Chinesische Automarken: Welche Modelle man schon kaufen kann

Die chinesischen Autohersteller planen schon lange, den europäischen Markt aufzurollen. Nun fahren ihre Pkw erstmals in relevanter Zahl auf deutschen Straßen. Welche chinesischen Marken und Modelle bereits zu kaufen sind und welche noch kommen.
Acht chinesische Hersteller in Deutschland
Bereits jetzt nennenswerte Stückzahlen
Bei Elektroautos ist China stark
Große Veränderungen kündigen sich manchmal klein an. Dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) seit Anfang 2022 in seiner öffentlichen Statistik erstmals auch chinesische Hersteller aufführt, dürfte den wenigsten Autointeressierten aufgefallen sein. Dabei ist es vielleicht der Start einer Kulturrevolution. Denn nachdem die gesamte Autobranche seit Jahren besorgt raunt, dass nun die Chinesen kämen, sind sie nun plötzlich da. Und treffen auf eine verwundbare europäische Konkurrenz im Umbruch.
Die Chinesen überholen Alfa, Subaru und Lexus
Knapp 7000 Autos chinesischer Hersteller haben in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 ein deutsches Kennzeichen erhalten. Das scheint zunächst nicht viel. Doch ihr Anteil am schwachen Gesamtmarkt beträgt bereits fast ein halbes Prozent. Allein Stückzahl-Primus MG Roewe hält 0,3 Prozent – so viel wie die einstige Volumenmarke Honda, mehr als traditionsreiche Hersteller wie Subaru, Alfa Romeo oder Lexus.
Zieht man die Perspektive auf und betrachtet ganz Europa, werden auch die Stückzahlen prägnanter. Die Beratungsagentur Inovev hat im ersten Halbjahr 2022 rund 75.000 Pkw-Neuzulassungen chinesischer Hersteller gezählt und rechnet für das Gesamtjahr mit 150.000 Einheiten.
MG ZS und Aiways U5 mit guten Noten im ADAC Test

Während europaweit das Elektro-SUV MG ZS EV das beliebteste chinesische Auto ist (Note 2,5 im ADAC Autotest), hat in Deutschland das SUV MG EHS noch die Nase vorn, ein Plug-in-Hybrid in der VW-Tiguan-Liga, der mit knapp 35.000 Euro allerdings deutlich günstiger zu haben ist als der Wolfsburger Bestseller mit vergleichbarem Antrieb. 2575 Neuzulassungen gab es im ersten Halbjahr 2022 – ähnlich viele wie etwa von einem Seat Tarraco.
Neben MG Roewe und der Volvo-Schwester Lynk&Co., die es bereits in die KBA-Statistik geschafft haben, stehen noch weitere Hersteller in den Startlöchern für das Ranking. Etwa Aiways aus Schanghai, die bereits seit 2019 in Europa vertreten sind und in Deutschland ihre Modelle über die Elektronikkette Euronics verkaufen. Zuletzt litt das Unternehmen unter Lockdowns und Transportkrise. Im Juli wurden aber wieder rund 2000 Fahrzeuge produziert, mehr als im kompletten halben Jahr zuvor. Rund ein Drittel geht nach Europa. Spätestens 2023 wollen die Chinesen daher wieder angreifen. Neben dem Elektro-SUV Aiways U5 soll dann auch dessen Coupé-Ableger U6 an den Start gehen. Schon der U5 konnte im ADAC Autotest mit einer guten Note (2,5) überzeugen.
Diese chinesischen Automarken gibt es in Deutschland
Marke | Modelle | Vertrieb | Marktstart in Deutschland |
---|---|---|---|
Aiways | - U5 - U6 | Verkauf über Elektronikkette Euronics, Wartung über A.T.U. | bereits erfolgt |
MG Roewe (SAIC) | - ZS EV - EHS - Marvel R - MG4 - MG5 | Verkauf und Service über konventionelle Händler | bereits erfolgt |
Lynk&Co | - 01 | Monatlich kündbare "Mitgliedschaft" (= Auto-Abo) für 550 Euro pro Monat. Auch Kauf möglich. "Clubs" (= Läden) in Berlin, Hamburg und München | bereits erfolgt |
Maxus (SAIC) | - Deliver 3 - Deliver 9 | nur Transporter, Vertrieb über konventionelle Händler | bereits erfolgt |
Ora (Great Wall) | - Funky Cat | Verkauf und Service über Händler der Emil-Frey-Gruppe | Ende 2022 |
Wey (Great Wall) | Verkauf und Service über Händler der Emil-Frey-Gruppe | Ende 2022 | |
Nio | - ET7 - ES7 - ET5 | Showrooms in Großstädten und Batteriewechselstationen in Vorbereitung | Ende 2022 |
BYD | - Seal - Atto 3 - Dolphin | Showrooms in Großstädten und Vertrieb über Händler in Vorbereitung | Herbst 2022 |
BYD kommt noch 2022 auf den deutschen Markt

