ADAC Mobilitätsindex: Nachhaltige Mobilität? Deutschland tritt auf der Stelle

Mobilität und Verkehr müssen nachhaltiger werden. Von 2015 bis 2019 hat es dabei allerdings keinen nennenswerten Fortschritt gegeben. Das zeigt der erste ADAC Mobilitätsindex.
Die Zahl der Verkehrstoten sinkt, die der Unfälle nimmt zu
Umweltbelastungen wurden geringer, der Klimaschutz verfehlt seine Ziele
Die Zuverlässigkeit im Straßen- und Schienenverkehr hat stark nachgelassen
Politik, Industrie und Gesellschaft suchen nach einer Formel für nachhaltige Mobilität. Zu dieser Formel gehört aber erheblich mehr als nur ein sparsames Fahrzeug. Deshalb hat der ADAC in Zusammenarbeit mit dem renommierten Prognos-Institut den ADAC Mobilitätsindex entwickelt.
Er soll Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen messbar machen. Der erste ADAC Mobilitätsindex nimmt dafür den Zeitraum zwischen 2015 und 2019 unter die Lupe. Der Index endet also, kurz bevor die Corona-Pandemie 2020 das Mobilitätsverhalten zumindest vorübergehend dramatisch veränderte.
Das ist der ADAC Mobilitätsindex
Der ADAC Mobilitätsindex macht sichtbar, ob der Verkehr in Deutschland nachhaltiger wird. Er ist eine aus vielen einzelnen Indikatoren – zum Beispiel den Unfallzahlen, dem CO₂-Ausstoß oder dem ÖPNV-Angebot – berechnete Zahl, die die Nachhaltigkeit von Mobilität in fünf sogenannten Bewertungsdimensionen zusammenfasst. Als Ausgangsbasis für das Jahr 2015 wurde der Wert 100 festgesetzt.
Die Entwicklung des Index für die folgenden Jahre macht auf einen Blick sichtbar, ob die Nachhaltigkeit der Mobilität in Deutschland Fortschritte macht. Eine Verbesserung der Situation zeigt sich – so die Definition – in einem Wert, der über 100 liegt. Eine Verschlechterung äußert sich in einer Zahl, die unter 100 liegt.
Das bedeutet nachhaltige Mobilität
Nachhaltigkeit heißt für den ADAC, dass die Mobilität unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten zugänglich und verträglich sein soll. Nachhaltige Mobilität ist somit möglichst sicher, umweltfreundlich, verfügbar, zuverlässig und auch bezahlbar.
Damit sind die fünf Bewertungsdimensionen des ADAC Mobilitätsindex definiert: Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit.
So hat sich die Mobilität in Deutschland entwickelt
Das Ergebnis des Mobilitätsindex in einem Satz: Die Mobilität in Deutschland ist zwischen 2015 und 2019 nicht nachhaltiger geworden. Deutlich wird das beim Vergleich des Indexwertes 2015 mit 2019: In beiden Jahren liegt er bei 100 – das zeigt Stagnation. Zwischen 2015 bis 2017 hat sich der Gesamtindex sogar negativ entwickelt, sank also unter 100. Seit 2017 wird die Mobilität wieder etwas nachhaltiger. Die Entwicklung der letzten beiden Jahre reichte aber nur aus, wieder das Niveau des Jahres 2015 zu erreichen:
So wurde gewichtet
Der Mobilitätsindex spiegelt die Schwerpunkte nachhaltiger Mobilität aus Sicht des ADAC wider. Die fünf Bewertungsdimensionen – von Verkehrssicherheit über Klima und Umwelt, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit bis Bezahlbarkeit – wurden bei der Berechnung des Gesamtindex unterschiedlich stark gewichtet:
Die fünf wichtigsten Ergebnisse

Zwar stagniert der Mobilitätsindex insgesamt zwischen 2015 bis 2019, doch gehen die Entwicklungen in den fünf Bewertungsdimensionen in ganz unterschiedliche Richtungen. Sie reichen von erheblichen Rückschritten bei der Zuverlässigkeit über Stagnation bei der Verkehrssicherheit bis zu spürbarer Verbesserung bei der Bezahlbarkeit.
Die Verkehrssicherheit stagniert

Die Entwicklung der Verkehrssicherheit stagniert annähernd, wie der Indexwert 101 von 2019 zeigt. Zwar ist es gelungen, die Schwere der Unfallfolgen seit 2015 weiter abzumildern. Das zeigt sich zum Beispiel an der stark zurückgegangenen Zahl der Verkehrstoten. Dem stehen aber mehr Unfälle und damit verbundene Sachschäden gegenüber. Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse.
Die Luft wird sauberer, der Energieverbrauch steigt

In der Bewertungsdimension Klima und Umwelt liegt der Indexwert für 2019 bei 105, seit dem Jahr 2015 gibt es also insgesamt eine positive Entwicklung: Die gesundheitsschädigenden Emissionen des Verkehrs sanken erheblich. Allerdings stiegen der Treibhausgas-Ausstoß und Energieverbrauch im Verkehr weiter – was zu schlechteren Werten als im Basisjahr 2015 führte. Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse.
Die Verfügbarkeit wird besser

