Elektro-SUV Aiways U6 im Test: Auffällig anders

Nach dem SUV kommt das SUV-Coupé. Den Trend hat auch Aiways aufgegriffen und den Aiways U6 als sportivere Variante des U5 auf den Markt gebracht. Die unterscheidet sich nicht nur in der Form. ADAC Test, Bilder, Daten, Preis
Technische Basis des U6 ist der Aiways U5
63-kWh-Akku für 320 Kilometer Reichweite im Test
Gute Ausstattung zu Preisen ab 45.500 Euro
Aiways? Die Marke aus China dürfte noch immer den wenigsten Autofahrern ein Begriff sein. Kein Wunder, dass es noch an der Wahrnehmung fehlt: Der Hersteller, der zunächst mit dem Elektro-SUV U5 in Deutschland nur ein einziges Auto anbot, wurde erst 2017 gegründet und ist sich mit einem eigenartigen Vertriebsmodell ausschließlich über den Elektronikhändler Euronics (Wartung über A.T.U.) selbst im Weg gestanden. Die Partnerschaft wird aber nicht weiterverfolgt, Aiways will sich einen neuen Vertriebsweg suchen. Bis es so weit ist, lassen sich die Autos (Stand Oktober 2023) nur über die Firmen-Homepage kaufen. Die Verkaufszahlen in Deutschland sind entsprechend mager.
Immerhin hatte der U5 im ADAC Autotest (Test von 2021) mit einer guten Note von 2,5 einen Achtungserfolg vorzuweisen. Jetzt legen die Chinesen aber nach: Mit dem SUV-Coupé U6, das es unter anderem in dem hier gezeigten kräftigen Gelb gibt. So sollte es mit der Wahrnehmung jedenfalls besser klappen! Auch weil der U6 im Vergleich zum U5 optisch deutlich markanter und selbstbewusster auftritt.
Aiways U6: Geräumiger Innenraum

Mit einer Länge von 4,80 Metern übertrifft der U6 seinen Plattform-Bruder U5 um zwölf Zentimeter, die Breite von 1,88 Meter variiert nur um einen Zentimeter, die U6-Höhe von 1,64 Meter bleibt um sechs Zentimeter hinter der des U5 zurück. Trotz der deutlich nach hinten abfallenden Dachlinie zwingt der Fond-Einstieg nicht zu Verrenkungen, die Kopffreiheit reicht immerhin für rund 1,90 Meter große Mitfahrer, die großzügige Beinfreiheit würde sogar fast für 2,10-Meter-Riesen ausreichen. Auch in Reihe eins sitzen bis zu 1,90 Meter große Passagiere sehr kommod.
Und die Kopffreiheit ist bei dieser Größe noch nicht erschöpft. Was umso mehr überrascht, da ein Glasdach (Serie!) der Dachhöhe in der Regel ein paar Zentimeter raubt. Das liegt meist am Rollo zum Verdunkeln des Innenraums, doch das hat Aiways einfach weggelassen und stattdessen die Glasscheibe so getönt, dass das Sonnenlicht nicht stört. Gut gelöst.
Ein deutlicher Unterschied zum U5: Die Heckklappe öffnet höher, Kopfnüsse können sich nur noch Menschen mit mehr als 1,90 Meter Körpergröße einfangen. Das Kofferraumvolumen gibt Aiways mit 472 bis 1260 Liter etwas niedriger als im U5 an ( 496 bis 1619 Liter) – hier macht sich das schicke Coupé-Heck bemerkbar. Außerdem nimmt der Subwoofer etwas Platz weg. Er gehört zum serienmäßigen Magnat-Soundsystem, das noch elf Lautsprecher und die AUX-Konnektivität per USB und Bluetooth mitbringt. Laut ADAC Messung passen übrigens "echte" 400 bis 1355 Liter ins Heckabteil.








