audi, BMW, Mercedes und Volvo: Platz, Komfort und Leistung gibt's genug, und auch die Talente als Elektroauto können sich sehen lassen. ADAC Test, Daten, Bilder
Gute Note von 1,9 im ADAC Test
Schnelles DC-Laden dank 800-Volt-Technik
Sehr sportliche Fahrleistungen bei bis zu 490 PS
Die Marke Genesis gilt immer noch als Newcomer in Deutschland. Doch wie groß die Ambitionen von Hyundais Edel-Ableger aus Korea sind, ist bemerkenswert. Erst 2021 hat die Marke hierzulande den Verkauf gestartet, bietet aber mittlerweile vom Mittelklassevertreter G70 bis zur Limousine der oberen Mittelklasse G80 ein breites Spektrum an Fahrzeugen und Antrieben an. Wobei sich Verbrennungsmotoren schnell erledigt haben werden: Ab 2025 will Genesis nur noch rein elektrische Fahrzeuge neu auf den Markt bringen und ab 2030 alle angebotenen Modelle auf Elektro umgestellt haben.
Genesis Electrified GV70 mit bis zu 490 PS
Rein elektrisch angetrieben gab es zunächst das Mittelklasse-SUV namens GV60 sowie die große Limousine G80 Electrified. Im Herbst 2022 hat Genesis mit dem GV70 Electrified ein drittes Elektroauto als Ableger des GV70 mit Verbrennungsmotoren nachgeschoben. Der misst exakt 20 Zentimeter mehr in der Länge als der GV60, ist deutlich stärker motorisiert und kostet dafür auch rund 11.000 Euro mehr. Zur Einordnung: Mit 4,72 Meter Länge hat der Electrified GV70 exakt die Größe eines BMW iX3.
Wo der Genesis den BMW allerdings aussticht, ist der Antrieb. Muss der BMW mit 210 kW/286 PS auskommen, leisten die beiden E-Maschinen des Genesis stolze 320 kW/436 PS (Systemleistung), gleichmäßig aufgeteilt auf Front- und Heckmotor mit jeweils 180 kW/245 PS. Und wer es ganz eilig hat, drückt die Boost-Taste im Lenkrad, und für zehn Sekunden werden bis zu 360 kW/490 PS und ein Drehmoment von 700 Newtonmetern von der Leine gelassen.
Electrified GV70: Fahrleistungen wie ein Porsche 911
Wie sich das anfühlt? Wie ein Ritt auf der Kanonenkugel! Der GV70 schießt beim Druck auf das Fahrpedal auf und davon, presst die Insassen in die Sitze und tut so, als wären 2,3 Tonnen Leergewicht absolut kein Thema. Im Gegenteil: Durch das spontane Ansprechen des E-Motors und die Lässigkeit der Leistungsentfaltung stellt sich ein Gefühl der Leichtigkeit ein, das man sonst nur von Sportwagen kennt. Die ADAC Testingenieure vergeben dafür das Attribut "hervorragend".
Zumindest was die Beschleunigung angeht, ist auch ein Porsche 911 kaum schneller. In 2,3 Sekunden geht es von 60 auf 100 km/h, in 2,7 Sekunden von 80 auf 120 km/h. Ohne Boost ist Tempo 100 nach 4,8 Sekunden erreicht, mit Boost sogar nach nur 4,2. Ob so ein Kraftausbruch tatsächlich in einem Elektro-SUV sein muss, sei einmal dahingestellt. Schließlich sind E-Auto-Fahrer erfahrungsgemäß ohnehin einer besseren Reichweite wegen meist zurückhaltend unterwegs. Die Spitze von 235 km/h ist daher ebenfalls eher theoretischer Natur.
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Was der Genesis aber ebenso gut beherrscht, ist das flauschig-komfortable Gleiten. Im Innenraum herrscht weitgehend Ruhe: Um das Geräuschniveau zu reduzieren, kommt eine besondere Technik zum Einsatz. Eine aktive Geräuschkontrolle misst (als Extra im Lexicon Premium-Audio-Paket für 1170 Euro) mithilfe von vier Sensoren und acht Mikrofonen die Fahrbahngeräusche und erzeugt gleichzeitig inverse Schallwellen, um den Geräuschpegel zu senken. Das klappt recht ordentlich, auch wenn eine geruhsame Stille wie in einem Bentley nicht erreicht wird.
360-Grad-Blick in den Innenraum des GV70
Der E-Antrieb kann hinsichtlich der Laufkultur vollauf überzeugen. Wozu man in einem Elektroauto noch Fahrgeräusche wie bei einem Verbrennungsmotor via Lautsprecher einspielen lassen kann, bleibt rätselhaft. Wer die Stille des E-Motors genießen will, lässt die Einstellmöglichkeit im Bordmonitor einfach links liegen. Und erfreut sich vielleicht eher an den edlen Materialien mit gut verarbeitetem Leder, Aluminium und hübsch gemachten Details, die das Gefühl vermitteln, ein sehr gediegenes und luxuriöses Auto zu fahren.