Die Verfügbarkeit von Mobilität hat Fortschritte gemacht. Das spiegelt der Indexwert von rund 103 in 2019 wider. Die Möglichkeiten, mobil zu sein, haben sich gegenüber 2015 also leicht verbessert. Deutlich erhöht hat sich besonders die Verfügbarkeit von Pkw und Fahrrädern, auch das von Sharing-Angeboten ist gewachsen. Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse.
Die Zuverlässigkeit hat sich stark verschlechtert

Die Zuverlässigkeit des Verkehrs hat seit 2015 deutlich abgenommen, erreichte 2019 nur noch den Indexwert von rund 83 und beeinflusst dadurch den Gesamtindex negativ. Stetig steigende Verkehrsmengen und nur unzureichender Ausbau und Erhalt der Infrastruktur führen auf Straße und Schiene zu mehr Störungen und Verspätungen. Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse.
Mobilität ist bezahlbarer geworden

Der Indexwert von rund 104 für 2019 zeigt, dass Mobilität bezahlbarer geworden ist: Die Einkommen stiegen stärker als der Preis für Mobilität, der annähernd auf dem Niveau der Gesamtinflation anstieg. Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse.
Das muss jetzt getan werden
Die Luftverschmutzung durch den Verkehr und die Zahl tödlicher Verkehrsunfälle gingen zurück, mehr Menschen haben Zugriff auf ein Auto, und die Bezahlbarkeit von Mobilität hat sich günstig entwickelt. Und es mangelt auch bei den anderen Bewertungsdimensionen nicht an Ideen und Konzepten für nachhaltige Mobilität.
Andererseits sinkt der Treibhausgas-Ausstoß durch den Verkehr nicht. Die für 2030 gesetzten Klimaschutzziele sind also nur durch verstärkte Anstrengungen auf diesem Gebiet zu erreichen.
Um Mobilität in Deutschland sicherer, ökologischer, verfügbarer, zuverlässiger und bezahlbarer zu machen, sind Schwerpunkte wie diese zu setzen:
Die positiven Veränderungen müssen sich beschleunigen, um Ziele in Klimaschutz und Verkehrssicherheit zu erreichen.
Bahn, Bus, Taxi, Sharing-Dienste sowie Fuß- und Radverkehr sollen attraktiver werden.
Alle Dimensionen nachhaltiger Mobilität sind zu verbessern, um die Bereitschaft
der Verbraucher für Veränderungen zu sichern.Fortschritte bei Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt dürfen nicht zu Lasten der Verfügbarkeit, der Zuverlässigkeit und der Bezahlbarkeit gehen.
Dazu ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand
„Mit nachhaltiger Mobilität lassen sich die Lebensqualität der Menschen und die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen verbessern. Der neue ADAC Mobilitätsindex zeigt, dass es in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist, nachhaltige Mobilität voranzutreiben. Schon um die erforderlichen Minderungen der CO₂-Emissionen zu erzielen, muss sich der Wandel des Verkehrssystems erheblich beschleunigen. Und die Verbraucher müssen ihr Mobilitätsverhalten ändern. Das geht nur, wenn der öffentliche Verkehr, aber auch die Ladeinfrastruktur sowie Radwege ausgebaut werden – die Anstrengungen selbst und das Tempo müssen erhöht werden.“
Gerhard Hillebrand, ADAC Verkehrspräsident©ADAC/Peter Neusser
Ergebnisse auf Länderebene
Die Ergebnisse für Deutschland fallen – wie gezeigt – für die fünf Bewertungsdimensionen durchaus unterschiedlich aus. Aber auch zwischen den Bundesländern gibt es unterschiedliche Entwicklungen. Den Mobilitätsindex für ein bestimmtes Bundesland erhalten Sie, wenn Sie in dieser Deutschlandkarte die Maus dorthin bewegen und klicken:
Fragen und Antworten
Wie wird der ADAC Mobilitätsindex berechnet?
Der ADAC Mobilitätsindex ist eine Kennzahl, zu der mehrere Kenngrößen verdichtet wurden. Insgesamt wurden dafür 1535 individuelle statistische Merkmale erfasst, das entspricht über 143.000 individuellen Datenreihen. Alle Daten sind zu fünf Bewertungsdimensionen zusammengefasst: Verfügbarkeit, Verkehrssicherheit, Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit sowie Klima und Umwelt. Diese Bewertungsdimensionen bestehen wiederum aus mehreren Leitindikatoren. Sowohl Bewertungsdimensionen als auch die Indikatoren wurden im Juni 2021 vom ADAC Verkehrsausschuss und vom ADAC Arbeitskreis Verkehr und Umwelt in ihrer Bedeutung gewichtet und fließen damit in unterschiedlicher Stärke in den ADAC Mobilitätsindex ein.
Was sagt der Mobilitätsindex aus?
Das Ergebnis des Index wird in einer einzigen Zahl ausgedrückt. Dieser Wert ermöglicht Rückschlüsse darauf, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität seit einem bestimmten Jahr verbessert oder verschlechtert hat. Dieser Zeitpunkt wird als Index-Basisjahr bezeichnet und liegt beim ADAC Mobilitätsindex im Jahr 2015. Da das Bezugsjahr der Veröffentlichung 2019 ist, sind Aussagen darüber möglich, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität im gesamten sowie in den untergeordneten Dimensionen von 2015 bis 2019 verändert hat.
