Großer ADAC E-Auto-Winter-Test: Wie gut klappt die Langstrecke?
Eisige Temperatur, hohe Geschwindigkeit: Für Elektroautos sind das widrige Bedingungen, unter denen die Reichweite leidet. Wie sehr, hat der ADAC bei einer simulierten Autobahnfahrt bei 0 Grad von München nach Berlin getestet. Eins von 25 E-Autos schaffte die Strecke ohne nachzuladen. Die Ergebnisse.
Modelle zu Preisen von 42.900 bis 129.900 Euro
Akkugrößen von 71 bis 118 kWh
Zwei Autos mit Note "sehr gut", fünf mit "gut"
Elektroautos und Langstrecke? Gar kein Problem, sagen die Hersteller. Reichweitenangaben von 500 bis 700 Kilometer sind heutzutage keine Sensation mehr, zumindest wenn man die Angaben im Prospekt liest. Doch dazu muss man wissen: Die Werte des gesetzlichen WLTP-Zyklus, die unter "Wohlfühltemperaturen" und bei gemischter Fahrweise mit viel Stadtverkehr ermittelt werden, sind nur für das gemessene Szenario gültig.
Unter anderen Bedingungen können Verbrauch und Reichweite enorm davon abweichen. Vor allem bei Autobahntempo und bei eisigen Temperaturen verbrauchen E-Autos mehr Energie, die Reichweite sinkt. Doch wie sieht es in der Praxis mit den reichweitenstärksten Elektroautos aus, die es heute gibt?
Autobahn & Kälte: Anspruchsvoll für E-Autos

Das wollte der ADAC herausfinden und hat den Praxis-Test gemacht. Die Ingenieure des ADAC haben sich dafür 25 Top-Modelle verschiedener Hersteller von Audi über Lotus bis Xpeng herausgepickt. Kriterium bei der Fahrzeugauswahl: Die Autos sollten mindestens 500 Kilometer Reichweite nach WLTP zu bieten haben.
Die Idee: Eine Fahrt von München nach Berlin auf der A9. Welches Modell würde ohne Stopp ankommen und welche Autos müssten trotz großer Batterie ein oder mehrere Male zwischenladen?
Um alle E-Autos objektiv ohne den Einfluss der Fahrweisen verschiedener Fahrer und des Verkehrsflusses miteinander zu vergleichen und fair bewerten zu können, fand der Reichweitentest nicht real auf der Straße, sondern im "ADAC Testlabor Elektromobilität" auf dem eigenen Prüfstand statt.
Für die Laborsimulation wurde die Strecke München-Berlin über die Autobahn A9 bei einer Realfahrt aufgezeichnet und in den Prüfstand importiert – inklusive Steigungen, Gefälle und realistischem Verkehrsgeschehen. So mussten sich alle Fahrzeuge den exakt gleichen Geschwindigkeiten stellen, ohne Einfluss von sich ändernder Verkehrsdichte, Wind, Wetter oder durch einen eventuellen Stau.
Als Höchstgeschwindigkeit wählten die ADAC Tester die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, Tempolimits auf der Strecke wurden eingehalten, Staus gab es keine. So ergab sich ein Durchschnittstempo von 111 km/h und eine reine Fahrzeit von fünf Stunden und 15 Minuten. Alle Details der ADAC Testmethodik können Sie ganz unten auf dieser Seite nachlesen.
Mercedes EQS: Ohne Stopp nach Berlin

Ergebnis: Ein Modell – der Mercedes EQS – schaffte die komplette Strecke ohne Ladestopp. Die Reichweite des Mercedes beträgt im Test 600 Kilometer und ist damit die beste von allen. Mit einer Restreichweite von 18 Kilometern im Akku – die Teststrecke war 582 Kilometer lang – anzukommen, muss man sich aber erst einmal trauen. Ein üppiges Polster ist das schließlich nicht. In der Realität wäre also auch der Mercedes-Fahrer wohl einmal zum Ladestopp rausgefahren.
Mit einem Stopp wären Lucid Air und Porsche Taycan sowie fünf weitere Elektroautos ausgekommen. Insgesamt neun Fahrzeuge hätten zwei Stopps, acht weitere Autos drei Stopps benötigt, um über die Ziellinie zu rollen.
Warum nun hat der Mercedes EQS die beste Reichweite von allen 25 Fahrzeugen zu bieten? Wie ist das technisch begründet? Weil der Mercedes den größten Akku mit 118 kWh Energie an Bord hat?
