Viele Deutsche möchten ihr Ferienziel umweltfreundlich erreichen und sich vor Ort ebenso fortbewegen. Ob das in Deutschland funktioniert, hat der ADAC 2022 getestet. "Sehr gut" für Lindau und Westerland Sechs von 20 Orten fallen durch Tipps für nachhaltiges Reisen Urlaubsreisen mit dem Auto, Flugzeug oder Schiff tragen zum Klimawandel bei. Für viele ein Grund, Ferien im Inland zu machen und im Sinne des sanften Tourismus möglichst umweltgerechte Verkehrsmittel zu wählen. Der ADAC hat im Zeitraum zwischen Juli und Oktober 2022 in 20 beliebten Urlaubsorten untersucht, ob es für die An- und Abreise sowie für die Fortbewegung vor Ort nachhaltige Mobilitätsangebote gibt. Was bedeutet nachhaltige Mobilität? Der ADAC Mobilitätsindex definiert Mobilität als nachhaltig, wenn sie umweltfreundlich, verfügbar, zuverlässig, sicher und bezahlbar ist. In Ferienorten reichen die Maßnahmen und Beispiele von leicht auffindbaren Informationen zur Anreise über wettergeschützte Umstiege vor Ort bis zu Buslinien mit Anhängern zum Fahrradtransport. Mehr dazu in den Kapiteln "Gut gelöst"und "Das empfiehlt der ADAC". Beste und schlechteste Orte Im Gesamtergebnis des Tests siegte mit der Note "sehr gut" Lindau am Bodensee, das 92,5 Prozent der maximal möglichen Punkte erreichte. Ebenfalls ein "sehr gut" gab es mit 87,5 Prozent für Westerland auf der Insel Sylt. Drittbester Ort wurde Wernigerode im Harz mit 86,7 Prozent bzw. "gut" und verfehlte damit die Note "sehr gut" nur ganz knapp. Sechs der 20 getesteten Ferienorte fielen durch. Mit "mangelhaft" schnitten Cochem an der Mosel, Bispingen in der Lüneburger Heide, Burg im Spreewald, Monschau in der Eifel und Oberhof im Thüringer Wald – auf dem vorletzten Platz – ab. Am schlechtesten bewertet wurde mit "sehr mangelhaft" und nur gut 49 Prozent der erreichbaren Punkte Oberwiesenthal im Erzgebirge – auch wenn dem Ort nur ein knapper Punkt zu der nächstbesseren Note fehlte. Die detaillierten Testergebnisse jedes Ortes finden Sie in diesem PDF: Im Durchschnitt aller 20 untersuchten Orte war das Testergebnis "ausreichend", sowohl in der Gesamtschau als auch in den drei Testkategorien. Von diesen schnitt die Mobilität vor Ort am besten, An- und Abreise am schlechtesten ab. Kategorien und Gewichtung Untersucht wurden drei Kategorien und mit je einem Drittel gleich gewichtet und bewertet: Zunächst Information und Kommunikation, dann An- und Abreise und drittens die Mobilität vor Ort. Informationen zur Anreise oft unzureichend In der Kategorie Information ging es um drei Aspekte: Infos auf der lokalen Website der Touristinformation zur Anreise, zur Mobilität vor Ort sowie am Ziel. Ein "sehr gut" gab es insgesamt nur für Westerland. Dem stand jedoch in fünf Tourismuszielen ein "mangelhaft" gegenüber. Große Lücken gab es bei den Online-Informationen zur Anreise. In acht der 20 Orte waren sie "sehr mangelhaft", in vier "mangelhaft". Zwar war ein Button dazu auf den Internetseiten von 15 Orten prominent platziert, und bei zwölf Orten gab es einen eigenen Menüpunkt "Barrierefreiheit". Doch nur sieben Websites boten einen Link zur Deutschen Bahn mit dem voreingestellten Zielort, und nur sechs nannten den öffentlichen Verkehr als erste Anreise-Option. Und lediglich zwei lieferten Informationen zu den mit der Anreise verbundenen Emissionen. Zur Mobilität vor Ort boten 14 Gemeinden auf ihren Internetseiten "sehr gute" Infos an. So gab es in allen 20 Orten Auskünfte über Leihräder und zum öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), und dessen Fahrpläne waren entweder gleich oder via Link abrufbar. Bis auf einen Ort boten alle Ziele Informationen an, wie Sehenswürdigkeiten mit dem ÖPNV, mit dem Rad oder zu Fuß zu erreichen sind und ob E-Ladeinfrastruktur grundsätzlich vorhanden ist. In 18 Orten gab es Hinweise zur Touristinfo und in 17 Tafeln mit ÖPNV-Fahrplänen. Doch es mangelte an elektronischen Übersichtstafeln der nächsten Abfahrten und an Infos zu Mietwagen – nur jeweils vier Destinationen boten diese an. Nur Westerland und Wernigerode wurden in dieser Unterkategorie mit "sehr gut" benotet. An- und Abreise mancherorts