Das Elektroauto als Stromspeicher fürs Haus: So funktioniert bidirektionales Laden

Ein Hyundai Ioniq 5 beim Laden
Noch ein Bild mit Seltenheitswert: Der Akku eines Ioniq 5 bestromt ein Tiny House© Hyundai

Das eigene Haus mit Strom aus der E-Auto-Batterie versorgen: Klingt nach einer genialen Idee. Was schon funktioniert, was noch besser werden muss.

  • Stromspeicher können unabhängiger vom Versorger machen

  • Noch gibt es kaum geeignete Autos und Wallboxen

  • Gesetzgeber und Industrie müssen noch Normen und Regeln entwickeln

Das Elektroauto als Stromspeicher

Endlich unabhängig werden vom Energieversorger: Davon träumen viele Menschen. Gerade jetzt, angesichts steigender Strompreise. Wer eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach hat, hat den ersten Schritt schon getan. Aber mehr als 30 Prozent vom Eigenbedarf lassen sich mit der Sonne kaum decken, zu sehr schwanken Wetter und eigener Stromverbrauch von Tag zu Tag.

Erhöhen lässt sich dieser Anteil mit einem eigenen Stromspeicher. Weshalb auch die Nachfrage nach Groß-Batterien zunimmt. Günstig sind sie allerdings nicht: Pro Kilowattstunde Speicherplatz muss man derzeit zwischen 750 und 1200 Euro einplanen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Kapazität, desto günstiger der Durchschnittspreis pro kWh.

Aber warum einen Stromspeicher kaufen, wenn das eigene Elektroauto auch eine Batterie hat? Das E-Auto könnte tagsüber überschüssigen Strom, etwa aus der Photovoltaik-Anlage, speichern und bei Bedarf wieder zurückgeben – an ein elektrisches Gerät, ins Haus- oder Stromnetz.

Tatsächlich versprechen sich viele Fachleute von dieser Möglichkeit, dem bidirektionalen Laden, einen wichtigen Schritt hin zu mehr Energiesicherheit: Autobatterien, die Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben, könnten die schwankende Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen ausgleichen.

Bidirektionales Laden: So funktioniert es

Beim bidirektionalen Laden kann Strom in zwei Richtungen fließen: Zunächst aus dem Netz in einen Speicher – und anschließend wieder aus ihm heraus, zurück ins Netz. Grundsätzlich sind dazu viele Geräte längst in der Lage. Jeder Akku speichert Strom und gibt ihn anschließend wieder ab, Laptops und Powerbanks versorgen Handys mit Energie.

Soll eine E-Auto-Batterie zum bidirektionalen Laden genutzt werden, braucht es allerdings einen Zwischenschritt. Denn Elektroautos fahren mit Gleichstrom (DC), im Haushalt wird aber nur Wechselstrom (AC) genutzt. Deshalb muss der Wechselstrom beim Laden in Gleichstrom umgewandelt werden. Dafür sorgt ein Gleichrichter, entweder im Bordladegerät des Fahrzeugs oder in einer DC-Wallbox. Soll der Strom wieder ins Netz zurückfließen, braucht man einen Wechselrichter.

Soll der Strom aus der Autobatterie anschließend wieder ins Haus- oder Stromnetz zurückgegeben werden, muss dieser Prozess in umgekehrter Richtung ablaufen, der Gleichstrom also wieder in Wechselstrom zurück gewandelt werden. Auch dafür ist eine technische Vorbereitung nötig.

V2L, V2H, V2G: Drei Varianten

Ein Volvo EX90 lädt an einem Haus
Technisch weit fortgeschritten: Der Volvo EX90 kann V2H- und V2G-Laden © Volvo cars

Es gibt drei Varianten des bidirektionalen Ladens. Die einfachste und schon in einigen Modellen erhältliche: Im E-Auto befindet sich eine ganz normale Schuko-Steckdose, an die man unterwegs elektrische Geräte anschließen kann. Diese Funktion wird als Vehicle-to-load (V2L) oder Vehicle-to-Device (V2D) bezeichnet. Fahrzeuge wie der Hyundai Ioniq, der Kia Niro oder die Modelle von MG verfügen über diese Option. Wirklich revolutionär ist das zwar nicht – dafür aber sehr praktisch, etwa für Camper oder alle, die unterwegs Strom benötigen. Zum Beispiel Handwerker, um Werkzeuge zu betreiben oder zu laden.

Die zweite Variante: Das an die Wallbox angeschlossene E-Auto gibt Energie ans Stromnetz des Hauses ab. Hier spricht man von Vehicle-to-Home (V2H). Dabei hängt das E-Auto wie beim Laden an der hauseigenen Wallbox und bei Bedarf – etwa weil die Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach keinen Strom liefert – wird der vorher geladene Strom zum Eigenverbrauch abgegeben.

Und zuletzt die anspruchsvollste Option: Das E-Auto speist den in der Batterie gespeicherten Strom nicht nur ins heimische, sondern sogar ins gesamte Netz ein: Vehicle-to-Grid (V2G). Die Vision dahinter: Durch eine intelligente Steuerung könnten viele Tausend E-Autos zu einem "virtuellen Kraftwerk" zusammengeschaltet werden und so zur Stabilisierung der Energieversorgung beitragen. Etwa während der Bedarfsspitzen am Morgen und am Abend, wenn in vielen Haushalten gleichzeitig das Licht oder der Herd angeschaltet wird.

Mehr zum Thema: Im Interview erklärt ein ADAC Fachmann, wie das E-Auto zum mobilen Stromspeicher werden könnte.