Für einen guten Federungskomfort sorgt eine spezielle elektronische Fahrwerksregelung, die die Straßenbeschaffenheit im Voraus scannt und sich flugs darauf einstellt. Unser Eindruck: Der GV70 rollt angemessen komfortabel ab, ohne sich dabei merklich von seinen Konkurrenten BMW iX3 und Mercedes EQC abzusetzen.
Insgesamt macht auch das Fahrverhalten einen positiven Eindruck, wenngleich in schnellen Kurven "richtige" Sportwagen dem schweren SUV natürlich überlegen sind. Beim ADAC Ausweichtest liefert der Genesis mit der optionalen 20-Zoll-Bereifung eine zufriedenstellende Vorstellung ab. Er umkurvt die Pylonen mit wirkungsvollem ESP-Einsatz eher träge, das deutliche Untersteuern nimmt zusätzlich Geschwindigkeit aus dem Manöver – der Koreaner bleibt aber gut beherrschbar, da das ESP maßvoll regelt.
Beim praktischen Nutzwert ist der GV70 allerdings nicht ganz vorn dabei. So haben Fahrer und Beifahrer noch einen sehr üppigen Raumeindruck, im Fond herrschen für diese Klasse aber nur durchschnittliche Platzverhältnisse. Der mittlere Sitz ist zudem unbequem und für längere Strecken somit kaum nutzbar. Sind die Vordersitze für 1,85 Meter große Menschen eingestellt, können dahinter zwei knapp 1,95 Meter große Personen noch ordentlich sitzen.
Angenehm: Die Sitzlehnen lassen sich in der Neigung verstellen, und nach dem Umklappen der Rückenlehnen ergibt sich eine ebene Ladefläche. Weil aber das Heck sehr schräg nach hinten abfällt, dürfte man mit Sperrigem wie einer Kommode oder einem Kühlschrank schnell an die Grenzen kommen. Der Kofferraum an sich fällt recht flach aus – die angegebenen 503 Liter Fassungsvermögen nimmt man ihm nicht so recht ab. Und tatsächlich passen laut ADAC Messung nur 380 Liter unter die Abdeckung. Nutzt man den Stauraum bis zum Dach hoch, erweitert sich das Volumen auf 565 Liter oder alternativ bis zu zehn Getränkekisten. Unter Ausnutzung des kompletten Stauraums hinter den Vordersitzen sind bis zu 1385 Liter Volumen verfügbar. Zudem bietet der Koreaner einen praktischen 15-Liter-Frunk unter der Fronthaube.
Schnelles Laden dank 800-Volt-Technik
Besonders gut soll der Genesis GV70 beim Laden sein. Wie bei den Schwestermodellen kommt auch hier die 800-Volt-Technik zum Einsatz, die schnelles Laden garantieren soll. Wird eine entsprechend leistungsfähige High-Power-Säule an der Autobahn angesteuert, erledigt sich der Ladevorgang quasi in Windeseile: Dank einer Leistung von bis zu 350 kW soll das Laden von zehn auf 80 Prozent Akkufüllstand nur 18 Minuten dauern, sagt der Hersteller. Im Test wurden dann doch immer noch mehr als akzeptable 23 Minuten draus, bei einer durchschnittlichen Ladeleistung von guten 173 kW. In der Spitze wurden 223 kW gemessen, von knapp 30 bis etwa 60 Prozent Akkufüllstand (Ladekurve im Test-PDF, siehe unten).
Genesis Electrified GV70 mit 380 Kilometer Reichweite
Als mögliche Reichweite verspricht Genesis eine Strecke von 455 Kilometern nach WLTP pro Akkufüllung. Ein theoretischer Wert, der selbstredend je nach Fahrprofil, Temperatur und Geschwindigkeit variiert. Beim ADAC Ecotest kamen angesichts des Durchschnittsverbrauchs von 22,8 kWh auf 100 Kilometer rund 380 Kilometer heraus. Kein schlechter, aber auch kein Rekordwert, im Alltag dürfte der Aktionsradius allemal ausreichen, zumal der Koreaner ja schnell wieder nachladen kann.
Zumindest an der CCS-Schnellladesäule, AC-Laden ist bei 11 kW begrenzt. Hier muss man sich auf rund acht Stunden Ladezeit einstellen. Optional ist der Genesis mit der „Vehicle-to-Load"-Funktion – kurz V2L – ausgestattet. Damit kann das E-Auto nicht nur andere elektrische Geräte mit 230 V Wechselspannung und bis zu 3,6 kW versorgen, sondern sogar andere Elektroautos laden, sofern der Akku ausreichend gefüllt ist.