Ja, die Akkugröße spielt eine große Rolle. Aber nicht nur. Vielmehr ist die Reichweite des Mercedes auch deshalb top, weil der Mercedes EQS den niedrigsten Verbrauch aufweist. Und das hat mit guter Aerodynamik, wenig Rollwiderstand und gutem Temperaturmanagement zu tun. Wäre er bei diesen Eigenschaften schlecht, er käme nicht auf die größte Reichweite im Testfeld.
Test-Reichweiten und Prospektangaben
Die Verbräuche und Reichweiten bei Autobahngeschwindigkeit im Winter unterscheiden sich zu den WLTP-Werten der Hersteller, die im Sommer bei niedrigeren Tempi erhoben werden, deutlich.
Bei 18 der getesteten E-Modelle liegen die Energieverbrauchswerte um 50 Prozent höher als es die Auto-Prospekte versprechen. Beim Volvo EC40, dem MG4 und dem Ford Capri betragen die Abweichungen 80 Prozent und mehr. Hier ist die Enttäuschung der Nutzer über den Energieverbrauch erheblich. Die geringste Abweichung weist der Nio ET5 mit 10 Prozent auf, gefolgt von Porsche Taycan (23%) und Mercedes EQS (25%).
Wichtig zum Verständnis: Ein um 70 Prozent erhöhter Verbrauch auf der Autobahn, wie etwa beim Cupra Born, ist nicht gleichbedeutend mit einer um 70 Prozent reduzierten Reichweite. Die Reichweite reduziert sich in diesem Zahlenbeispiel mathematisch um gut 40 Prozent. Heißt im Falle des Cupra: Als WLTP-Reichweite gibt der Hersteller 594 Kilometer an, im Autobahn-Wintertest des ADAC wurden daraus nur noch 325.
Scrollen Sie durch die Tabelle oben, dann sehen Sie alle tatsächlichen Verbrauchs- und Reichweiten-Differenzen.
ADAC Urteil: E-Autos auf der Langstrecke
Reichweite und Verbrauch sind aber nicht alles. Entscheidend auf langen Strecken ist außerdem, wie effektiv sich ein Auto an der Schnellladesäule aufladen lässt. Je mehr Energie die Batterie in kurzer Zeit aufnehmen kann, desto schneller geht es weiter. Auch das hat der ADAC bewertet, schließlich musste bei fast allen Autos nachgeladen werden, um ans Ziel zu kommen.
Dabei fließt die gemessene Reichweite zu 50 Prozent in die Bewertung der Langstreckentauglichkeit ein, der Testverbrauch und die nachgeladene Reichweite in 20 Minuten werden mit je 25 Prozent gewichtet.
Als transparenten Indikator für die Nachladefähigkeit gibt der ADAC die durchschnittliche Ladeleistung über die Ladedauer von 10 bis 80 Prozent SoC (State of Charge = Füllstand des Akku) an. Dieser Wert macht den Prozess für den Nutzer gut nachvollziehbar und auf einfache Weise vergleichbar.
Der Ora 07 im Test kam beispielsweise nur auf eine durchschnittlich Ladeleistung von 81 kW – mit entsprechend langer Standzeit an der Säule. Zum Vergleich: Der Ladeprimus Porsche Taycan erzielt eine durchschnittliche Ladeleistung von 271 kW! Und kann damit in 20 Minuten Strom für 370 Kilometer zapfen, während der Ora in der gleichen Zeit nur für 104 Kilometer nachlädt.
Ergo: Die Angabe einer maximalen Ladeleistung, die der Hersteller angibt und die nach anfänglichem Peak meist schnell auf einen niedrigen Wert absinkt, bringt als Orientierung wenig. Wer die tatsächlichen Schwankungen bei der Ladeleistung nachvollziehen will, kann sich die Ladekurven anschauen, die der ADAC bei den Messungen aufzeichnet.
Tabelle zur Langstreckentauglichkeit
Um alle Details zu sehen, klicken Sie bitte auf den Modellnamen.