Für Oktober 2022 hat außerdem ein echter Gigant seinen Deutschland-Start angekündigt. Dann will BYD ("Build your Dreams"), der aktuell größte Elektro-Autobauer der Welt, hierzulande mit dem Vertrieb beginnen. Den Anfang könnte der jüngst enthüllte BYD Seal machen, ein Elektroauto im Format des Tesla Model 3 und mit einer Reichweite von rund 500 Kilometern. Rund 640.000 E-Mobile und Plug-in-Hybride hat das Privatunternehmen im ersten Halbjahr weltweit verkauft, bei Batterietechnik zählen die Chinesen zudem weltweit zu den Technologieführern.
Generell sind die Zeiten vorbei, in denen im Reich der Mitte vor allem billig kopiert wurde. Im aktuellen Innovations-Ranking des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach liegen die MG-Mutter SAIC und BYD auf den Rängen vier und fünf. Hinter VW, Tesla und Mercedes, aber vor BMW, General Motors und Hyundai. Für die Jahres-Rangliste hat das CAM die Innovationen von 28 Automobilkonzernen mit rund 80 Automobilmarken analysiert und bewertet. Die Chinesen punkteten dabei vor allem bei der E-Mobilität.
Chinesische Autos sind oft preiswerter
Eine weitere Stärke sind die vergleichsweise günstigen Preise. Das kompakte Elektro-SUV MG ZS EV kostet mit rund 34.000 Euro weniger als der E-Kleinwagen Renault Zoe, lange Jahre der Elektroauto-Bestseller in China. Der Aiways U5 mit 400 Kilometern Elektro-Reichweite nach WLTP-Norm (290 Kilometer im ADAC Test) ist mit Quasi-Vollausstattung für 45.000 Euro zu haben, den Elektro-Kombi MG5 gibt es für 35.500 Euro.
Great Wall bringt die Marken Ora und Wey

Auch Great Wall will noch 2022 mit seinen Marken Wey und Ora über den Vertriebspartner Emil Frey auf den Markt kommen. Die schweizerische Autohandelsgruppe verfügt hierzulande über knapp 100 Standorte, an denen Pkw diverser Marken vertrieben werden. Zudem ist sie offizieller Mitsubishi-Importeur für Deutschland. Starten wollen die Chinesen mit dem Ora Funky Cat, einem 4,24 Meter langen Elektro-Kompaktwagen im auffälligen Rundaugen-Design, der es auf eine elektrische Reichweite von rund 300 Kilometern bringen dürfte.

Formal vergleichsweise traditionell tritt das zweite Modell auf, das SUV Coffee 01 von Wey, der Premium-Marke im Great-Wall-Konzern. Der Plug-in-Hybrid im Format eines Audi Q5 war 2021 bereits auf der IAA in München zu sehen. Besonderheit ist die für einen Plug-in-Hybrid große elektrische Normreichweite von rund 150 Kilometern. Preise für beide Modelle sind nicht bekannt, sie dürften sich aber unterhalb der direkten Konkurrenten einordnen. Außer mit Modellen unter eigenen Marken wird Great Wall künftig aber auch als Entwicklungs- und Produktionspartner der BMW-Tochter Mini auf Europas Straßen vertreten sein. Der neue elektrische Mini kommt dann aus China – wie auch schon der BMW iX3.
Nio will mit Batteriewechselstationen punkten

Nio hat ebenfalls angekündigt, noch 2022 auf den deutschen Markt kommen zu wollen. In Norwegen ist die Marke schon länger zu haben, doch die dort verkauften Modelle ES6 und ES8 werden es nicht nach Deutschland schaffen. Das erste in Deutschland verkaufte Modell soll der ET7 sein, das SUV ES7 und die Kompakt-Limousine ET5 werden folgen. Interessant ist vor allem die Idee, ein Netz an Batteriewechselstationen aufzubauen. Lange Ladezeiten sind dann kein Thema mehr, an den Servicestationen wird die leer gefahrene Batterie in wenigen Minuten vollautomatisch durch eine geladene ersetzt.
Westliche Marken geben kleine Segmente auf – die Chinesen freut's

"Marge statt Volumen" heißt die aktuelle Strategie der westlichen Hersteller, die sich schon seit Längerem zunehmend aus den preissensiblen Segmenten zurückziehen. Kleinstwagen gibt es kaum mehr, und auch das Kleinwagen-Segment schrumpft. Audi etwa will für A1 und Q2 keine Nachfolger bringen. Mercedes hat eine neue Luxus-Strategie verkündet, der mindestens die aktuellen Kompaktmodelle A- und B-Klasse zum Opfer fallen werden. Und selbst Ford will sich künftig auf hochpreisige Modelle wie die Mustang- und Bronco-Familie konzentrieren.
Eine Lücke, in die die Chinesen stoßen könnten. Etwa mit dem Wuling Mini EV. Der knapp drei Meter lange Mini-Van, ein Gemeinschaftsprodukt von SAIC und General Motors, hat weitgehend unbemerkt in Litauen seinen EU-Start gefeiert – zu Preisen ab 10.000 Euro. In China ist das kleine Auto bereits seit Jahren der meistverkaufte Pkw, allein im ersten Halbjahr fand er 214.000 Kunden. Weltweit kommt er auf einen Anteil von 37 Prozent am Markt für elektrische Kleinstwagen.
Text: Holger Holzer/SP-X, Jochen Wieler