Hinsichtlich der Transportqualitäten hat der Koreaner einiges zu bieten: Die mögliche Zuladung im Falle des Testwagens beträgt 565 Kilo, wovon bis zu 100 Kilo auf dem Dach transportiert werden können. Serienmäßig gibt es eine Dachreling. Die maximal zulässige Anhängelast liegt bei üppigen 1,8 Tonnen für gebremste Anhänger. Die Stützlast darf bis zu 180 Kilo betragen, was selbst für einen Fahrradträger inklusive mehrerer Pedelecs ausreicht.
Im Innenraum kann der Koreaner seinem Premiumanspruch mit seiner überdurchschnittlich guten Materialauswahl vollauf gerecht werden. Die im Alltag häufiger genutzten Funktionen lassen sich dank des aufgeräumten Cockpits leicht bedienen. Die meisten Schalter sind recht groß und klar beschriftet. Lediglich die Touchfunktionen bei der Klimabedienung für beispielsweise Gebläsestufe oder Sitzheizung/-lüftung erfordern Treffsicherheit.
Erfreulicherweise verfügt der GV70 aber über eine separate Klimabedieneinheit. Die Fahrzeugeinstellungen können größtenteils über den breiten 14,5-Zoll-Monitor vorgenommen werden, die Menüs sind wegen der vielen Individualisierungs-Möglichkeiten recht umfangreich, nach einer gewissen Eingewöhnung aber beherrschbar.
Preis für den elektrischen GV70: ab 68.480 Euro
Mit einem Grundpreis von 68.480 Euro ist der elektrische SUV kein Sonderangebot, angesichts seiner Konkurrenten aber auch nicht überteuert. Der BMW iX3 kostet 67.300 und der Jaguar i-Pace 92.400 Euro. Bereits ab Werk ist der Genesis gut ausgestattet, Ausstattungslinien sind nicht zu haben, wohl aber Pakete wie ein Technik-, Sitz- oder Komfortpaket.
Gewöhnliche Händler gibt es nicht
Ungewöhnlich ist das Vertriebsmodell von Genesis. Ein Händlernetz gibt es nicht, sieht man von zwei "Studios" in der Münchner Fußgängerzone und in Frankfurt und einem in Berlin geplanten einmal ab. Gekauft wird online – ohne Rabatte! Die Neuerwerbung wird einem von einem "Personal Assistant" vor die Tür gestellt, der schon vor dem Kauf für eine Probefahrt zur Stelle ist, den Wagen zum Kundendienst abholt und wieder bringt. Das macht er zumindest fünf Jahre lang, so das "Fünf-Jahres-Versprechen" mit entsprechend langer Garantie der Marke. Kundendienste sind dabei auch inkludiert.
Nach den fünf Jahren soll der Kunde den Service verlängern können. Wer das nicht möchte, muss sein Fahrzeug zu einem der acht deutschen Werkstätten bringen, die sich vornehmlich in den Ballungsräumen befinden. Doch ob der Premiumkunde bereit ist, dafür weit zu fahren? Das wird man sehen.
Lesen Sie hier den ausführlichen Test des Genesis GV70 Electrified Sport AWD als PDF
Genesis Electrified GV70: Technische Daten, Preis
Technische Daten (Herstellerangaben) | Genesis GV70 Electrified Sport AWD (ab 10/22) |
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Motorart | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 360 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 490 |
Drehmoment (Systemleistung) | 700 Nm |
Antriebsart | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 4,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 235 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 455 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 19,2 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Netto) in kWh | 77,4 |
Ladeleistung (kW) | AC:2,3-11,0 DC:50,0-350,0 |
Kofferraumvolumen normal | 503 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.678 l |
Leergewicht (EU) | 2.310 kg |
Zuladung | 535 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 1.800 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 5 Jahre |
Länge x Breite x Höhe | 4.715 mm x 1.910 mm x 1.630 mm |
Grundpreis | 69.580 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Genesis GV70 Electrified Sport AWD |
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Überholvorgang 60 – 100 km/h | 2,3 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 34,4 m |
Wendekreis | 12,1 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 22,8 kWh/100 km, 114 g CO₂/km (Well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | **** |
Reichweite | 380 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 64,9 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 2280 / 565 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 380 / 780 / 1385 l |
ADAC Testurteil
ADAC Testergebnis | Genesis GV70 Electrified Sport AWD (ab 10/22) |
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Karosserie/Kofferraum | 2,4 |
Innenraum | 2,1 |
Komfort | 2,0 |
Motor/Antrieb | 0,8 |
Fahreigenschaften | 2,5 |
Sicherheit | 1,5 |
Umwelt/EcoTest | 2,0 |
Gesamtnote | 1,9 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
Video: So fährt der Genesis GV70 mit Dieselmotor
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