Nio ES8: Europastart in Norwegen

Der Nio ES8 wird nicht nur in China, sondern auch in Norwegen verkauft. Ob der Wagen das Zeug dazu hat, auch in Europa zu bestehen? Testfahrt, technische Daten, möglicher Preis
Nio ES8: In München designed, in China gefertigt
Riesen-SUV mit beindruckenden Fahrleistungen
Dank Wechselakku in fünf Minuten wieder startklar
Die Industrie in China kann vieles, aber richtig gute Autos bauen, das gelingt den Chinesen bisher noch nicht. Sätze wie diese galten lange Zeit als Gesetz. Seit Marken wie Byton, Aiways und Nio innovative Elektroautos entwickeln, steht die bisherige Gewissheit jedoch sehr in Frage.
Im Gegensatz zur Firma Byton, die auf den letzten Metern vor dem ersten Produktionsstart gescheitert ist, schickt Nio sein Modell ES8 inzwischen auch nach Europa. Wie gut sich der Wagen fahren lässt und ob er auf dem anspruchsvollen europäischen Markt Fuß fassen könnte, davon hatten wir uns schon vor geraumer Zeit ein Bild gemacht.
Nio startet Verkauf in Deutschland
Das erste europäische Land, in dem der chinesische Automobilhersteller Nio Elektroautos verkauft hat, war Norwegen. Nun ist Deutschland an der Reihe. Bestellbar sind neben der Luxuslimousine ET7 ein SUV namens EL7 (Daten) sowie ein Kompaktmodell namens ET5 (Daten). Interessierte Kunden können sich die Autos in einem der Nio Houses anschauen und beraten lassen. Sie werden in Großstädten errichtet und sind auch als soziale Begegnungsstätten mit gelegentlichen, künstlerischen Events konzipiert. Besonderen Wert legt Nio auf den Kundenservice und die Kundenbindung. So ist zum Beispiel geplant, Kundenautos für eine Wartung oder die Reparatur in die Werkstatt abzuholen und wieder zum Kunden zurückzubringen.
Nomi: Sprachbedienung mit lustiger Mimik

Beeindruckend sind schon die Außenabmessungen: Mit rund fünf Meter Länge und zwei Metern Breite macht der Nio ES8 durchaus auch in Gesellschaft eines BMW iX Eindruck. Und ein im Prinzip doch recht wuchtiges Tesla Model X auf dem Parkplatz wirkt neben dem China-Import fast ein wenig zierlich. Nahezu auf das Gramm identisch ist das Leergewicht des Nio ES8 zum Tesla: 2460 Kilogramm geben die Chinesen an, 2459 Kilo wiegt das Model X.
Model X und ES8 sind zudem nicht nur gleich groß und gleich schwer, beide sind auch siebensitzig sowie mit Allrad ausgelegt. Außerdem weisen beide atemberaubende Leistungsdaten aus: Während Tesla seinem Basis-Model X zwei E-Motoren mit einer Maximalleistung von 493 kW/670 PS mitgibt, liegt Nio mit 400 kW/534 PS Gesamtleistung allerdings etwas dahinter.
Die Power des China-Riesen (725 Nm Ausgangs-Drehmoment verspricht das Datenblatt) soll reichen, um von null auf 100 km/h in nur 4,9 Sekunden zu beschleunigen. Und genauso atemberaubend fühlt sich die Beschleunigung mit dem gegenüber der Serienausführung noch etwas kraftvolleren Vorserienmodell auch an.
Kommt der Fahrer wieder zur Ruhe, kann er sich endlich auch dem Sprachbedienungssystem namens "Nomi" zuwenden. Nomi schaut uns nämlich die ganze Zeit schon mit lächelnden Augen an. Die Kommunikation erweist sich jedoch als schwierig. Denn die Nomi in unserem Testwagen versteht bislang nur das chinesische Mandarin. Na gut, dann starte ich eben das Soundsystem, das ich auf dem Tablet-großen Display an der Mittelkonsole erkenne. Unverzüglich wippt Nomi mit einer Gitarre im Arm im Takt der Musik.






