Elektro-SUV Nio EL7: Hoher Preis, viel PS, Luxus im Überfluss

Der EL7 ist das zweite Elektroauto der chinesischen Marke Nio: Ein SUV im XL-Format mit enormer Leistung und exklusiver Ausstattung. Ob er seinen hohen Preis wert ist, erfahren Sie hier.
Das erste elektrische Premium-Luxus-SUV aus China
Fahrzeug im Abo, mit Batteriemiete oder auch zum Kauf
Akkuwechsel-Stationen und Autonomes-Fahren-Technik als Besonderheit
Da stehen sie nun, die nagelneuen EL7 von Nio. Fein aufgereiht vor dem ehrwürdigen ehemaligen Hauptzollamt des Hamburger Hafens, insgesamt 20 Stück. Es ist das erste Mal, dass Journalisten das imposante Elektro-SUV der chinesischen Marke fahren können. Das Schwestermodell ET7 – eine eher flache Luxuslimousine – wird schon ein paar Monate in Deutschland verkauft.
So unterschiedlich die beiden Modelle ET7 und EL7 auch sind: Sie teilen sich tatsächlich die gleiche Technikplattform. Das heißt, in beiden Fällen beherbergt der Unterboden eine mächtige Batterie mit entweder 75 oder 100 kWh Energie. Die Leistung der Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse summiert sich hier wie da auf 480 kW, umgerechnet in alte Währung: 652 PS. Den Zahlenwert muss man erst mal verdauen. Sechshundertzweiundfünfzig PS. Muss so viel Leistung in einem SUV wirklich sein?
Machen wir einen Selbstversuch – und lassen uns von der praktischen Erfahrung überzeugen.
Elektroauto Nio EL7: Die Charme-Offensive

Schon vor dem Einsteigen werden Fahrer und Mitfahrer vom EL7 mit technoidem Charme umgarnt. Das beginnt beim Schlüssel, der nicht einfach ein funktioneller Schlüssel, sondern vor allem ein smoothiger Handschmeichler ist. Das Erlebnis geht weiter an der Tür, die dem Passagier quasi seine "Hand", den Türgriff, entgegenstreckt. Damit sich der Schließmechanismus öffnet, genügt eine leichte Berührung an der Innenseite des Griffs. Lautlos elektrisch zieht sich die Tür auch zu, wenn sie anschließend nur angelehnt und nicht richtig eingerastet ist. Als würde man diskret von einem Butler begleitet.
Beim Entern des Sitzes erklingt eine niedliche kindliche Stimme, die den Passagier freudig willkommen heißt. Die Stimme stammt von dem kugeligen Sprachassistenten auf der Mitte des Dashboards. Rufname: Nomi. Er oder sie blinzelt mit den Augen, als hätte er/sie genau auf diesen Augenblick gewartet. Unterdessen sind im Hintergrund längst alle Systeme automatisch hochgefahren. Einen Start-Stopp-Knopf, den man drücken müsste, gibt es nicht. Automatikwahlhebel auf Drive – und das freundliche Vorgeplänkel hat erst mal ein Ende.
E-SUV mit 652 PS Leistung

Sanft und seidig setzt sich das fast fünf Meter lange SUV in Bewegung. So gut wie kein Geräusch ist wahrnehmbar. Selbst Steinchen einer befahrenen Schotterstraße verursachen keine Störgeräusche, das verhindern die schaumgedämmten Radhäuser des EL7. Es herrschen vollkommene Ruhe und Entspanntheit.
Sobald aber jemand ein bisschen mit dem Gas-, pardon, Elektro-Pedal spielt, kommt Bewegung in die Bude. Man spürt unmittelbar und mit Macht die 850 Nm Drehmoment. Es kostet fast ein wenig Überwindung, den Fuß mit Nachdruck gen Bodenblech zu senken. Dann wird's brutal. Der Schub ist absurd, die Körperspannung der Insassen erhöht sich um ein Vielfaches. Nio gibt für den Sprint von 0 auf 100 km/h eine Zeit von weniger als vier Sekunden an. Das will man glauben – auch ohne in den Sportmodus für maximale Kraftentfaltung geschaltet zu haben.
Es gibt ähnlich potente Autos, in denen wähnt man sich erdgebunden zu fliegen. Autos, die sich mit zunehmendem Tempo viel leichter anfühlen, als sie sind. Der Nio EL7 indes gehört nicht dazu. Hier spürt man jederzeit Masse und Gewicht. Und man fragt sich, wie sich der Koloss wohl bei einem extremen Ausweichmanöver verhalten wird. Das im öffentlichen Straßenverkehr auszuprobieren, verbietet sich natürlich von selbst.
Die Federung macht größtenteils einen exzellenten Job. Der Hersteller beschreibt sie als intelligente Luftfederung mit kontinuierlich elektronisch geregelter Dämpfung. Sie ist in der Tat wolkenweich. Nur bei heftigen, aufeinanderfolgenden Bodenwellen, wie wir sie mit dem EL7 zufällig überqueren, gerät der Aufbau des Wagens in vertikale Schwingungen. Das Schaukeln ist nicht so angenehm, wird aber gleich wieder vergessen.
Das Elektroauto Nio EL7 in Bildern









