Lucid Air: Elektro-Luxus mit 830 PS und 175.000 Euro
Der Lucid Air gilt als nobles Elektroauto, das Tesla den Rang in der Oberklasse streitig machen könnte. Die ADAC Tester haben dem US-Import nun auf den Zahn gefühlt. Repräsentiert der Lucid Air wirklich ein neues Maß der Dinge?
Mächtig: Motoren mit bis zu 830 PS und 1200 Nm
Ausdauernd: Fast 800 Kilometer Reichweite nach WLTP
Selbstbewusst: Testwagenpreis von 175.000 Euro
Mit dem Elektroantrieb kennt man sich sehr gut aus bei Lucid Motors. Seit 2007 entwickelt die US-amerikanische Firma unter dem Namen Atieva kompakte und leistungsfähige Batteriesysteme sowie elektrische Antriebsstränge und stattet unter anderem die Rennfahrzeuge der FIA Formel E damit aus.
Der Lucid Air ist das erste elektrische Serienauto der Firma Lucid Motors. Es entstand unter der Leitung von Peter Rawlinson. Der ist kein Unbekannter in der Szene: Er hatte zuvor bereits für Tesla und Lotus gearbeitet. Nun, im Jahr 2024 soll der Lucid Air gegen Kaliber wie Mercedes EQS, BMW iX, Porsche Taycan, Audi e-tron GT und nicht zuletzt gegen das Tesla Model S in den Kampf ziehen. Ob das erfolgreich gelingen kann?
Bildergalerie: Der Lucid Air im Detail
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270 km/h Höchstgeschwindigkeit
Im ADAC Test trat das aktuelle Topmodell in der 830 PS starken Allradversion Grand Touring an. Drehmoment: 1200 Nm – Autofahrer, die sich ein bisschen mit Technik auskennen, wissen, was das an Kraft bedeutet. Dieses Auto kostet in der Grundausstattung 129.000 Euro, der Testwagenpreis belief sich inklusive Sonderausstattung auf 174.500 Euro. Das nur mal zur Einordnung, ob Sie hier weiterlesen möchten.
Ein Tester, der mit dem Lucid Air Grand Tour auf der Autobahn unterwegs war, erklärte seinen Eindruck mit den Worten: "Da latschst du bei Tempo 200 km/h aufs Gas und bekommst immer noch einen Tritt ins Kreuz. Die Kraft ist unglaublich." Die mögliche Spitzengeschwindigkeit von 270 km/h hat der Kollege trotz freiem Verkehr freilich nicht realisieren können. Dieses Faktum allein zeigt schon sehr gut, wie absurd es ist, ein Auto mit solch überbordender Leistung auszustatten. Aber: Was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Einzige Voraussetzung: Der Kunde muss es bezahlen können und wollen.
Als zahlungswillige Kunden im Visier hat Lucid nicht nur die Upper Class in den USA oder Europa, sondern vor allem die Schicht der Superreichen im mittleren Osten. Hauptinvestor bei Lucid ist der saudi-arabische Staatsfond, der von Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman geleitet wird. Und der lässt die Firma bei finanziellen Engpässen bislang jedenfalls nicht im Regen stehen.
112 kWh Energie für 800 km Reichweite
Der Lucid Air ist elegant und frischer gezeichnet als das Model S von Tesla. Dank seines 112-kWh-Akkupakets und einem Rekord-cw-Wert von 0,197 wird für den Grand Tour eine Prospekt-Reichweite von nahezu 800 Kilometer angegeben. Und in der Tat zeigte der Bordcomputer nach einer Vollladung einmal die unfassbare Reichweite von 829 Kilometern (Foto). Aber natürlich weiß man: Prospekt-Reichweiten und BC-Hochrechnungen sind das eine, die Werte in der Realität sind das andere.
Die Wirklichkeit sieht eher so aus: Im vom ADAC definierten Ecotest kommt der Lucid auf eine Reichweite von 610 Kilometer. Aber damit ist der Lucid Air neben dem BMW iX immer noch das reichweitenstärkste Elektroauto, das vom ADAC bisher gemessen wurde.
Auch hinsichtlich des Verbrauchswertes steht es patt zwischen diesen Elektro-Boliden: 20,4 kWh pro 100 Kilometer wurden vom ADAC für beide gleichermaßen ermittelt. Zum Vergleich mit Tesla müssen wir auf das Testjahr 2017 zurückgreifen: Da kam das Tesla Model S auf einen Ecotest-Verbrauch von 24 kWh und mit dem 90 kWh-Akku auf eine Reichweite von 390 Kilometer.
Aerodynamik, Gewicht, Verarbeitung
Besonders stolz ist der US-Hersteller auf die große Zahl an selbst entwickelten Teilen und damit verbundenen Innovationen für den Lucid Air: Die sogenannte Drive Unit ist äußerst kompakt gebaut und umfasst sowohl den Elektromotor samt Getriebe, als auch den Stromwandler (Inverter).