Aus welchen Daten wird der Mobilitätsindex ermittelt?
Der Großteil der Daten für den Mobilitätsindex stammt aus öffentlich zugänglichen Statistiken etwa des Bundesamts für Statistik (DESTATIS), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), des Bundes-Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamts. Insgesamt wurden mehr als 1500 Datensätze recherchiert und für die Bildung der Indikatoren sowie die Analyse und die Erläuterung der aufgezeigten Entwicklungen herangezogen.
Wie wurde der Index entwickelt?
Die Entwicklung erfolgte in mehreren und aufeinander aufbauenden Schritten. Zunächst wurde definiert, welche Inhalte durch den Index abgebildet und zusammengefasst werden sollen, bevor daraus die notwendigen Bewertungsdimensionen abgeleitet wurden. In den nächsten Schritten wurden Daten recherchiert und ihre Qualität geprüft, bevor über ihre Zusammenstellung und Gewichtung entschieden wurde. Abschließend wurden mehrere Qualitätsprüfungen durchgeführt.
Weshalb werden die Bewertungsdimensionen unterschiedlich gewichtet?
Zwischen den einzelnen Bewertungsdimensionen können Zielkonflikte herrschen. So führen möglicherweise eine hohe Zuverlässigkeit und eine hohe Verfügbarkeit zu erhöhten Schadstoffausstößen, die dann die Entwicklung der Bewertungsdimension Klima und Umwelt negativ beeinflussen. Durch die Gewichtung können nun die Erwartungen an die Entwicklung der Dimensionen berücksichtigt werden. Das heißt, dass die Relevanz der einzelnen Dimensionen gegeneinander abgewogen wird, um unerwünschte Effekte von einzelnen Entwicklungen zu verringern.
Zur Ermittlung der unterschiedlichen Gewichte wurde ein Kreis von Expertinnen und Experten definiert, der sich aus den Mitgliedern des ADAC Verkehrsausschusses und dem ADAC Arbeitskreis für Verkehr und Umwelt zusammensetzte. Als Ergebnis dieses Prozesses wird die Verkehrssicherheit mit 30 Prozent am stärksten berücksichtigt, darauf folgen mit 25 Prozent Klima und Umwelt sowie mit jeweils 15 Prozent Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit. Alle Infos zu den Methoden bei der Erarbeitung finden Sie auch auf den Seiten des Prognos Instituts.
Warum endet der Index mit dem Jahr 2019?
Das Jahr 2019 ist das Bezugsjahr für die Erstveröffentlichung des Mobilitätsindex. Für 2019 gibt es einen vollständigen Datenbestand für alle Index-Indikatoren, während für 2021 beispielsweise noch nicht alle Statistiken der Ämter und anderer Datenquellen vorliegen. Außerdem zeichnet es sich als ein normales Jahr auf der Zeitachse aus, das letzte ohne coronabedingte Einflüsse. Somit ist es für das Startjahr des Mobilitätsindex eine sichere Grundlage.
Warum hat der ADAC den Mobilitätsindex erstellt?
Mit dem ADAC Mobilitätsindex wurde erstmalig eine wissenschaftlich basierte Grundlage erstellt, mit der die nachhaltige Entwicklung der Mobilität in Deutschland umfassend beobachtet und analysiert werden kann. Damit soll zur Versachlichung der in Politik und Gesellschaft kontrovers geführten Diskussionen zu diesem Thema beigetragen werden. Zugleich stellt sich der ADAC damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung für Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt sowie für die Zukunft der Mobilität.
Wie kann der Mobilitätsindex optimiert werden?
Der ADAC ist überzeugt, mit dem Mobilitätsindex ein fundiertes und methodisch innovatives Instrument zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Mobilität entwickelt zu haben. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit gibt es jedoch auch Punkte, die weiter optimiert werden können. Dazu gehören etwa die teilweise ausbaufähige Datenverfügbarkeit insbesondere auf der Kreisebene oder auch im Zeitverlauf. Bei verbesserter Verfügbarkeit der Daten – etwa vom Bundesamt für Statistik – kann der Index künftig potenziell weiter ausgebaut werden.
Wer hat den Mobilitätsindex erarbeitet?
Mit der Entwicklung des ADAC Mobilitätsindex wurde die Prognos AG beauftragt. Prognos ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsunternehmen mit Hauptsitz in Basel. Ziel war es, zusammen mit den Experten des ADAC die Veränderung der Mobilität wissenschaftlich gesichert zu ermitteln und verständlich darzustellen.
Das sind die Ergebnisse im Detail
Die vollständigen Ergebnisse des ADAC Mobilitätsindex und Details zu seiner Methodik finden Sie in diesem PDF zum Download: