ADAC Vergleich: So gut laden E-Autos an der Schnellladesäule

An der Tankstelle fließt pro Minute immer gleich viel Sprit ins Auto. Beim Schnellladen von Elektroautos ist das nicht so, denn hier gibt es bei den Ladeleistungen erhebliche Unterschiede. Messungen des ADAC zeigen, welche Autos an der Schnellladesäule am besten sind.
Ladekurven im Vergleich: Vom Audi e-tron bis zum Volvo XC40
Klare Vorteile für E-Autos mit 800-Volt-System
Bei Kälte laden alle langsamer
Mit Video: Schnellladen – leicht erklärt
Ganz gleich, ob zum Geschäftstermin, auf dem Weg ins Kino oder an den Urlaubsort: Zeit ist ein kostbares Gut. Kein Wunder also, dass wir auch unterwegs mit dem Auto stets darauf bedacht sind, möglichst zügig ans Ziel zu kommen.
Auf der Langstrecke stoßen viele Elektroautos in diesem Punkt an ihre Grenzen. Während ein Porsche Taycan und ein Hyundai Ioniq 5 mit weit über 200 kW Leistung laden können, ist die Ladeleistung beim Renault Zoe auf maximal 50 kW limitiert. Bei solch gewaltigen Unterschieden müssen sich Interessenten bei der Wahl ihres E-Autos darüber im Klaren sein, mit wie viel Reichweite und wie langen Ladezeiten sie zufrieden wären – und wie häufig längere Strecken mit Zwischenladungen gefahren werden.
Ladekurven: Warum die Leistung schwankt
Die Ladeleistung beim Schnellladen von Elektroautos ist nicht konstant, sondern beschreibt über den Ladebereich die sogenannte Ladekurve. Sie erreicht ihr Maximum meist bei geringeren Ladeständen und fällt dann mit zunehmendem Batteriestand immer weiter ab. Für diesen Verlauf gibt es technische Gründe: Je vollgeladener die Batterie ist, desto weniger Leistung kann sie verkraften, ohne Schaden zu nehmen – entsprechend reduziert das Batteriemanagement die Ladeleistung.
Die so entstehende, charakteristische Ladekurve wird jedoch von den Herstellern nur selten veröffentlicht. Meist wird nur die maximale Ladeleistung angegeben und die erwartbare Ladedauer, um einen weitgehend geleerten Akku wieder auf 80 Prozent zu füllen. Beide Werte werden in der Praxis, wenn überhaupt, nur unter idealen Bedingungen erreicht. So beobachten Fahrer immer wieder, dass ihr E-Auto mal schneller, mal weniger schnell lädt.
Schwankende Ladeleistungen sind technisch bedingt und durchaus gewollt von den Entwicklern der Autos. Warum? Die beste Leistung erreicht eine Batterie in ihrer Wohlfühltemperatur. Wenn Zellen heiß zu werden drohen oder noch zu kalt sind, wird die Ladeleistung vom Batteriemanagement reduziert. Geschieht das nicht, würden die Zellen unter Umständen beschädigt, der Akku verliert seine volle Energiekapazität beziehungsweise seine garantierte Lebensdauer.
Hersteller mit unterschiedlichen Ladestrategien
Aufzeichnungen der Ladekurven beim Laden an der High-Power-Säule (HPC), die Ladeleistungen von bis zu 350 kW zur Verfügung stellen, machen die Schwankungen transparent. Spätestens ab 80 Prozent Akkufüllstand regeln Elektroautos die Ladeleistungen auf einen Bruchteil des Potenzials ab.
Um den Akku bestmöglich zu schonen, beginnt die Reduzierung der Ladeleistung meistens aber schon weitaus früher. Und die Ladestrategien zur Schonung des Akkus fallen bei Modellen verschiedener Hersteller tatsächlich sehr unterschiedlich aus.
Absolut top bei der erzielten Spitzenladung sind der Porsche Taycan und sein Schwestermodell Audi e-tron GT. Mit über 200 kW laden auch Hyundai Ioniq 5 und Genesis GV60. Damit beweisen die vier, dass das 800-Volt-System, mit dem sie alle ausgestattet sind, Vorteile beim Laden hat. Auch wenn es einige wenige Modelle gibt, die trotz nur 400-Volt-Spannungslage ebenfalls höchste Ladeleistungen erzielen – beispielsweise der Mercedes EQS, der BMW i4 oder das Tesla Model Y.
Entscheidend für Kunden ist aber nicht die zeitweilige Spitzenleistung, sondern wie stabil die Kurve über die gesamte Ladezeit verläuft. Denn erst daraus ergibt sich, wie lange der Ladestopp an der HPC-Säule dauert. Um das Ladeverhalten verschiedener Modelle zu vergleichen, errechnen die ADAC Tester daher die durchschnittliche Leistung beim Laden von 10 auf 80 Prozent Batterieladestand.
