Test Elektro-SUV Nissan Ariya: Nur futuristisch oder auch gut?

Video: Nissan Ariya im ADAC Test ∙ Bild: © ADAC, Video: © ADAC e.V.

Nach der Elektro-Limousine Leaf hat Nissan ein futuristisch anmutendes Crossover-SUV mit Batterie-Antrieb auf den Markt gebracht, das mit einer Akku-Ladung rund 500 Kilometer weit kommen soll. Stimmt das? ADAC Test mit Daten, Fotos, Preisen

  • Nissan Ariya: 4,60 Meter langes Elektroauto als Crossover-Coupé

  • Zwei Batteriegrößen; Motoren von 160 bis 290 kW, Front- und Allradantrieb

  • Preise von 43.490 bis 65.490 Euro

Mit dem ersten Leaf, der immerhin annähernd 200 Kilometer weit fahren konnte, leisteten die Japaner schon ab 2012 vollelektrische Pionierarbeit. Mit über 500.000 verkauften Autos wurde der Kompaktwagen schnell zum Bestseller – bis ihn starke Konkurrenten wie Renault Zoe oder Tesla Model 3 bei den Zulassungszahlen überholten. Es war also höchste Zeit, einen ganz neuen Stromer zu bringen.

Ariya heißt der zweite E-Nissan: Ein 4,60 Meter langes Crossover-Coupé mit 2,78 Meter langem Radstand, das erstmals 2019 auf der Tokyo Motor Show stand und dort mit seinem futuristischem Konzept noch für Aufsehen sorgte. Doch erst drei Jahre später kam der Ariya zu den Händlern – während ähnlich konzipierte Konkurrenten wie der VW ID.4, das Skoda Enyaq Coupé und vor allem der Kia EV6 und der Hyundai Ioniq 5 schon längst den Markt besetzen.

Kommt der Ariya also zu spät? Nicht, wenn er sein Konzept überzeugend auf die Straße bringt – und ob er das tut, musste der japanische Stromer im ADAC Test unter Beweis stellen.

Nissan Ariya: Elektro-SUV mit Coupé-Form

Ob das futuristisch anmutende Design der Karosserie bei den Kunden ankommt, muss sich zeigen. Die bullige Front des Ariya wird von feinen Lichtleisten und Lufteinlässen durchbrochen. Durch die nach hinten abfallende Dachlinie wirkt die Karosserie nicht nur coupéhaft, sondern auch lang gestreckt. Wie der Renault Mégane E-Tech nutzt auch der Ariya die neue CMF-Plattform, die großzügige Platzverhältnisse garantiert. Vor allem auf der beheizbaren Rückbank, wo die Fondpassagiere mit enormer Kopf- und Beinfreiheit sitzen, aber auch im glattflächigen, gut nutzbaren Kofferraum, der laut ADAC Messmethode 450 Liter, umgeklappt sogar 1460 Liter schluckt.

Die Platzverhältnisse vorne sind zwar durchaus in Ordnung, die recht hoch montierten Sitze lassen sich so weit zurückschieben, dass die Beinfreiheit wie auch die Kopffreiheit für bis zu 1,95 Meter große Menschen ausreichen. Allerdings monieren die ADAC Testingenieure die zu niedrigen Armauflagen in den Türen, zumal sie erheblich tiefer liegen als die elektrisch verschiebbare Mittelarmlehne.

Nissan Ariya: 360-Grad-Blick in den Innenraum

Fahrer und Beifahrer blicken auf ein minimalistisches Armaturenbrett mit zwei 12,3 Zoll großen Displays: Die Insassen können zwischen den Anzeigen „blättern“ und sie zur besseren Ablesbarkeit zwischen den Displays verschieben. Das große Head-up-Display (serienmäßig ab Evolve Pack) liefert die wichtigsten Informationen direkt ins natürliche Blickfeld des Fahrers.
Das Cockpit kommt dabei weitgehend ohne klassische Bedienknöpfe und -schalter aus. Im zentralen Bereich gibt es lediglich kapazitive haptische Schalter für die Klimaanlage, die bei Berührung durch Vibrationen ein ähnliches Gefühl wie mechanische Schalter vermitteln und erst bei eingeschaltetem Motor erscheinen.

Funktioniert prima, allerdings liegen die Schalter auf der Mittelkonsole für den Drive-Mode (Standard, Sport, Eco) und das einstufige E-Pedal nicht im Blickfeld. Das Multimediamenü ist verständlich strukturiert, aber recht umfangreich. Nicht optimal ist, dass manche Einstellungen über den Hauptbildschirm und andere im Kombiinstrument vorgenommen werden müssen. Viele Funktionen lassen sich auch gleich per Sprachbefehl steuern: Fahrzeugspezifische Befehle über die Nissan Voicecontrol, Entertainment und Navigation über Amazons Alexa – "Hallo Nissan" ist das Zauberwort.