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Nomi: Nerviger Sprachassistent

Dafür bringt sich Sprachassistent Nomi permanent in Erinnerung. Gern mit Ermahnungen, dass der Fahrer zu schnell unterwegs oder unkonzentriert bei der Sache sei. Den Fahrer nervt's. Doch Nomi lässt sich auch den Mund verbieten: "Hey, Nomi, sei still", versteht die Knutschkugel aufs Wort. Nicht so verständig zeigt Nomi sich bei Adresseingaben für die Navigation. Der Hersteller sagt, das Problem sei bekannt, und man arbeite mit Hochdruck an der Optimierung. Auch Nomi verspricht, das alles noch zu lernen.
Bei Nomis Geschick, Gestik und Mimik verschiedenster Art darzubieten, mögen Fahrer und Passagiere keinen Optimierungsbedarf erkennen. Nomi schunkelt, wenn man Musik einschaltet, rollt mit den Augen und schwitzt, wenn man das Gaspedal durchdrückt. Insgesamt 200 verschiedene Gesichter kann Nomi auflegen. Im chinesischen Riesenreich sind's 250 interaktive Emojis. Es dauert also eine Weile, bis man alle Facetten von Nomis Persönlichkeit erfahren hat.
Immer wenn der Fahrer verzweifelt eine Funktion sucht, die sich ein- oder auszuschalten lohnt – die Spurhaltung zum Beispiel –, senkt Nomi den Blick und beobachtet die kreisenden Finger vor dem Touchdisplay. In solchen Momenten wirkt Nomi irgendwie unentschlossen: Soll ich jetzt helfend eingreifen oder nicht?
360-Grad-Blick in den Innenraum des Nio EL7
Mit all den Technik-Gimmicks erschöpft sich der Charme des EL7 aber noch lange nicht. Auch Platzverhältnisse und Komfort sind beeindruckend. Hinter die auf Knopfdruck neigungsverstellbaren Rücksitzlehnen lassen sich laut Hersteller 570 Liter Gepäck verstauen. In das Fach im Kofferraumboden passen noch mal 88 Liter oder zumindest Ladekabel und sonstiges Gedöns, das man immer dabei haben muss.
Die Beinfreiheit im Fond ist mehr als großzügig. Und wer es sich auf dem Beifahrersitz bequem macht, stellt fest, dass nicht nur eine Massagefunktion, sondern auch in eine Schlafposition nebst Auflage für die Unterschenkel geboten wird. Wie in der Business-Klasse im Flugzeug – nur dass die Beinfreiheit im EL7 gefühlt noch größer ist.
Autonomes Fahren: Die Technik ist schon da