So schnell laden die Elektroautos wirklich
Um die Ladekurven Nutzern und Kaufinteressenten von Elektroautos zugänglich zu machen, werden diese beim ADAC Autotest unter vergleichbaren Bedingungen erhoben. Dazu werden die Fahrzeuge über Nacht in der 20 Grad warmen Testhalle konditioniert, bevor die Ladeleistung aufgezeichnet wird.
In der folgenden Tabelle haben wir für Sie die Ladekurven von 50 getesteten Elektroautos dargestellt. Die Modelle sind in alphabetischer Reihenfolge gelistet. Scrollen Sie durch die Liste zu dem für Sie interessanten Modell und klicken Sie auf den Modellnamen. Jetzt sehen Sie anhand der Kurve, wie sich die Energieaufnahme des gewählten Modells während des Ladevorgangs verändert.
Dazu bietet die Tabelle auf einen Blick die Information, wie viele Kilometer neue Reichweite das Elektromodell innerhalb von 10, 20 und 30 Minuten nachlädt. Basis der Reichweiten-Berechnung ist der gemischte Fahrbetrieb, mit einem Stadt-, einem Land- und einem Autobahn-Anteil, definiert nach dem realitätsnahen ADAC Ecotest-Zyklus. Mit einem Klick im Kopf der Spalte 10, 20, 30 Minuten können Sie sich die Fahrzeuge sortieren lassen. Dann sehen Sie, welches Auto jeweils am meisten oder am wenigsten Kilometer Reichweite in der gewählten Zeit nachlädt.
Ideal: 30 Minuten Ladung für 300 Kilometer
Neben der Dauer des Ladestopps interessiert den E-Fahrer, wie viele Kilometer er denn anschließend weiterfahren kann. Insofern werden neben der Ladekurve auch die nachgeladenen Kilometer in 10-Minuten-Schritten im Autotestbericht des ADAC angegeben – ein Wert, der besonders wichtig ist, wenn es um die Langstreckentauglichkeit von Elektroautos geht.
Als gut wird die Langstreckentauglichkeit bewertet, wenn das Elektroauto eine Erstreichweite mit voller Batterie von 400 Kilometern und eine nachgeladene Reichweite von 300 Kilometern in 30 Minuten bietet.
Das bedeutet in der Praxis, dass bei einer Autofahrt etwa alle zwei bis drei Stunden eine Ladepause erforderlich wird beziehungsweise bis zu 700 Kilometer mit einer Pause von 30 Minuten gefahren werden können. Das ist ein Pausenintervall, das auch beim Reisen mit einem Verbrenner eingehalten werden sollte. Insofern hält sich die Reisezeit mit einem solchen Elektroauto in vergleichbaren Grenzen.
Problematisch: Schnellladen bei Kälte
Bei Minustemperaturen im Winter sehen die Ladekurven von Elektroautos ganz anders aus – und die von den Herstellern genannten Ladedauern verlängern sich erheblich. Das zeigen Messungen des ADAC, bei der exemplarisch Renault Zoe, Tesla Model Y, VW e-Up und VW ID.3 untersucht wurden. Ergebnis: Bei allen vier Testfahrzeugen ist die Ladeleistung teils signifikant reduziert.
Konkretes Beispiel: Statt mit zeitweilig 125 kW bei sommerlichen 23 Grad startet der VW ID.3 bei minus 7 Grad mit weniger als 50 kW und erreicht über die gesamte Zeit auch nicht die ideale Ladekurve eines warmen Akku. Der Tesla erreichte diese immerhin ab 50 Prozent, jedoch heizte er zuerst ca. 18 Minuten lang die Batterie auf, bevor er überhaupt anfing zu laden.
Das bedeutet: Tesla-Besitzer stehen statt 33 nun 56 Minuten an der Ladesäule – 70 Prozent länger. VW ID.3-Fahrer brauchen 50 Prozent länger, Nutzer eines Renault Zoe oder VW e-Up jeweils 40 Prozent länger, wenn Sie mit einer durchgekühlten Batterie schnellladen wollen.
Die Hersteller kennen diese Probleme und arbeiten eifrig an Abhilfe: Immer mehr Elektroautos bekommen eine automatisierte Heizfunktion, um die Batterie vor einem Stopp an der Ladesäule vorzutemperieren. So hätte beispielsweise das Tesla Model Y auf einer geplanten Route seine Batterie vorgeheizt.