Hersteller/Modell | Basis-Listenpreis in Euro | ADAC Urteil | Testreichweite (50%) | Nachgeladene Reichweite (25%) | Testverbrauch (25%) | zum Vergleich hinzufügen |
---|---|---|---|---|---|---|
![]() | 109.550 | 0,9 | 0,8 | 0,9 | 1,2 | |
![]() | 107.225 | 1,4 | 1,7 | 0,6 | 1,5 | |
![]() | 129.900 | 1,8 | 1,6 | 1,8 | 2,1 | |
![]() | 58.895 | 1,9 | 2,3 | 1,7 | 1,3 | |
![]() | 68.500 | 2,21 | 2,5 | 2,1 | 2,0 | |
![]() | 44.990 | 2,21 | 2,4 | 2,6 | 1,4 | |
![]() | 126.000 | 2,5 | 2,7 | 1,1 | 3,5 | |
![]() | 54.000 | 2,8 | 3,2 | 2,4 | 2,3 | |
![]() | 107.900 | 2,9 | 2,5 | 2,8 | 3,6 | |
![]() | 51.950 | 3,01 | 3,3 | 3,1 | 2,4 | |
![]() | 43.690 | 3,01 | 3,1 | 3,3 | 2,5 | |
![]() | 106.400 | 3,01 | 3,2 | 1,2 | 4,2 | |
![]() | 52.690 | 3,01 | 3,1 | 2,9 | 2,7 | |
![]() | 52.770 | 3,11 | 3,3 | 2,7 | 2,8 | |
![]() | 47.600 | 3,11 | 3,3 | 2,2 | 3,7 | |
![]() | 48.900 | 3,2 | 3,4 | 3,0 | 3,0 | |
![]() | 53.490 | 3,6 | 3,4 | 4,0 | 3,8 | |
![]() | 44.990 | 3,71 | 3,6 | 3,8 | 3,9 | |
![]() | 54.680 | 3,71 | 3,7 | 2,8 | 4,3 | |
![]() | 53.490 | 3,71 | 3,5 | 4,4 | 3,4 | |
![]() | 50.700 | 3,81 | 3,4 | 4,1 | 4,4 | |
![]() | 42.900 | 3,81 | 4,2 | 4,0 | 3,0 | |
![]() | 57.190 | 3,9 | 3,7 | 3,5 | 4,6 | |
![]() | 52.900 | 4,0 | 3,9 | 4,1 | 4,0 | |
![]() | 45.990 | 4,1 | 4,0 | 4,0 | 4,4 |
- 1 · Bei gleicher Gesamtnote alphabetisch sortiert
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
© ADAC e.V.
Autobahn-Wintertest: 25 Modelle im Fazit
Technischer Fortschritt beginnt immer in der Oberklasse und muss anfangs teuer erkauft werden. So wird für die drei Bestplatzierten ein sechsstelliger Betrag fällig. Dafür gibt es dann neben viel Luxus auch Batterien mit über 100 kWh Kapazität sowie einen Antrieb mit guten Reichweiten, auch im Winter auf der Autobahn.
Erfreulich: Mit dem VW ID.7 und dem Tesla Model 3 auf den Rängen vier und fünf gibt es Langstreckenalternativen ab Einstiegspreisen von rund 59.000 bzw. 45.000 Euro. Beide Modelle beweisen, dass langstreckentaugliche E-Autos auch in günstigeren Preisklassen erhältlich sind. Sie bieten eine gute Reichweite bei niedrigem Verbrauch und können auch bei kalten Temperaturen auf der Langstrecke überzeugen.
In der Bildergalerie haben wir für Sie noch einmal die Kern-Ergebnisse eines jeden Modells zusammengefasst.



























1 von 25
Forderung an die Hersteller
Die Hersteller sind aufgefordert, die Reichweiten von Elektroautos zusätzlich zum gesetzlichen WLTP-Zyklus auch bei Kälte und mit Autobahngeschwindigkeiten anzugeben.
Außerdem sollten die Hersteller versuchen, die Antriebseffizienz zu verbessern. Die ist bei vielen Modellen – unter winterlichen Bedingungen auf der Autobahn – nicht gut, wie die Verbrauchsmessungen zeigen. Und dann reicht auch die größte Batterie nicht, von München bis nach Berlin ohne Stopp durch zu fahren.
So haben wir getestet
Zum Test angetreten ist das reichweitenstärkste E-Auto einer Marke und mindestens 500 km Reichweite nach WLTP.
Manche Marken sind im Vergleich nicht vertreten, da sie zum Zeitpunkt der Beschaffung der Testfahrzeuge keine entsprechenden Fahrzeuge im Angebot hatten.
Die Aufzeichnung der Strecke von München Hauptbahnhof nach Berlin Hauptbahnhof erfolgte bei einer Referenzfahrt mit einem Diesel-Fahrzeug. Die Geschwindigkeit wurde so hoch gewählt, wie maximal zulässig. Wo kein Tempolimit existierte, war die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h maßgeblich. Die Fahrt lief flüssig, es hatte wenig Verkehr und es gab keinen Stau. Die Gesamtstrecke betrug 582 Kilometer und die reine Fahrzeit 5 Stunden und 15 Minuten, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 111 km/h für die gesamte Strecke ergab.