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Fahrwerk und Lenkung wie im BMW X5

Designed wurden die Fahrzeuge von Nio in München. Die technische Entwicklung befindet sich im Großraum von Shanghai. Die Fahrzeugproduktion hat der chinesische Automobilhersteller JAC übernommen. Gründer von Nio ist der Internet-Milliardär William Lee. An Geld und Know-how mangelt es der Firma ganz offenbar nicht.
Die Idee, Elektroautos zu entwickeln und zu bauen, kam William Lee schon 2012. Zwei Jahre später legte das Start-up los, stieg unter dem Namen NextEV in die Formel E ein und erzielte im Jahr 2017 mit dem 1000 kW starken Straßensportwagen EP9 einen Rundenrekord für Elektrofahrzeuge auf dem Nürburgring. Parallel entwickelt Nio inzwischen Technologien zum autonomen Fahren.
Als zu entwickelnde Kernkompetenz haben die Chinesen sich die Elektromotoren und die Batterien vorgenommen. Das notwendige Know-how zum Autobauen kauft man sich in der ganzen Welt ein. Ein existierendes perfektes Fahrwerk, so das Credo, muss man nicht noch einmal neu entwickeln. Und so stammt die serienmäßige Luftfederung des Nio ES8 vom deutschen Zulieferer Continental. Auch die Lenkung stammt aus Deutschland, wird von Thyssen geliefert.
Beide Komponenten werden auch im BMW X5 verbaut, sind im Nio aber anders abgestimmt, wie es scheint. Nämlich komfortabler, weicher, weniger direkt. So, wie der durchschnittliche chinesische Autofahrer es gerne hat. Das Geschäft mit Autos ist schon lange extrem international, die Grenzen für Know-how werden immer durchlässiger.
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Batterie: Akku-Wechsel in fünf Minuten

Im ADAC Testwagen war noch ein Akkupaket mit einer Energiekapazität von 70 kWh verbaut, das eine Reichweite von bis zu 355 Kilometern ermöglicht. Nur darf man dann nicht mit 200 km/h auf der Autobahn fahren. Wer es doch tut stellt nicht nur fest, dass der Akku in Windeseile geleert wird, sondern auch, dass der Nio ES8 sehr gut und spurstabil auf der Straße liegt. Für Europa ist laut Nio eine Standard-Batterie mit 75 kWh und eine Long-Range-Version mit 100 kWh mit WLTP-Reichweiten von bis zu 375 und 500 Kilometern vorgesehen. Klingt schon etwas besser.
Um das Nachladen für den Kunden so bequem und sorglos wie möglich zu gestalten, hat Nio in China Akkuwechselstationen errichtet. So wie wir zur Waschanlage fahren, steuern ES8-Kunden in China eine Tauschstation an. Dort wird das Auto automatisch aufgebockt, ein Roboter löst von unten zehn Schrauben, nimmt den leeren Akku heraus und tauscht ihn gegen einen vollen aus dem Lager. Das Ganze dauert keine fünf Minuten. Also etwa so lange wie das konventionelle Benzintanken inklusive Bezahlvorgang an der Kasse.
Fazit: Erst Norwegen, später auch Deutschland
Der Nio ES8 aus China hat gute Karten, auch unter den Augen von europäischen Kunden zu bestehen. Der ES8 bietet – neben viel Platz, viel Komfort und sportlichen Fahrleistungen – technische Innovationen wie das Sprachbediensystem Nomi. Nebenbei verspricht Nio dank Akkuwechsel-Stationen und Service-Netz ein ganz neues Kundenerlebnis.
Wenn Nio sich erfolgreich in Norwegen etabliert, will der Hersteller sein Verkaufskonzept auch auf andere europäische Länder übertragen. In Deutschland geht es den aktuellen Plänen nach in etwa mit dem Produktionsbeginn des Nio ET7 los, dem ersten Elektroauto mit Feststoffbatterie: Von den Chinesen wird der deutsche Marktstart für Ende 2022 angepeilt.
Nio ES8: Technische Daten und Preise
Technische Daten (Herstellerangaben) | Nio ES8 |
---|---|
Motor | zwei Elektromotoren, 400 kW/534 PS, 725 Nm, Allradantrieb |
Fahrleistungen | 4,9 s auf 100 km/h, 200 km/h Spitze |
Verbrauch pro 100 km (NEFZ) | 19,7 kWh |
Reichweite (WLTP) | 375 km (75 kWh), 500 km (100 kWh) |
Maße | L 5,02 / B 1,96 / H 1,76 m |
Kofferraum | 310 l (7-sitzig) – 871 (5-sitzig) – 1861 l (2-sitzig) |
Leergewicht | 2460 kg |
Preis* | von ca. 59.000 (Basis) bis ca. 72.000 € (Top-Ausstattung) |
Das hat uns gefallen: Großzügiges Raumangebot. Üppige Beinfreiheit im Fond. Liegesitze. Verschiebbare Rückbank. Exorbitante Beschleunigung. Hoher Fahrkomfort. Viele Sicherheitsassistenten. Akkuwechsel möglich.
Das hat uns nicht gefallen: Etwas zu leichtgängige Lenkung. AC-Laden nur einphasig.
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