Allerdings wird die Batterieheizung häufig an die fahrzeugeigene Navigation gekoppelt. Das heißt: Nur wenn eine passende Ladesäule als Navigationsziel eingegeben ist, wird auch vorgeheizt. Ist die gewünschte Säule im Navi nicht enthalten, wird per Smartphone navigiert oder schlichtweg kein Ziel eingegeben, bleibt die Batterieheizung kalt und der Ladestopp verlängert sich spürbar.
Chinesische Elektroautos von MG und Nio waren die Vorreiter, andere Hersteller ziehen nun vereinzelt nach. Per Knopfdruck kann dort die Batterie geheizt werden – denn am Ende weiß der Fahrer selbst am besten, ob und wann es an die Schnellladesäule gehen soll. Hilfreich wäre für die manuelle Heizfunktion noch eine Zeitprognose, bis wann die Batterie auf die volle Schnellladeleistung konditioniert ist. Trotz der offensichtlichen Relevanz der Akku-Temperatur für die Nutzer werden sie darüber von den Herstellern bis auf wenige Ausnahmen im Dunkeln gelassen. Eine Batterietemperaturanzeige sollte eigentlich selbstverständlich sein.
SoC: Ab wann sollte geladen werden?
Die Ladekurven der Elektroautos zeigen darüber hinaus, dass Elektroautos mit gut gefülltem Akku langsamer Energie aufnehmen: Ab 80 Prozent Füllstand lässt das Batteriemanagement nur noch sehr geringe Ladeströme zu.
Wie aber sieht es aus, wenn der Ladezustand des Akkus (Fachbegriff SoC = State of Charge) 50 Prozent beträgt ? Welche Ladeleistung lässt das Batteriemanagement jetzt zu? Lohnt sich nun ein Stopp? Oder ist es zeitlich eher uneffektiv?
Auch hier zeigen die untersuchten Fahrzeuge eine deutlich schwächere Ladeleistung: Wenn man den ID.3 bei 10 Prozent SoC an die HPC-Säule ansteckt, lädt er bei 50 Prozent noch 100 kW. Fährt der VW ID.3 dagegen schon bei 50 Prozent SoC an die Ladesäule, beginnt er mit nur rund 60 kW zu laden.
Ähnlich verhalten sich die Ladekurven bei den drei anderen gemessenen Autos. Somit ist es am zeiteffizientesten, wenn der Ladevorgang bei möglichst geringem Batterieladestand gestartet wird.
Schnellladen: Tipps für E-Auto-Fahrer
Je besser die Schnellladefunktion ist, umso flexibler kann ein Elektroauto im Alltag sowie für längere Strecken genutzt werden.
Vor dem Kauf sollte man überlegen, wie häufig ein Fahrzeug für Strecken über die Fahrzeugreichweite hinaus eingesetzt werden soll. Je häufiger, desto wichtiger ist die Qualität der Schnellladefunktion.
Die Schnellladefunktion sollte immer mitbestellt werden, falls diese nicht zum Serienumfang gehört.
Um zeiteffizient unterwegs zu sein, sollte der Ladevorgang bei geringem Batterieladestand starten und nur bis 80 Prozent aufgeladen werden. Darüber hinaus dauert das Laden unverhältnismäßig lang.
Ein E-Auto sollte für längere Strecken mindestens 400 Kilometer Reichweite gemäß ADAC Ecotest und ca. 300 Kilometer nachgeladene Reichweite in 30 Minuten haben.
Zur Schonung der Antriebsbatterie sollte nur dann schnellgeladen werden, wenn es wirklich erforderlich ist.
Bei kalten Temperaturen ist es sinnvoll, die Batterie vorzutemperieren bzw. längere Ladezeiten einzukalkulieren.
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ADAC Empfehlungen an die Hersteller
Die Angaben zur Dauer des Schnellladens sollten einheitlich gestaltet werden: Stets bezogen auf einen SoC von 10 bis 80 Prozent.
Die maximale Ladeleistung allein ist wenig aussagekräftig. Es sollte immer auch die durchschnittliche Ladeleistung von 10 bis 80 Prozent angegeben werden – einmal für den Sommer, einmal für den Winter.
Eine Batterieheizung sollte serienmäßig bei allen Elektroautos verbaut werden.
Die Batterieheizung sollte möglichst manuell aktivierbar sein. Eine Zeitprognose bis zur idealen Temperatur für Schnellladevorgänge ist wünschenswert.
Eine automatische, routenbasierte Batterieheizfunktion ist optional hilfreich.
Dem Fahrer sollte die Batterietemperatur angezeigt werden.
Studienbericht und fachliche Beratung: Luis Kalb, Matthias Vogt, ADAC Technik Zentrum