Fahrzeugtesterin aus Leidenschaft: Eine Frau gibt Vollgas

ADAC Blog

Christien Koehler sitzt in einem Testwagen
Christien Köhler bei der Arbeit.© ISP/Wolfgang Grube

Christien Köhler arbeitet seit fünf Jahren als Testtechnikerin im ADAC Technik Zentrum in Landsberg/Lech. 120 Autos prüft sie im Jahr und sorgt auch bei Reifentests für exakte Messergebnisse.

Gerade kommt Christien Köhler vom Winterreifen-Test aus Finnland zurück. „Wir testen dort normalerweise im Dezember. Dieses Jahr lag jedoch ungewöhnlich wenig Schnee. Deshalb wurden wir nicht rechtzeitig vor Weihnachten fertig und mussten im Januar außerplanmäßig noch mal nach Finnland, um die restlichen Messungen durchzuführen.“

Auch da hätte das Wetter dem Team fast einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diesmal lag zwar reichlich Schnee, aber es drohte eine Kältewelle. Gerade noch rechtzeitig beendeten die ADAC Mitarbeiter alle Messungen. Einen Tag später fiel das Thermometer auf minus 35 Grad: „Viel zu kalt, um Winterreifen für den mitteleuropäischen Markt zu testen.“

 Täglich 50 Satz Reifen und ein enger Zeitplan

Christien Köhler verantwortet als Teil des sechsköpfigen Reifentest-Teams die objektiven Bremsweg- und Traktionsmessungen. Die Streckenverhältnisse sollen dabei konstant sein, die verwendete Messtechnik muss funktionieren, und die Testprozedur muss bei jedem Reifen exakt eingehalten werden. Fallen nämlich Ergebnisse durch die Qualitätssicherung, werden die Tests wiederholt und gefährden den ohnehin engen Zeitplan.

Täglich wechselt und bewertet das Team rund 50 Satz Reifen: „Das erfordert Übersicht. Wir fahren immer mehrere Durchgänge und geben Daten ausschließlich im Vier-Augen-Prinzip frei.“

Chrstien Köhler wechstelt einen winterreifen während des ADAC Winterreifentests in Finnland
Reifenwechsel am Limit: 50 Satz am Tag – Christien Köhler an ihrem Arbeitsplatz.© (Mehrfach-Werte)

Ist die Testtechnikerin nicht mit dem Reifentest unterwegs, kümmert sie sich um die Messungen im ADAC Autotest. Jedes Jahr prüft die Fahrzeugtesterin nach einem umfassenden Testprotokoll bis zu 120 Fahrzeuge – angefangen von Innen- und Kofferraummessungen über Fahrzeugmaße bis hin zu Details wie der korrekten Funktion des Fehlbetankungsschutzes. Jede Auffälligkeit dokumentiert sie in einer Datenbank.

Die Test-Methodik wird immer weiterentwickelt

Besonders wichtig: die Sicherheitstests. Lassen sich unterschiedliche Kindersitze einbauen? Was schreibt der Hersteller dazu in der Betriebsanleitung? Funktioniert der Einklemmschutz der elektrischen Fensterheber? Insgesamt 350 derartiger Kriterien umfasst die Autotest-Methodik.

Diese Methodik wird stets weiterentwickelt. Neue Kriterien kommen hinzu, andere, effektivere Testverfahren werden gefunden. „Nachdem wir gezeigt haben, wie simpel sich die Keyless-Go-Systeme überlisten lassen und Autos gestohlen werden können, entwickelten wir eine Methodik, um den Diebstahlschutz zu überprüfen. Diesem Test wird jetzt jedes Fahrzeug unterzogen.“ Heute verfügen deshalb die ersten Fahrzeuge über einen funktionierenden Diebstahlschutz.

„Wir schauen immer, was wir verbessern können,“ sagt die Test-Expertin. „Aktuell arbeiten wir daran, mit einem Laserscanner den vollständigen Fahrzeuginnenraum einzulesen. Dann bewerten wir am PC die Platzverhältnisse und das Kofferraumvolumen.“

Fahrertrainings sind ein Muss für die Fahrzeugtesterin

Neben den statischen Messungen zählen Fahrversuche zu den persönlichen Highlights von Christien Köhler. „Auf unserem Testgelände in Penzing fahre ich Beschleunigungs- und Bremstests, ermittle die Fahrgeräusche und bewerte die Fahrsicherheit beim ADAC Ausweichtest. Einmal ist während der Bremsmessungen die Bremsscheibe eines Wohnmobils gebrochen. Solche Vorfälle werden sofort an das Kraftfahrtbundesamt gemeldet.“

Um derartige kritische Fahrmanöver sicher zu beherrschen, nimmt sie regelmäßig an Fortbildungen und Fahrertrainings teil. „Kürzlich absolvierte ich mit Testkollegen ein Fahrsicherheitstraining am Sachsenring, ein spezielles Präzisions- und Drifttraining, für das schon eine Reihe von bestimmten Trainings nötig ist. Das macht Spaß und hilft bei der Einschätzung und Fahrzeugbewertung.“

Motorradrennen als private Passion

Als ausgebildete Karosseriebauerin ist Christien Köhler körperliche Arbeit gewohnt. „Ich wollte immer handwerklich arbeiten. Mit dem ersten eigenen, etwas baufälligeren Pkw lernte ich, mit dem Schweißgerät umzugehen. Dabei entdeckte ich meine Liebe zu Autos.“

Ihre Aufgabe ermöglicht es ihr, ganz unterschiedliche Fahrzeuge kennenzulernen. Vom Porsche Panamera über den Ford Mustang bis hin zum Tesla Model X sei alles dabei, auch Handwerkerfahrzeuge wie der VW Caddy, der familienfreundliche Ford Galaxy oder Exoten wie der Ellenator Fiat 500, der als Dreirad bereits von 16-Jährigen gesteuert werden darf. „Ich kann so ziemlich alles fahren, was bei uns über die Straßen rollt. Und ich finde es auch sehr wichtig, dass wir die Autos unabhängig untersuchen und hinterfragen: ‚Was ist da wirklich unterwegs?'“

Auch privat geht es für die Fahrzeugtesterin nicht ohne fahrbaren Untersatz: Ihren Urlaub verbringt sie mit ihrem Motorrad auf der Rennstrecke. „Hierfür habe ich das passende Auto gefunden, einen heckbetriebenen Zweisitzer – meinen Mercedes Sprinter. Umgebaut als Renntransporter mit Hänger ist er wie eine zweite Wohnung für mich, und ich kann auch noch problemlos drei Motorräder transportieren.“

Foto: Wolfgang Grube. ISP International Sport Photo