Autonomes Fahren: So fahren wir in Zukunft

Zukunftsvision von autonomen Fahren in London
Vision vom autonomen Fahren: Werden fahrerlose Autos bald zum gewohnten Bild in der Stadt? © Mercedes

Die Vision, dass Autos uns vollkommen autonom chauffieren, leuchtet hierzulande nur sehr blass. In den USA ist man mit der Entwicklung deutlich weiter. Und auch China spielt inzwischen fleißig mit. Eine Standortbestimmung mit Beispielen.

  • Der gesetzliche Rahmen steht

  • Google und Baidu machen Tempo

  • Deutsche Hersteller mit Politik der kleinen Schritte

Fahrerlose Autos sollten in Deutschland eigentlich längst am Straßenverkehr teilnehmen. Schon seit vielen Jahren sind die Ingenieure fast aller Autohersteller mit Plänen zum automatisierten und hochautomatisierten Fahren unterwegs. Der ambitionierte Zeitplan zum vollkommen autonomen Fahren hat sich bei uns jedoch immer wieder verschoben. Die zu entwickelnde Technik auf Seiten der Autohersteller wie auch die Rechtslage auf Seiten der Gesetzgebung waren und sind offenbar komplexer als gedacht.

Im Mai 2021 hatten Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, nach dem vollständig autonome Fahrzeuge in Deutschland grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können. An den konkreten Ausführungsbestimmungen wurde und wird weiter gearbeitet. Trotzdem: Bis fahrerlose Autos auf deutschen Straßen in nennenswerter Zahl unterwegs sind, dürfte es Stand heute noch viele Jahre dauern.

Mehr als erste vorsichtige Pilotprojekte gibt es nicht. Die Kosten dafür sind immens. Die Übergangsphase ist geprägt von hochautomatisierten Fahrsituationen: beim Abstellen von Autos in Parkgaragen, bei Stausituationen und Kolonnenfahrten auf der Autobahn.

Die Vorteile selbstfahrender Autos

Für die Gesellschaft liegt eine Chance autonom fahrender Autos darin, ältere oder leistungseingeschränkte Menschen besser einzubinden. Sie setzen sich ins Fahrzeug und lassen sich bringen, wo immer sie hinmüssen oder -wollen: ob zum Arzt, zum Einkaufen, zu Freunden oder in die Oper. Gleichzeitig wird jeder und jede Einzelne die Zeit im Auto dank entsprechender Technik produktiv oder zur Erholung nutzen können.

Der Verkehr läuft möglicherweise flüssiger, und Güter könnten rationalisierter und umweltschonender transportiert werden. Vollautomatisierte Taxis oder Busse fahren eines Tages vielleicht so günstig, dass sich auch der ländliche Raum erschließen lässt.

Fest steht auf jeden Fall: Mit dem Grad der Automatisierung werden sich die Unfallzahlen weiter reduzieren. Denn für immerhin 90 Prozent aller Crashs ist menschliches Versagen die Ursache. Allerdings wird dieser Prozess langwierig sein, weil konventionelle und automatisierte Fahrzeuge noch sehr viele Jahre im Mischverkehr fahren werden. Verhindert werden muss dabei, dass die autonomen Systeme versagen oder Verkehrssituationen falsch eingeschätzt werden.

Vorreiter in den USA: Das Beispiel Waymo

Front und Seitenansicht eines fahrerlosen Taxis in San Francisco
Eines der 250 Waymo-Taxis in San Francisco © imago images/Kyodo News

Der Wettbewerb um die beste Technologie für das autonome Fahren ist weltweit in vollem Gang. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung in den USA. Waymo – eine Schwesterfirma von Google – betreibt aktuell eine Flotte von 250 Robotaxis im Stadtgebiet von San Francisco. Per App können sich zahlende Kundinnen und Kunden ein Auto zu ihrem Standort ordern, wo sie dann von einem für das autonome Fahren hochgerüsteten Jaguar iPace abgeholt und vollkommen selbstständig zu ihrem Zielort chauffiert werden.

Die Technik dafür ist extrem aufwendig und teuer. Das schlägt sich im Fahrpreis nieder, der sich auf etwa demselben Niveau befindet wie bei einer Taxifahrt mit einem Menschen am Steuer. Ob die Waymo-Autos sich dauerhaft bewähren, ohne Sicherheitslücken zu offenbaren, muss sich zeigen.

Unglücklicherweise kommt es immer wieder zu Situationen, in denen die Fahrzeuge nicht das machen, wofür sie programmiert sind. Wenn sie sich zum Beispiel gegenseitig auf einem Parkplatz blockieren und anhupen. Auch Unfälle kommen immer wieder vor, was Waymo-Konkurrenten Cruise, einer Tochterfirma von General Motors, sogar zeitweise ein Fahrverbot in San Francisco einbrachte.

In Zukunft will Waymo ein Fahrzeug von Zeekr autonom fahren lassen. Zeekr gehört zu Chinas Geely-Gruppe. Das elektrisch angetriebene Zeekr-Fahrzeug zeichnet eine "kapselartige Passagierkabine" auf, in der sich verschiedenste Sitzpositionen realisieren lassen. Außerdem gibt es multifunktionale Bildschirme an Bord.