"Die gesamte Einheit wiegt nur 74 Kilogramm", so Chefentwickler Eric Bach. Und er ergänzt: "Alles was essentiell ist für das Design, die Effizienz und die Power des Fahrzeugs, haben wir selbst entwickelt, größtenteils patentieren lassen, und wir fertigen etliche Teile auch selbst." Zudem bestünden sämtliche Halbleiter aus hochwertigem Silicium-Karbid, was die Schaltgeschwindigkeit aller elektronischen Steuerungsprozesse schneller macht als mit herkömmlichen Chips.
Von Kleinigkeiten abgesehen ist der Lucid Air sehr gut verarbeitet. Bis auf wenige reine Kunststoffteile im Fußraum sind alle Verkleidungsteile entweder unterschäumt oder bezogen – das ist Spitzenklasse. Extra mit Lob erwähnt werden von den Test-Ingenieuren die Aerodynamik-Teile der Karosserie, wie z.B. die integrierte Spoilerlippe am Heck, die Luftführung an den LED-Scheinwerfern vorbei durch die Motorhaube sowie der vollflächig verkleidete Unterboden mit Luft-Finnen und Leitformen. Auch die Abdeckung des Akkupakets aus leichtem Kohlefaserverbundstoff wird explizit gewürdigt.
Luxus und Fahrkomfort
Insgesamt fährt sich der 611 kW/830 PS starke Stromer im Alltag äußerst souverän und
komfortabel. Quer durch alle Disziplinen überzeugt der Lucid mit einem sehr guten Federungskomfort. Auf der Autobahn werden Wellen und Querfugen gekonnt gefiltert, der Langstreckenkomfort ist damit ausgesprochen gut. Verantwortlich dafür sind eine hochwertige Achskonstruktion und adaptiv regelnde Dämpfer.
Allerdings stellt die Karosserielänge von fast fünf Metern Länge und 2,21 Metern Breite im Stadtverkehr und beim Rangieren gelegentlich eine Herausforderung dar. Ohne die optionale 360-Grad-Kamera mit Rundumkamerabild kommt die jeweilige Person am Steuer mächtig ins Schwitzen, aus Angst um das teure Luxusfahrzeug. Auch muss man beim Einsteigen etwas den Kopf einziehen, um nicht am Dachholm anzustoßen. Das Auto ist schließlich nur 1,41 Meter hoch.
Abgesehen davon beeindruckt der Innenraum mit viel Platz und edler Ausstattung. Vor allem die Beinfreiheit hinten fällt opulent aus. Die weiß-beige Teppichauskleidung des Fußraums (wie im Testwagen) sollte man sich aber zweimal überlegen. Hier bildet sich wirklich jeder Fußabdruck ab – und der Teppich wirkt blitzartig verdreckt.
Touchdisplays und Bedienung
Die 34 Zoll große Anzeigelandschaft verfügt über zwei Zusatzdisplays rechts und links des "Tachos". Das linke Display steuert die Licht- und Wischerfunktionen sowie den Frunk und den Ladeanschluss, das rechte übernimmt die Infotainment-Funktionen wie Navigation, Radio, Telefonie und CarPlay/Android Auto. Dazu gibt es ein weiteres großes Zentraldisplay in der Mittelkonsole, über das sämtliche Fahrzeugeinstellungen vorgenommen werden.
Die Inhalte aus dem Media-Display können mittels Wischgeste auf das Zentraldisplay erweitert werden. Apps wie zum Beispiel die Navigation werden dann nicht nur größer, sondern auch mit erweiterten Einstellumfängen dargestellt. Die Navigation durch die Menüs gelingt dank klar erkennbarer Bedienfelder nach einer kurzen Eingewöhnungszeit recht mühelos.
Die Fahrzeugsoftware lässt sich Over-the-Air (OTA) mittels WLAN-Verbindung updaten, eine Hotspot-Funktionalität gibt es allerdings nicht. Das optionale und im Testwagen verbaute Highend-Soundsystem "Surreal Sound Pro" arbeitet mit über 21 Lautsprechern und ist in der Lage, Dolby Atmos Inhalte abzuspielen, welche Töne über dem Kopf der Zuhörer erzeugen. Über die Lucid-App kann der Besitzer auf zahlreiche Fahrzeuginformationen (Akkustand, Verriegelung) sowie Fahrzeugfunktionen (Standklimatisierung) von überall zugreifen. Eine Sprachbedienung ist nur mittels Verknüpfung eines Amazon Alexa-Kontos möglich.
Kofferraum und Riesen-Frunk
Der Kofferraum des Air bietet eine recht ungewöhnliche Ladeöffnung. Die ist sehr breit und kommt ohne die für Limousinen typische Bordwand aus. Das Ladegut muss deshalb nicht über eine Barriere gehievt werden. Die mit 61 cm sehr niedrige Ladekante erleichtert das Beladen weiter. Der ideale Raum für große Reisekoffer.