Die aufgezeichneten Daten, also das Geschwindigkeits- und Höhenprofil, wurden in den ADAC Prüfstand eingespielt.
Die Umgebungstemperatur in der Klimakammer wurde auf 0 Grad Celsius eingestellt. Die gewählte Temperatur liegt etwas unterhalb der Durchschnittswerte in Deutschland im Winter und ist somit für eine Winterfahrt repräsentativ. Natürlich kann es im Winter auch mal kältere Tage geben.
Die Heizung wurde auf den Auto -Modus geschaltet. Beheizt wurden Fahrer- und Beifahrerplatz. Sitz- und Lenkradheizung sowie Radio waren deaktiviert. Die Innenraumtemperatur wurde auf Kopfhöhe des Beifahrersitzes gemessen und sollte zwischen 20 und 23 Grad liegen. Wurde die Temperatur über den Auto Modus nicht erreicht, wurde die Heizung entsprechend höher geregelt.
Der Fahrersitz wurde durch den ADAC Testingenieur, der die Strecke nachgefahren ist. Der Beifahrersitz wurde mit Sandsäcken beschwert, um eine Beifahrer-Sitzerkennung zu aktivieren, was Einfluss auf die Heizungsregelung haben kann.
Aufladen auf 100 Prozent und Vorkonditionierung des E-Autos für 14 bis 18 Stunden bei 0 Grad Celsius.
Es wurde bewusst ein Kaltstart ohne Akkukonditionierung gemacht (Worst Case). Würde der Akku noch am Stromnetz vorgeheizt, kann die Reichweite erhöht werden, was normalerweise auch zu empfehlen ist.
Fahrt, bis die Batterieleistung so weit gedrosselt wurde und nicht mehr ausreichte, um der Sollgeschwindigkeit zu folgen.
Anschließend Schnellladen an einem Alpitronic 300 kW Hypercharger. Die Ladekurve wurde ab 10 Prozent gewertet und die in 20 Minuten nachgeladene Energie ermittelt.
Mögliche Batteriekonditionierungen fürs Schnellladen war nicht aktiv.
Ermittlung des Stromverbrauchs für die gefahrene Strecke auf Basis der nachgeladenen DC-Ladung. Darin sind DC-Ladeverluste enthalten.
Umrechnung der am DC-Charger nachgeladenen Energie zur Ermittlung der in 20 Minuten nachgeladenen Reichweite.
Bewertung der Langstreckentauglichkeit: Testreichweite (50 %), nachgeladene Reichweite in 20 Minuten (25 %) und Stromverbrauch basierend auf DC-Ladung (25 %).
Der Test fand im ADAC Testlabor Elektromobilität im ADAC Technik Zentrum Landsberg am Lech statt.
Die Klimakammer ermöglicht es, Fahrzeuge bei Temperaturen von -20 bis +40 Grad Celsius zu testen.
Vor dem Prüfstand steht ein Alpitronic HYC300 Schnelllader, mit dem E-Autos direkt auf dem Prüfstand DC-geladen werden können.
Im Testlabor ist ein Allrad-Rollenprüfstand (Fa. Horiba, Vulcan2) installiert, auf dem individuelle Fahrszenarien von standardisierten Testzyklen bis hin zu realen Fahrstrecken reproduzierbar simuliert werden.
Die Fahrwiderstandswerte (f0, f1, f2) eines Fahrzeuges sind im CoC-Papier unter den Positionen 47.1.3.0 bis 47.1.3.2 aufgeführt und diese werden im Prüfstand hinterlegt. Zu Beginn eines Testlaufes wird noch eine Lastanpassung durchgeführt, um das Fahrzeug auf diese Kennwerte zu adaptieren. f0: Der Luftwiderstand ist dabei im f2-Wert dargestellt und steigt im Quadrat. Das bedeutet: Je größer die Geschwindigkeit, umso stärker steigt der Luftwiderstand an, welcher der Prüfstand dem Fahrzeug entgegenbringt. Einflüsse durch Wind und Wetter, die bei einer Realfahrt auf der Straße die Ergebnisse beeinträchtigen würden, sind im Prüfstand ausgeschlossen und alle Fahrzeuge haben die gleichen Testbedingungen.
Test und fachliche Beratung: Luis Kalb, ADAC Technik Zentrum