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Auf einen Frunk müssen U6-Nutzer zunächst verzichten. Laut Alexander Klose, dem Europa-Chef des Shanghaier Unternehmens, wird hier aber nachgebessert (wann ist noch nicht klar) und mit einer Mulde zumindest Platz für die Ladekabel geschaffen. Und wo ist eigentlich die Kofferraumabdeckung? Die gibt es nicht. Chinesen scheinen sich daran nicht zu stören, doch Europäer lassen sich nur ungern in einen allzu offenherzigen Kofferraum schauen.
Reichweite, Ladezeit, Höchstgeschwindigkeit

Die Steckdose zum Stromtanken befindet sich am linken vorderen Kotflügel und lässt sich per Knopfdruck über den Bordbildschirm öffnen. Nachdem in U5 und U6 weitgehend die identische Technik verwendet wird, nimmt sich auch der U6 laut Hersteller vergleichsweise bescheidene 90 Kilowatt Ladeleistung an Schnellladesäulen. Zum Vergleich: Der VW ID.5 kommt auf bis zu 135 kW. Der 63-kWh-Akku soll unter besten Bedingungen dennoch in 35 Minuten von 20 auf 80 Prozent seiner Kapazität an Schnellladesäulen gefüllt sein.
Klappt das wirklich? Nicht ganz. Weil der U6 im Test lediglich mit bis zu 74 kW geladen hat, dauerte der Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent knapp 40 Minuten. Dass ist auch im 400-Volt-Konkurrenzumfeld vergleichsweise lang.
Mit dem dreiphasigen 11-kW-Bordlader vergehen an AC-Säulen in der Stadt von ganz leer bis ganz voll sieben Stunden. Aiways verspricht einen Durchschnittsverbrauch von 15,9 bis 16,6 kWh je 100 Kilometer, woraus eine rechnerische Reichweite von rund 400 Kilometern resultiert. Mitverantwortlich dafür sind das relativ niedrige Leergewicht von 1790 Kilogramm und der für ein SUV günstige Luftwiderstandsbeiwert von 0,248. Und natürlich die serienmäßig installierte Wärmepumpe.
Klingt gut, doch solche Papierwerte sind bei E-Autos immer mit Vorsicht zu genießen. Der 2021 getestete U5 kam im ADAC Ecotest mit identischer Batterie auf eine tatsächliche Reichweite von 290 Kilometern bei gut 24 kWh Verbrauch.
Weil Aiways die Effizienz aber gesteigert hat, kommt der neuere U6 im ADAC Test auch tatsächlich etwas weiter. Denn der Verbrauch inklusive der Ladeverluste fällt mit 18,7 kWh/100 km erfreulich gering aus, dennoch beträgt die Reichweite aufgrund des nicht sonderlich üppigen Akkus nur relativ bescheidene 320 Kilometer.
Aiways U6 mit guten Fahrleistungen

Der Elektromotor liefert mit 160 kW/218 PS einen Tick mehr Leistung als der im U5, das maximale Drehmoment von 315 Nm ist identisch. Aiways verspricht eine Beschleunigung von null bis 100 km/h in exakt und völlig ausreichenden 7,0 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit ist aber auf 160 km/h limitiert. Im Alltag erweist sich der Antrieb als harmonisch abgestimmt. Der Elektromotor sorgt trotz des stattlichen Leergewichts von 1,8 Tonnen und der nicht überbordenden Leistung für gute Fahrleistungen.
Beschleunigungswünsche setzt der U6 dank des nahezu verzögerungsfrei abrufbaren Drehmoments von bis zu 315 Nm spielerisch in Vortrieb um. Der Sprint von 15 auf 30 km/h gelingt in weniger als einer Sekunde. Etwas gemächlicher geht es außerorts zu, dennoch werden die simulierten Überholvorgänge von 60 auf 100 km/h bzw. 80 auf 120 km/h in 3,5 bzw. 4,8 Sekunden ebenfalls zügig erledigt. Bis auf einen etwas eigenartig-künstlichen Anfahrsound nimmt man so gut wie keine Geräusche wahr. Dass die Karosserie gut gedämmt ist, merkt man auch, weil sich Abroll- und Windgeräusche sehr rar machen.