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Diese Autos können bidirektional laden

Modell

Stecker

AC / DC

Art

Nissan Leaf

CHAdeMO

DC

V2H / V2G (vorbereitet)

Nissan eNV200 ¹

CHAdeMO

DC

V2H / V2G (vorbereitet)

Mitsubishi ¹ Outlander / iMIEV

CHAdeMO

DC

V2H / V2G (vorbereitet)

Hyundai Ioniq 5 / 6

Schuko

AC (1-phasig)

V2L

Kia EV6 / Niro EV

Schuko

AC (1-phasig)

V2L

MG 4 / 5 / Marvel

Schuko

AC (1-phasig)

V2L

Skoda Enyaq (mit 77 kWh)

CCS

DC

V2H / V2G (vorbereitet)

Volvo EX90

Schuko / Typ 2 / CCS

AC (1/3-phasig) / DC

V2L / V2H / V2G (vorbereitet)

VW ID.3, ID.4, ID.5, ID Buzz (mit 77 kWh)

CSS

DC

V2H / V2G (vorbereitet)

Polestar 3

Schuko / Typ 2 / CCS

AC (1/3-phasig) / DC

V2L / V2H / V2G (vorbereitet)

¹ Modell(e) nicht mehr erhältlich.

Bidirektionales Laden: Die Norm ist da

Die Technik für das bidirektionale Laden ist also bereits da. Damit es reibungslos und an möglichst vielen Ladestationen – vor allem zu Hause – funktioniert, müssen viele Rädchen ineinander greifen.

Vor allem muss das Eigenheim über ein intelligentes Energiemanagement verfügen. Damit lässt sich erfassen, wann wie viel Strom im Haushalt verbraucht wird. Und, falls eine PV-Anlage vorhanden ist: Wie viel selbst erzeugter Strom gerade zur Verfügung steht.

Das System muss auch wissen, wie es um den Ladestand des E-Autos bestellt ist und wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dessen Batterie gesaugt werden sollte. Etwa weil gerade genug oder zu wenig Solarstrom vom eigenen Dach zur Verfügung steht oder die Batterieladung sonst nicht mehr für die nächste Fahrt reicht.

Die Norm dafür gibt es inzwischen: Im April 2023 veröffentlichte die Internationale Organisation für Normung die ISO 15118-20. Sie regelt die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladeeinrichtung, beispielsweise einer Wallbox, zum bidirektionalen Laden.

Nun stehen die Hersteller von Wallboxen, E-Autos und Energiemanagementsystemen vor der Aufgabe, normkonforme und damit zueinander kompatible Produkte zu wirtschaftlichen Preisen auf den Markt zu bringen.

Lastmanagement fürs ganze Stromnetz

Ein intelligentes Lastmanagement wird entscheidend sein, wenn der Strom nicht nur im eigenen Haushalt (Vehicle-to-Home, V2H) verbraucht, sondern auch noch ins große Stromnetz (Vehicle-to-Grid, V2G) eingespeist werden soll. Be- und Entladung, womöglich sogar einer großen Anzahl von E-Auto-Batterien, müssten dann mit Angebot und Nachfrage synchronisiert werden.

Eine weitere Baustelle: Die Abrechnung mit dem Stromversorger für den abgegebenen Strom. Dafür müsste man vermutlich Lösungen, wie es sie schon jetzt für die Einspeisung von Strom aus Photovoltaik gibt, an die Elektromobilität anpassen.

Und zuletzt: Zwischen den verschiedenen E-Auto-Modellen gibt es erhebliche technische Unterschiede, von der Größe der Batterie bis zur Spannung im Bordnetz. Damit müssten Hausanschlüsse und Wallboxen umgehen können, um Fehlfunktionen, Kurzschlüsse oder Schäden an der Batterie zu vermeiden.

Ungewiss ist zudem, wie Autohersteller mit der Garantie für die Autobatterie umgehen, wenn sie auch fürs bidirektionale Laden freigegeben wird. Schließlich würde die Batterie dann häufiger be- und entladen, als bei normaler Nutzung allein zum Fahren zu erwarten wäre. Offen ist darüber hinaus die Haftung für eventuell auftretende Schäden an der Installation, sollte es doch einmal zu Fehlfunktionen kommen.

Neue Gesetze sind nötig

Der Gesetzgeber hat noch einiges zu tun. Aktuell sind E-Autos aus rechtlicher Sicht nur Pkw – und keine Batteriespeicher, für die es teils weitergehende rechtliche Vorgaben gibt. Eine weitere Frage: Wie soll der Strom, der wieder ins Netz eingespeist wird, versteuert werden? Dabei steckt der Teufel im Detail, schließlich könnte ein E-Auto-Besitzer sein Auto steuerbegünstigt beim Arbeitgeber laden und anschließend gegen Geld wieder ins Netz einspeisen.

Noch fehlt das Geschäftsmodell

Die größte Hürde dürfte aber bis auf weiteres das fehlende Geschäftsmodell sein. Wallboxen, die bidirektionales Laden ermöglichen, werden wohl zunächst drei- bis viermal teurer als herkömmliche Modelle sein. Auch das Lastmanagement und die Technik im Auto kosten Geld.

Um diese Investitionen wieder zu erwirtschaften, muss viel Strom in die Autobatterie und wieder heraus fließen. Was aber angesichts vergleichsweise geringer Bedarfe im eigenen Haus erst nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten erreicht werden kann. Lukrativer könnte es werden, wenn viele E-Auto-Batterien zur Netzstabilisierung zusammengeschaltet werden – für diesen Strom sind am Markt hohe Erlöse zu erzielen.

Abschreiben sollte man das bidirektionale Laden deshalb nicht. Schließlich haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass politische Initiativen, technische Innovationen oder neue Fördermodelle die Wirtschaftlichkeit eines Produkts von einem Tag auf den anderen verändern können.