Nissan wird elektrisch

Zugunsten der Elektromobilität verzichtet Nissan auf Investitionen in Euro-7-konforme reine Verbrenner. Deshalb werden ab 2023 neue Pkw nur noch mit teil- oder vollelektrischen Antrieben in Europa eingeführt. Das Unternehmen erwartet, dass bis zum Geschäftsjahr 2026 bereits 75 Prozent seiner Neuwagen in der Region elektrifiziert unterwegs sein werden. Ende des Jahrzehnts sollen es 100 Prozent sein.

Peinliche Fehler

Beim Infotainmentsystem scheint Nissan allerdings ungefähr dort zu starten, wo VW mit dem ID.3 war, als er auf den Markt kam. Nach dem Fahrzeugstart braucht man Geduld, bis Tippbefehle umgesetzt werden. Hier und da gibt es noch Softwarebugs, zudem ist es wirklich schwierig, sich die Bezeichnungen und ihre Abkürzungen zu erschließen. Selbst mit Phantasie und technischem Verständnis kann man an manchen Stellen nicht verstehen, was Nissan meint. Manche Rechtschreibfehler kann man sich zusammenreimen: etwa "Ladzeit (gschät)" = Ladezeit geschätzt.

Solche Fehler ziehen sich durch das ganze System. Kein einziger Satz in den Infomeldungen
kommt ohne unsinnig abgekürzte Wörter aus: "Funktion bei Streckensuche m. Ladestop aktl. n. verfüg. Um diese Suche..." Mal wird das Wort mit Punkt abgekürzt, mal einfach so nicht
ausgeschrieben.

Preise gesenkt: Der Ariya war zu teuer

Wohlgemerkt: Es handelte sich hier zum Testzeitpunkt Anfang 2023 um ein rund 60.000 Euro teures Auto, von einem Hersteller mit jahrzehntelanger Erfahrung; überdies kommt der Ariya mit etwa zwei Jahren Verspätung auf den deutschen Markt – es hätte also ausreichend Zeit gegeben, die Übersetzungsfehler und Software-Bugs in den Griff zu bekommen.

Kurz nach dem Test hat Nissan die Preise gesenkt (ab 15. September 2023) – offenbar hat man eingesehen, dass der Ariya einfach zu teuer war. Die getestete Version mit 63-kWh-Akku in der hochwertigen Evolve-Ausstattung steht nun für 50.490 Euro in der Liste.

Akkus mit 63 oder 87 kWh zur Wahl

Seitenansicht des Nissan Ariya
Ariya-Wahl: Front- oder Allradantrieb, zwei Akkugrößen, verschiedene Leistungen © Nissan

Je nach Ausstattung und Antrieb wiegt der Ariya laut Nissan zwischen 1,8 und 2,3 Tonnen. Die getestete Version mit Frontantrieb und einem Akkupaket von 63 kWh stellt eine Motorleistung von 160 kW/218 PS mit einem Drehmoment von 300 Nm zur Verfügung. Damit ist der Nissan absolut angemessen motorisiert. Trotz stattlichem Leergewicht beschleunigt der Elektro-Nissan in 4,3 Sekunden von 60 auf 100 km/h und in 5,7 Sekunden von 80 auf 120 km/h. Überholmanöver oder Einfädeln in die Autobahn sind damit zügig und sicher erledigt. Der Spurt auf 100 km/h ist in 7,5 Sekunden absolviert, bei 160 km/h regelt die Elektronik energiesparend ab – das ermöglicht laut WLTP-Norm eine Reichweite von exakt 403 Kilometern.

335 km reale Reichweite im Test

Der Nissan Ariya stehend schräg von Vorne
Die Topversion Ariya Evolve + Pack hat Allrad und 290 kW/394 PS © Nissan

Auf Basis des ADAC Ecotest-Verbrauchs von 21,3 kWh pro 100 Kilometer inklusive Ladeverluste ergibt sich eine reale Reichweite von rund 335 Kilometern. Sparsam ausgelegte elektrische Verbraucher wie die Klimatisierung (Wärmepumpe Serie) unterstützen dabei, eine möglichst gute Reichweite zu erzielen; dennoch kann Nissan nicht vermeiden, dass der Verbrauch schon oberhalb von 100 km/h signifikant ansteigt. Auch Kälte wirkt sich entsprechend aus. Andererseits sind bei wohligen Temperaturen und gemütlicher Gangart wiederum Verbräuche deutlich unter 20 kWh/100 km möglich. Im ADAC Ecotest kommt der Nissan jedenfalls auf vier von fünf möglichen Sternen.

Der Vollständigkeit halber: Die 87 kWh große Batterie in der etwas stärkeren 2WD-Version mit 178 kW/242 PS soll im WLTP-Zyklus für bis zu 531 Kilometer am Stück reichen.

Die Topversionen in zwei Leistungsstufen mit zwei Elektromotoren und Allradantrieb bringen eine Gesamtleistung von 225 kW oder 290 kW (Evolve + Pack) und 600 Nm an den Start. Abgeregelt wird hier erst bei 200 km/h – die Leistung verringert die Reichweite: Nissan gibt 513 und 498 Kilometer an.