Solides Auto, schlechte Sicht nach hinten
So stellt sich schnell das Gefühl eines sehr solide gemachten Fahrzeugs ein, das satt auf der Straße liegt und mit dem man gern längere Strecken überland zurücklegt. Dazu passt das sanfte Abrollverhalten auf ebener Strecke, das sich aber bei groben Unebenheiten ins sportlich-straffe verändert.
Im ADAC Ausweichtest schneidet der Aiways ordentlich ab. Er absolviert das simulierte Ausweichmanöver zwar alles andere als dynamisch, was bei einem so schweren SUV auch nicht zu erwarten ist, stellt den Fahrer aber vor keine größeren Aufgaben. Der U6 wird beim Ausweichen kräftig vom elektronischen Stabilitätsprogramm eingebremst und durchfährt den Pylonenkurs anschließend zwar stark untersteuernd und mit merklicher Seitenneigung, aber weitgehend problemlos und sicher.
Der etwas indirekten Lenkung kann man durch das Aktivieren der Sporteinstellung im Fahrdynamikprogramm zumindest etwas mehr Dynamik verleihen, doch der grundsätzlich komfortable Charakter des Fahrzeugs lässt sich auch dadurch nicht wegzaubern. Was auch nicht nötig ist, denn pseudo-sportliche SUVs gibt es sowieso schon genug.
Als Stadtauto eignet sich der U6 nicht besonders gut, was nicht so sehr an den 4,80 Metern Länge liegt, sondern eher an der miserablen Rundumsicht. Der Schulterblick schräg nach hinten offenbart eine undurchdringliche Wand an Kopfstützen und breiten Säulen, allen voran die massive C-Säule, hinter der ganze Gruppen von Radlern unsichtbar werden. Beim Abbiegen muss man also gehörig aufpassen.
Schöne Optik-Details, nervige Assistenten
Erfreuen darf man sich dagegen an den hochwertigen und gut verarbeiteten Materialien im Cockpit. Einzelne Design-Elemente im Innenraum wie die grafisch gestalteten Aluminium-Interieurleisten mit dem integrierten Ambiente-Licht für 360 verschiedene Stimmungen erzeugen einen edlen Eindruck. Das farbenfrohe Interieur ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Ein Hingucker ist der Schubhebel wie im Flugzeug. Sein Griff wird zum Einlegen von Vorwärts- oder Rückwärtsgang gedreht – er hat es tatsächlich aus der Studie U6 ION in die Serie geschafft.
Hinter dem Lenkrad findet sich ein schmales 8,2-Zoll-Display, auf dem Tempo, Akkustand, Reichweite und Uhrzeit angezeigt werden. Mehr nicht. An der Ergonomie des U6 gibt es wenig zu kritisieren. Lenkrad, Sitze und Spiegel lassen sich schnell und unkompliziert einstellen. Um loszufahren, muss man lediglich das Bremspedal betätigen und den gut erreichbaren Wählhebel auf „D" oder „R" stellen, schon setzt sich das SUV in Bewegung. Positiv: Im Gegensatz zum U5 setzt Aiways im U6 auf ein Multifunktions-Lenkrad mit gut bedienbaren konventionellen Tasten anstelle der berührungsempfindlichen Touchflächen. Hier hat sich der Hersteller die Kritik am U5 offensichtlich zu Herzen genommen.
In Sachen Bedienung folgt auch Aiways dem allgemeinen Trend, Knöpfe wegzulassen und so ziemlich alles in den 14,6-Zoll-Touchscreen mit seiner glasklaren Darstellung zu packen. Die Bedienung bedarf deshalb der Gewöhnung und bleibt auch danach teils sehr umständlich. Hinzu kommt, dass das System unter diversen Software-Bugs leidet.