schwierig Bei der Kategorie An- und Abreise wurden die zwei Aspekte Anschlüsse und Überbrückung der letzten Teilstrecke untersucht. Nur Binz und Lindau erreichten 97,5 Prozent und damit die ADAC Note "sehr gut". Doch dreimal lag der Erfüllungsgrad unter 43 Prozent, mit dem Oberhof, Oberwiesenthal und Monschau nur "sehr mangelhaft" abschnitten. Fünf Orte – Binz, Lindau, Garmisch-Partenkirchen, Wernigerode und Heringsdorf – verfügten über "sehr gute", fünf andere aber über "sehr mangelhafte" Anschlüsse. Auch bei der Überbrückung der letzten Teilstrecke klafften die Testergebnisse weit auseinander: Sechs Orte schafften zwar ein "sehr gut". Aber in sieben Orten war die Situation "mangelhaft" oder "sehr mangelhaft". Zwar hatten alle Urlaubsorte eine Linienbushaltestelle, und in 19 gab es beim Umstieg zum nächsten Verkehrsmittel keine Stufen. Doch beim Umsteigen blieben Gäste manchmal buchstäblich im Regen stehen: Nur in neun Orten gab es eine Überdachung an dieser Stelle. Zudem bot nur jeder zweite Ort eine Gepäckaufbewahrung an, und nur in sechs Zielen war schon für die Anreise die Kur- oder Gästekarte nutzbar. Mobilität vor Ort in Lindau am besten Am Urlaubsort angekommen sind vier Punkte besonders wichtig: Wie steht es um die individuelle Mobilität etwa mit Leihrädern? Wie gut ist der ÖPNV ausgebaut? Wie klimafreundlich sind Bus und Bahn? Und wie gut sind Ausflugsziele zu erreichen? In Summe schnitt hier Lindau – mit voller Punktzahl – am besten ab, gefolgt von Baiersbronn, Waren an der Müritz und Wernigerode, die ebenfalls das ADAC Urteil "sehr gut" erreichten. Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln schnitten zwölf Orte mit "sehr gut" ab. Bei der individuellen Mobilität aber waren es nur zehn, drei fielen mit "sehr mangelhaft" durch. Außerdem war die Klimafreundlichkeit in acht Zielen nur "ausreichend" und in zweien "mangelhaft". Wer vom Urlaubsort aus die jeweils zwei beliebtesten Ausflugsziele aufsuchte, konnte sie in elf Orten "sehr gut" und in weiteren fünf Orten "gut" erreichen. In allen getesteten Orten gab es Ladestationen für E-Autos, wurden E-Bikes bzw. Pedelecs sowie Fahrradzubehör vermietet bzw. Serviceleistungen bereitgestellt. 19 der 20 Destinationen hatten eine Vermietung "normaler" Räder, ein Radwegenetz und Ladestationen für E-Bikes bzw. Pedelecs. Mühsamer wird es für Urlauber, die ein Auto mit E- oder Hybridantrieb mieten oder teilen wollten, was nur in acht Destinationen möglich war bzw. für Interessenten an Lastenrädern (nur in sechs Zielen) und für Touristen, die nach einem E-Scooter oder -Roller fragten: Nur je vier Orte konnten das anbieten. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde nur das grundsätzliche Vorhandensein solcher Angebote untersucht. Es können aber keine Aussagen über ihren Umfang und die Qualität gemacht werden. Lücken bei nachhaltiger Mobilität In allen drei Kategorien nachhaltiger Mobilität, also Information, An- und Abreise sowie Mobilität vor Ort, stellten die Tester Mängel fest. Zum Beispiel gab es nur in jeweils neun Urlaubsorten am Bahnhof überdachte und sichere Radparkanlagen und Autovermietung bzw. Carsharing. Nur in je sechs Destinationen wurde bei der Anreise als Erstes auf Bahn oder Fernbus verwiesen und war die Gästekarte auch für die Anreise nutzbar. Bispingen, Burg, Monschau, Oberhof und Oberwiesenthal hatten keinen Deutsche-Bahn-Anschluss, Oberwiesenthal ist immerhin mit der Fichtelbergbahn erreichbar. Nur fünf Orte hatten eine Fernbushaltestelle. Lediglich in vier Destinationen existierte eine elektronische Haltestelleninformation. Schlusslicht waren Informationen zu den Emissionen bei der Anreise, die nur zwei Orte lieferten. Gut gelöst: Best-Practice-Beispiele Dass es besser geht, zeigt eine Reihe von Positiv-Beispielen aus allen drei Testkategorien. Sie könnten als Inspiration für weitere Orte dienen, sie ebenfalls umzusetzen. Positivbeispiele zur Information Auf der Website von Lindau waren die Informationen zur Anreise "sehr gut" auffindbar und stark auf Klimaverträglichkeit ausgerichtet: Schon auf der Startseite war die Anreise mit dem Zug