An erwähnenswerten Sicherheitsfeatures gibt es: Einen Zentralairbag zwischen den Vordersitzen, adaptive LED-Nebelscheinwerfer mit Kurvenlicht, Querverkehrswarnung vorn und hinten sowie die Hardware für zukünftiges autonomes Fahren, darunter eine hochpräzise GPS-Positionierungseinheit sowie hochauflösende Kameras, Radar und Lidar zur Objekterkennung bei Nacht.
Die weiterentwickelte Software und die Freischaltung für das autonome Fahren fehlen aktuell freilich noch. Aber selbstverständlich gibt es einen schlauen Tempomaten mit assistierter Querführung und aktivem Fahrspurwechsel, wie er auch in einer ganzen Reihe von Modellen anderer Hersteller schon im Einsatz ist.
Genug der zukünftigen Theorie, zurück zum Fahreindruck. So beeindruckend wie die Kraftentfaltung des Nio EL7 auch ist: Wie jeder weiß, wird ein Akku blitzartig leer gesaugt, wenn das Leistungspotenzial des elektrischen Antriebs auch nur annähernd ausgeschöpft wird. Das ist auch beim 100-kWh-Akku des Nio EL7 nicht anders. Und schon bei absolut gemäßigter Gangart zeigt der Bordcomputer im EL7 Verbrauchswerte von 24 kWh pro 100 Kilometer und mehr.
Mit solchen Werten vor Augen lässt man herzhaftes Beschleunigen oder Hochgeschwindigkeitsetappen auf der Autobahn sowieso lieber bleiben. Komfortbetontes Reisen statt Rasen passt ohnehin viel besser zum Charakter des Nio. Der EL7 ist ganz klar ein bequemes Luxus-SUV wie der Genesis GV70, kein Sportwagen wie der Porsche Taycan.
Realistische Reichweite: 400 Kilometer
So beträgt die realistisch zu erwartende Reichweite des Nio EL7 mit dem 100-kWh-Akku eher 400 als die im WLTP angegebenen 509 Kilometer. Ist der Akku leer, lädt der Nio EL7 an der Schnellladesäule mit maximal 140 kW. Das ist ein eher mäßiger Wert in der Fahrzeugklasse – und gilt auch nur für die Version mit dem kleinen 75-kWh-Akku. Der Akku mit 100 kWh lädt lediglich mit maximal 126 kW.
Die Differenz bei den Ladeleistungen erklärt sich mit der jeweiligen Zellchemie des Akkus. Denn während der kleine Akku auf robusteren Lithium-Eisen-Batteriezellen (LFP) basiert, setzt der Akku mit 100 kWh auf die meist übliche Lithium-Nickel-Mangan-Zusammensetzung (NMC) mit der höheren Energiedichte.
Wenn es gut läuft, muss der Nio-Fahrer aber gar nicht an die Säule zum Aufladen. Denn der Nio-Fahrer lässt den leeren Akku am liebsten einfach gegen einen vollen austauschen. Und zwar an einer Nio-eigenen Swap-Station: Vollautomatisch und innerhalb von nur fünf Minuten. Drei solcher Batteriewechselstationen gibt es aktuell in Deutschland: Im Ladepark Zursmarshausen nahe Augsburg, am Autobahnkreuz Hilden beim Bäcker Schüren sowie in der Hauptstadt Berlin. Weitere Stationen sollen im Laufe des Jahres aufgebaut werden. Wie das genau funktioniert mit dem Tausch, lesen Sie im Fahrbericht des Nio ET7.
Preis: Ab 73.900 Euro – plus Akku-Miete
Womit wir bei dem Geschäftsmodell von Nio und der entsprechenden Preispolitik der chinesischen Marke angelangt sind. Der Nio EL7 kostet 73.900 Euro (brutto) plus 169 Euro monatliche Miete für die 75 kWh-Batterie oder 289 Euro monatlich für den 100 kWh-Akku.
Optional kann man die Batterie auch kaufen. Dann werden für den kleinen LFP-Akku 12.000 Euro, für den großen NMC-Akku 21.000 Euro fällig. Unter welchen Bedingungen ein Kauf ratsam ist, sei dahin gestellt. Ein Kauf hat aber auf jeden Fall den Nachteil, dass dann der Akkuwechsel tabu ist.
Die dritte Möglichkeit, einen Nio EL7 zu fahren, ist ein Auto-Abo. Nio nennt das ein "Subscription"-Modell. Dann kostet der Spaß zwischen 1000 und 1500 Euro inklusive Versicherung, Wartung und weiteren Serviceleistungen.
Das Beste an der Preispolitik: Für welche Version sich ein Kunde auch entscheidet – die Ausstattung des Fahrzeugs ist immer komplett. Gegen Aufpreis zur Wahl stehen lediglich 21-Zoll-Felgen sowie vier zusätzliche Außenfarben. Weiß, Grau und Schwarz als Außenfarbe kosten nichts extra. Und selbst die elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung für 2000 Kilogramm Anhängelast ist immer mit dabei.
Technische Daten und Preise
Technische Daten (Herstellerangaben) | NIO EL7 (75 kWh) (zzgl. Batteriemiete) (ab 01/23) | NIO EL7 (100 kWh) (zzgl. Batteriemiete) (ab 01/23) |
---|---|---|
Motorart | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 480 | 480 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 653 | 653 |
Drehmoment (Systemleistung) | 850 Nm | 850 Nm |
Antriebsart | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 3,9 s | 3,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 200 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 391 km | 509 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 22,0 kWh/100 km | 21,6 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 75,0 | 100,0 |
Ladeleistung (kW) | DC:130,0 | DC:130,0 |
Kofferraumvolumen normal | 570 l | 570 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.545 l | 1.545 l |
Leergewicht (EU) | 2.346 kg | 2.366 kg |
Zuladung | 544 kg | 524 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 2.000 kg | 2.000 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 5 Jahre oder 150.000 km | 5 Jahre oder 150.000 km |
Länge x Breite x Höhe | 4.912 mm x 1.987 mm x 1.720 mm | 4.912 mm x 1.987 mm x 1.720 mm |
Grundpreis | 73.900 Euro | 73.900 Euro |