ADAC Autotest: Das steckt hinter den Ergebnissen

Die ADAC Autotest-Ergebnisse beruhen auf akribischen Messungen: Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchen die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite.

Beim ADAC Ausweichtest geht der Ariya auf Nummer sicher. Er reagiert gut auf die ersten Lenkbefehle, geht im Lastwechsel in spürbares Übersteuern über. Das ESP greift vehement und mit lautstarkem Arbeitsgeräusch (technisch bedingt, kein Defekt) ein und bremst den Ariya deutlich ab, so dass er beherrschbar bleibt. Das Fahrzeugs schiebt nur wenig über die Vorderräder, das Untersteuern ist gering.

Kehrseite dieser auf Sicherheit ausgelegten Abstimmung: Ein dynamischer Kurvenräuber ist der Ariya nicht. Die Regelschwellen für die ESP-Eingriffe sind eng definiert, es gibt keinen breiten Übergangsbereich, in dem ESP sanft einsetzt und seine Eingriffe steigert. An das synthetische Bremsgefühl kann man sich im Alltag gewöhnen. Das Zusammenspiel zwischen Rekuperations-Verzögerung und Wirkung der mechanischen Bremsen haben die Ingenieure gut hinbekommen: Den Übergang spürt man kaum. Ansprechen und Dosierbarkeit sind einwandfrei.

Lademöglichkeiten: Von 22 bis 130 kW

Das Elektroauto Nissan Ariya fahrend auf einer Rennstrecke
Das Fahrverhalten ist dank der straff abgestimmten Lenkung sehr agil© Nissan

Nicht gespart wurde an den serienmäßigen Lademöglichkeiten, die Nissan seinen deutschen Ariya-Kunden anbietet. So ist das Gleichstrom-Schnellladen (DC) mit CCS-Stecker an der Autobahn laut Hersteller mit 130 kW möglich. Dieser Wert wurde im ADAC Test aber praktisch nie erreicht, in der Spitze wurden nur kurzzeitig 125 kW gemessen. Sobald man auch nur geringfügig von den Idealbedingungen abweicht, sinkt die Ladeleistung unter 100 kW. Im besten Fall ist jedenfalls ein Aufladen von zehn auf 80 Prozent in 31 Minuten möglich.

Zudem ist serienmäßig ein dreiphasiges Ladegerät an Bord, mit dem beim AC-Laden bis zu 22 kW übertragen werden können. Das bedeutet: An einer geeigneten Wechselstrom-Wallbox benötigt man für die Vollladung etwa dreieinhalb Stunden.

Trotzdem: Hier ist die Technik der aktuellsten Konkurrenten schon wieder einen großen Schritt weiter – siehe die 800-Volt-Technik von Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6. Damit werden die Marktchancen des Spätstarters also nicht gerade verbessert.

Lesen Sie hier den ausführlichen Test des Nissan Ariya Evolve Pack als PDF.

Nissan Ariya: Technische Daten, Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

Nissan Ariya (63 kWh) Evolve Pack (OBC 22 kW) (ab 09/22)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

160

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

218

Drehmoment (Systemleistung)

300 Nm

Antriebsart

Vorderrad

Beschleunigung 0-100km/h

7,5 s

Höchstgeschwindigkeit

160 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

403 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

17,6 kWh/100 km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

65,0

Batteriekapazität (Netto) in kWh

63,0

Ladeleistung (kW)

AC:2,3-22,0 DC:130,0

Kofferraumvolumen normal

468 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.350 l

Leergewicht (EU)

1.980 kg

Zuladung

420 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg

Anhängelast gebremst 12%

750 kg

Garantie (Fahrzeug)

3 Jahre oder 100.000 km

Länge x Breite x Höhe

4.595 mm x 1.850 mm x 1.650 mm

Grundpreis

50.490 Euro

ADAC Messwerte

ADAC Messwerte (Auszug)

Nissan Ariya (63 Wh) Evolve Pack

Überholvorgang 60 – 100 km/h

4,3 s

Bremsweg aus 100 km/h

37,1 m

Wendekreis

11,8 m

Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest

21,3 kWh/100 km, 107 g CO₂/km (Well-to-Wheel)

Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)

****

Reichweite

335 km

Innengeräusch bei 130 km/h

67,4 dB(A)

Leergewicht / Zuladung

1986 / 414 kg

Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch

450 / 890 / 1460 l

ADAC Testurteil

ADAC Testergebnis

Nissan Ariya (63 kWh) Evolve Pack (OBC 22 kW) (ab 09/22)

Karosserie/Kofferraum

2,5

Innenraum

2,4

Komfort

2,4

Motor/Antrieb

1,2

Fahreigenschaften

2,7

Sicherheit

1,6

Umwelt/EcoTest

1,8

Gesamtnote

2,0
Sicherheit und Umwelt werden doppelt gewertet

sehr gut

0,6 - 1,5

gut

1,6 - 2,5

befriedigend

2,6 - 3,5

ausreichend

3,6 - 4,5

mangelhaft

4,6 - 5,5

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