Neue Kraftzentren in China

Heckansicht eines Apollo Go in Peking
Peking entwickelt sich zum neuen Hotspot für autonomes Fahren: Hier ein Fahrzeug von Apollo Go© dpa/Johannes Neudecker

Komplett fehlerfrei fahren die Robotaxis auch in China nicht, aber billiger. In Peking zahlt man für eine kurze Strecke mit dem Robotaxi umgerechnet 1,50 Euro. Für den Preis kann man in München nicht mal eine Station mit der U-Bahn fahren. Mehr als 30 Städte in China haben Test-Lizenzen für autonomes Fahren verteilt.

Einer der Lizenznehmer heißt Apollo Go. Das Unternehmen soll aktuell etwa 100 vollautonome Taxis in Peking einsetzen. Hinter Apollo Go steckt Geld der Firma Baidu, Chinas Pendant zu Google. Woran man sieht: Das Tempo beim technologischen Wettlauf wird von den mächtigsten Software-Unternehmen der Welt bestimmt, nicht von Autoherstellern.

Deutsche Hersteller vorsichtig

Ein Mercedes erprobt autonomes Fahren auf einer Teststrecke in Peking
Mercedes entwickelt und testet mit S-Klassen auf Level 4-Niveau in Peking © Mercedes

Die deutschen Autohersteller investieren vergleichsweise wenig in die Technologie des vollautonomen Fahrens, suchen ihr Heil notgedrungen in Kooperationen mit Software-Spezialisten – und gehen vor allem auf Nummer sicher. Absolut unvorstellbar wäre es für sie, mit einem unausgereiften System in Serie zu gehen. Und dadurch womöglich systembedingte Unfälle zu riskieren, wie sie zum Beispiel mit Autos von Tesla in den USA schon vorgekommen sind.

Trotzdem geht es auch bei ihnen voran. Für Mercedes kämpfen sich demnächst in Peking zwei S-Klassen auf Level 4 mit Sicherheitsfahrer durch den Verkehrs-Dschungel. Wobei jeder Lizenznehmer, auch Mercedes, nur in bestimmten Zonen des Stadtgebietes agieren darf.

BMW hat angefangen, die in Fabriken fertig produzierten Autos ohne Fahrer durchs Werk in die Qualitätskontrolle fahren zu lassen, zunächst in Dingolfing. Allerdings mit anderer Technik und Sensorik, als sie für den öffentlichen Straßenverkehr notwendig ist.

Volkswagen wird 2025 in Hamburg eine Flotte von 25 Moia-Fahrzeugen betreiben, die zeigen, was im Personentransport der Zukunft möglich ist. Allerdings auch mit einem Sicherheitsfahrer an Bord, der sofort korrigierend eingreift, wenn etwas schief läuft hinsichtlich der Automation. Und bald mit zahlenden Gästen an Bord.

Im Grundsatz haben sich die deutschen Hersteller darauf festgelegt, vorsichtig peu à peu von einem Level zum nächsten Fortschritte zu machen. Den Internet-Giganten Google und Baidu sowie auch Elon Musk und seiner Firma Tesla kann es gar nicht schnell genug gehen.

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Wo die Forschung gerade steht

Ein autonom fahrfähiger VW Bus vor dem Eingang des Oktoberfestes 2024
Viel Trubel rund um das Münchner Oktoberfest. Für autonome Fahrzeuge stellen solche Orte Extrembedingungen dar© TUM/MCube/Andreas Heddergott

Anders als gewinnorientierte Unternehmen – und mit vergleichsweise lächerlich kleinem Budget – forschen Universitäten zum Thema autonomes Fahren. So wie beispielsweise an der Technischen Universität München (TUM). Hier dient das Forschungsfahrzeug "EDGAR" zur Erprobung autonomer Algorithmen. Der umgebaute VW Multivan verfügt unter anderem über Kameras, LIDAR- und Radar-Sensoren sowie Mikrofone, um den Verkehr um sich herum wahrnehmen zu können.

Das Besondere an der Herangehensweise der TUM: Der zum Betrieb des Busses notwendige Software-Code ist frei verfügbar (Open-Source) und kann somit von jedem in der Branche genutzt und weiterentwickelt werden. Das soll die Kosten extrem reduzieren.

Erfahrung beim autonomen Fahren hat der Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TUM genug. Schließlich nehmen Studierende und Doktoranden des Fachbereichs schon seit Jahren erfolgreich an internationalen Wettbewerben wie der Indy Autonomous Challenge in den USA oder der A2RL Rennliga in Abu Dhabi teil.

Wie der Algorithmus in der Praxis funktioniert, musste EDGAR bereits im Umfeld des Münchner Oktoberfests beweisen. Während des größten Volksfests der Welt ist der Bereich zwischen Hauptbahnhof und Festwiese eine der anspruchsvollsten Gegenden für Verkehrsteilnehmende. Bei Demonstrationsfahrten funktionierte das bereits erstaunlich gut. Zwar übergab der Wagen auf der Testrunde das ein oder andere Mal an den Sicherheitsfahrer am Steuer, ansonsten manövrierte sich der Bus aber gekonnt durch die engen und vielbefahrenen Straßen.

Die Aussetzer zeugen von enormer Vorsicht im Straßenverkehr, denn wenn der Wagen die Kontrolle abgegeben hat, dann weil Fußgänger oder Radfahrende zögerlich über die Straße gingen oder zwischen zwei Autos hervorkamen. Ist es für EDGAR wirklich zu eng, bleibt der Wagen aber nicht einfach stehen. In einem solchen Fall übergibt der Wagen an einen Teleoperateur, der den Kleinbus dann fernsteuern kann. Dieser Wechsel war auf der Proberunde ebenfalls beeindruckend zu beobachten.

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