Nach ADAC Messmethode fasst der Gepäckraum des Lucid Air aber nicht mehr als 400 Liter. Doch unter dem Ladeboden befinden sich weitere 110 Liter Stauvolumen. Klappt man die Rückbank um und beschränkt sich auf den Stauraum nur bis zur Fensterunterkante (aus Sicherheitsgründen empfehlenswert), lassen sich bis 890 Liter verstauen. Alternativ kann man bis zu zehn Getränkekisten transportieren. Eine absolute Besonderheit ist der untertrennbare Frunk (Front-Kofferraum) mit einem zusätzlichen Ladevolumen von 220 Litern.
Bis zu 300 kW Ladeleistung
Als maximale DC-Ladeleistung werden vom Hersteller sagenhafte 300 kW angegeben. 293,8 kW haben die ADAC Ingenieure bei ihren Messungen tatsächlich als Spitzenwert gesehen – allerdings nur bei einem SOC von unter 10 Prozent. Anschließend sinkt der Wert sprunghaft auf unter 250 kW ab, um mit zunehmenden Akkufüllstand stetig gen 60 kW bei 80 Prozent SOC abzutauchen.
Die in einer halben Stunde nachgeladene Energie von 73,7 kWh reicht dem Lucid Air für eine weitere Fahrstrecke von 401 Kilometer. Im Ranking des Schnellladens landet der Lucid Air damit sehr weit vorn. Nennenswert besser hat bisher nur der Huyndai Ioniq 6 abgeschnitten, der in gleicher Zeit auf 492 Kilometer nachgeladene Reichweite kommt.
Fazit: Ein faszinierendes Auto
Mit einem Testwagen-Preis von 174.500 Euro ist der Lucid Air Grand Touring sehr teuer. Aufgrund der Technik-Note 1,8 schneidet der US-Luxusliner im Gesamtranking der Elektro-Oberklasse ebenbürtig mit einem Porsche Taycan ab. Trotz der enorm hohen Ladeleistung und seinem 900-Volt-Batteriesystem kann sich sein Elektroantrieb nicht wirklich von der Konkurrenz um Porsche, Mercedes EQS und Co. absetzen. Ein faszinierendes Auto, mit brutaler Leistung und faszinierender Technik – die aber niemand wirklich braucht. Ein schönes teures Spielzeug.
Hier können Sie den ausführlichen Testbericht des Lucid Air als PDF kostenlos downloaden.
Technische Daten, Reichweiten, Preise
Technische Daten (Herstellerangaben) | Lucid Air Dual Motor Pure RWD (ab 02/24) | Lucid Air Dual Motor Touring AWD (ab 07/23) | Lucid Air Dual Motor Grand Touring AWD (ab 12/22) |
---|---|---|---|
Motorart | Elektro | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 325 | 462 | 611 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 442 | 629 | 830 |
Drehmoment (Systemleistung) | 600 Nm | 1.000 Nm | 1.200 Nm |
Antriebsart | Hinterrad | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 4,7 s | 3,6 s | 3,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 225 km/h | 270 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 747 km | 725 km | 792 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 13,0 kWh/100 km | 14,1 kWh/100 km | 15,9 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 88,0 | 93,0 | 112,0 |
Ladeleistung (kW) | AC:22,0 DC:250,0 | AC:22,0 DC:250,0 | AC:22,0 DC:300,0 |
Kofferraumvolumen normal | 627 l | 627 l | 627 l |
Leergewicht (EU) | 2.070 kg | 2.325 kg | 2.435 kg |
Zuladung | 480 kg | 525 kg | 415 kg |
Länge x Breite x Höhe | 4.975 mm x 1.939 mm x 1.410 mm | 4.975 mm x 1.939 mm x 1.410 mm | 4.975 mm x 1.939 mm x 1.410 mm |
Grundpreis | 85.000 Euro | 99.000 Euro | 129.000 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Lucid Air Dual Motor Grand Touring AWD |
---|---|
Überholvorgang 60 – 100 km/h | 2,1 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 36,0 m |
Wendekreis | 12,6 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 20,4 kWh/100 km, 102 g CO₂/km (Well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | **** |
Reichweite | 610 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 66 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 2380 / 470 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 400 / 890 / - |
ADAC Testurteil
ADAC Testergebnis | Lucid Air Dual Motor Grand Touring AWD |
---|---|
Karosserie/Kofferraum | 2,6 |
Innenraum | 2,7 |
Komfort | 1,3 |
Motor/Antrieb | 0,8 |
Fahreigenschaften | 2,1 |
Sicherheit | 1,7 |
Umwelt/Ecotest | 1,6 |
Gesamtnote | 1,8 |
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