prominent platziert. Bei Westerland fiel die kartografische und animierte Aufbereitung der Anreisearten auf der Webseite positiv auf, die häufig gestellte Fragen, Informationen zur Auslastung und Hinweise zur Überbrückung der letzten Meile enthielt. Und in Cuxhaven gab es am Bahnhof einen taktilen Umgebungsplan, der sehbehinderten und mobilitätseingeschränkten Reisenden die Orientierung erleichtert. Best Practice bei An- und Abreise In Wernigerode können Bahnreisende den Weg zum Busterminal dank einer überdachten Passage wettergeschützt zurücklegen, und die Bahnhofsunterführung ist mit Bildern lokaler Sehenswürdigkeiten ansprechend gestaltet. Cuxhaven bietet am Bahnhof Fahrradparkhäuser, -verleih und Radservicestation, und die Zubringerroute zum Elberadweg ist bereits ab dem Bahnhof ausgeschildert. Am Bahnhof Lindau-Reutin wurde ein eigener Parkplatz für E-Roller eingerichtet. Vorbildliche Mobilität am Urlaubsort In Baiersbronn erhalten Urlauber eine Gästekarte, mit der sie nicht nur den Nahverkehr im Ort, sondern durch etliche integrierte Verkehrsverbünde nahezu im gesamten Schwarzwald kostenlos nutzen können. Lindau, Bad Dürkheim und Monschau richten bei größeren Events veranstaltungsbezogene Shuttles ein. Und das umfangreiche Angebot zur E-Mobilität in Westerland – E-Autos, -Roller, -Scooter, -Bikes und -Lastenräder zum Ausleihen – könnte ebenfalls anderen Destinationen als Vorbild dienen. Das empfiehlt der ADAC Aus den Ergebnissen leitet das ADAC Testteam Empfehlungen und Tipps ab, die sich an die politischen Entscheidungsträger, an die lokalen Tourismusakteure und an die Reisenden selbst richten. Empfehlungen an die Bundes- und Landes-Politik Auf einige Aspekte ihrer Erreichbarkeit haben die Zielorte kaum Einfluss. Hier sind Rahmenbedingungen auf Länder- oder gar Bundeebene gefragt. Der Anteil der Bahn an den Anreisen lässt sich steigern, indem Strecken erhalten oder wiederbelebt werden. Die Fahrradmitnahme im Nah- und Fernverkehr ist zu verbessern, zum Beispiel durch mehr Kapazitäten in der Radsaison. Im Deutschlandticket sollte der Fernbusverkehr eingeschlossen sein. Vorschläge für die Urlaubsorte Hier ließe sich ein ganzer Katalog von Maßnahmen aufführen, von denen einige schon bei den Best-Practice-Beispielen genannt sind. Stellvertretend für die drei getesteten Kategorien die folgenden drei Vorschläge: Auf den Internetseiten sollen die Alternativen zur Autoanreise sowie die Informationen zur Mobilität vor Ort umfassend, gut aufbereitet und leicht aufzufinden sein. Im Bahnhofsumfeld sind Flächen für Taxen, Carsharing und Fahrradverleih bereitzustellen. All-Inclusive-Lösungen zur Mobilität anbieten, zum Beispiel über Gästekarten mit inkludierter ÖPNV-Nutzung, und diese bereits für die Anreise nutzbar machen. Tipps für Reisende Doch auch die Urlauberinnen und Urlauber selbst können viel dafür tun, in Deutschland nachhaltig zu reisen. Auch internationale Ziele in den Alpen sind so zu erreichen. Bei der Wahl des Ferienziels können Sie sich von nachhaltigen Angeboten wie Fahrtziel Natur oder Alpine Pearls inspirieren lassen. Lassen Sie am Urlaubsort das Auto stehen und nutzen Sie Mobilitätsangebote, die in Gästekarten inkludiert sind. Probieren Sie Gepäcktransfers und -Services wie den der Deutschen Bahn und Shuttle-Dienste von Hotels oder Reiseveranstaltern aus. Weitere ADAC Tipps zum nachhaltigen Reisen So hat der ADAC getestet Im Auftrag des ADAC hat die BTE Tourismus- und Regionalberatung zwischen Juli und Oktober 2022 für 20 bekannte deutsche Tourismusorte ermittelt, ob Gäste nachhaltig an- und abreisen sowie sich vor Ort fortbewegen können. In die Auswahl kamen die Kommunen mit weniger als 50.000 Einwohnern, die in den bekanntesten Urlaubsregionen 2019 die höchste Zahl an Gästeankünften hatten. In drei aufeinanderfolgenden Stufen wurde zunächst den Touristinformationen ein Fragebogen zugeschickt, dann die Internetauftritte der Orte analysiert und schließlich vor Ort getestet. Dabei erhielten die drei Kategorien Information und Kommunikation, An- und Abreise sowie Mobilität vor Ort mit je einem Drittel eine identische Gewichtung.