Den Weg zum Menü der Assistenzsysteme findet der Fahrer oder die Fahrerin allerdings bald im Schlaf, denn wer sich nicht unentwegt maßregeln lassen möchte, schaltet so viel wie möglich davon ab. Was natürlich nicht Sinn der Sache ist – und deshalb sollte Aiways dringend darüber nachdenken, die Empfindlichkeit der zahlreichen Helferlein zu überarbeiten oder manches gar gänzlich abzuschalten. Wenn man etwa nur in die Nähe einer Linie kommt und der Spurhalteassistent klingelt, es beim nur geringen Überschreiten eines Tempolimits bimmelt (oder will das Fahrzeug gerade vor einem Blitzer warnen?), man (freundlich) angemault wird, doch nicht im Fahrzeug zu rauchen – nein, ich rauche nicht! – und das Auto einfach die Handbremse drin lässt, wenn man nur mal kurz ohne angelegten Gurt rangieren will, ist das zu viel der Bevormundung.
Und spätestens wenn man auf den Bildschirm guckt, um etwas einzustellen, und einen eben dieser darauf hinweist, man möge doch auf die Straße schauen, bringt einen derlei Technik zur Weißglut. Also bitte weniger davon, dann nimmt man das dauernde Gebimmel vielleicht auch wieder ernst.
Der Preis des U6 ist vergleichsweise günstig

Ein eingebautes Navi gibt es auch im U6 nicht, Aiways setzt wie beim U5 auf die Navigation via Smartphone. Neben Apple CarPlay läuft auch Android Auto. So lässt sich übers Smartphone eine Echtzeit-Navigation realisieren, die in Kombination mit einer App eine ständig aktualisierte Ladestopp-Planung ermöglicht. Und zwar auf Basis von Echtzeit-Verbrauch, Ladestand und aktueller Belegung von DC-Schnellladestationen.
Beim Test erwies sich die Technik aber noch als zickig. So ließen sich iPhones bei einem der Testwagen erst nach einigen missglückten Versuchen verbinden, bei einem anderen klappte es dagegen auf Anhieb. Wie bereits beim vor zwei Jahren getesteten U5 verweigerte das Radio auch im U6 weitgehend
seinen Dienst und die Verbindung zu Apple CarPlay brach mehrfach unvermittelt ab. Doch dass die Software noch an der ein oder anderen Stelle hakt, weiß Aiways und will daran arbeiten.
47.588 Euro kostet die einzig verfügbare Ausstattungsvariante, abzüglich aller Förderungen werden 41.000 Euro fällig. Zum Vergleich: Das Enyaq Coupé von Škoda ist mit 51.150 Euro Listenpreis deutlich teurer. Vielleicht sorgt auch der Preis dafür, dass Aiways mit dem U6 künftig sichtbarer wird.
Lesen Sie hier den ausführlichen Testbericht zum Aiways U6 Prime als PDF
Der Aiways U6 im Video-Fahrbericht:
Aiways U6: Technische Daten, Preis
Technische Daten (Herstellerangaben) | Aiways U6 PRIME (ab 12/22) |
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Motorart | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 160 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 218 |
Drehmoment (Systemleistung) | 315 Nm |
Antriebsart | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 405 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 15,9 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 63,0 |
Ladeleistung (kW) | AC:11,0 DC:90,0 |
Kofferraumvolumen normal | 472 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.260 l |
Leergewicht (EU) | 1.790 kg |
Zuladung | 405 kg |
Anhängelast ungebremst | n.b. |
Anhängelast gebremst 12% | n.b. |
Länge x Breite x Höhe | 4.805 mm x 1.880 mm x 1.641 mm |
Grundpreis | 48.178 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Aiways U6 PRIME |
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Überholvorgang 60 – 100 km/h | 3,5 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 37,0 m |
Wendekreis | 12,0 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 18,7 kWh/100 km, 93 g CO₂/km (Well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | ***** |
Reichweite | 320 km |
Innenger äusch bei 130 km/h | 68,8 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 1792 / 498 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 400 / 820 / 1355 l |
ADAC Testurteil
ADAC Testergebnis | Aiways U6 PRIME (ab 12/22) |
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Karosserie/Kofferraum | 2,8 |
Innenraum | 3,3 |
Komfort | 3,1 |
Motor/Antrieb | 1,1 |
Fahreigenschaften | 2,9 |
Sicherheit | 2,7 |
Umwelt/EcoTest | 1,3 |
Gesamtnote | 2,4 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
Text mit Material von SP-X.
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