Mercedes EQT: Kann der elektrische Familien-Van auch Langstrecke?

Optisch hat sich im Vergleich zur T-Klasse nicht viel getan, doch der EQT fährt mit Batterie
Optisch hat sich im Vergleich zur T-Klasse nicht viel getan, doch der EQT fährt mit Batterie© Mercedes

Mercedes hat die T-Klasse elektrifiziert: Der Mercedes EQT soll als elektrischer Hochdachkombi Familien mit einer zumindest auf dem Papier brauchbaren Reichweite beglücken. Kann er das Versprechen halten? Testfahrt, Daten, Preise.

  • Familienauto mit Elektroantrieb und sieben Sitzen

  • Edle Ausstattung und hoher Komfort als Markenzeichen

  • 45-kWh-Batterie für 282 Kilometer Normreichweite

Nachdem die klassischen Vans fast alle aus den Modellprogrammen geflogen sind, bleibt Familien mit hohem Platzbedarf fast nur noch der Griff zum SUV, Kleinbus oder Hochdachkombi. Letztere sind nicht gerade für ihr filigranes und gewitztes Design bekannt. Umso enttäuschender, dass nichts vom einst eleganten Look der schon lange vorgestellten Studie zum Mercedes EQT in die fertige Version geschafft hat. Ein optisches Wagnis, wie Hyundai mit dem Staria, ist Mercedes also nicht eingegangen und bleibt konservativ.

Deswegen sieht der neue EQT als elektrischer Hochdachkombi wie die Verbrenner-T-Klasse aus. Im Unterboden sitzt aber eine Batterie, die den EQT neben dem eCitan zum ersten elektrischen Hochdachkombi von Daimler macht.

Elektro-"Van" mit viel Platz und Komfort

Bis zu 551 Liter passen in den Kofferraum des EQT, sogar 30 Liter mehr als in die T-Klasse © Mercedes

Die Mercedes T-Klasse ist als Partnermodell des weitgehend baugleichen Renault Kangoo seit 2022 eine etwas stärkere und edlere Version des Citan Tourer. Daher ist auch sein elektrischer Ableger EQT, den der Hersteller offiziell als "Small Van" bezeichnet, also ein klassisches Familienauto: Mit viel Platz für Gepäck und allerlei Krimskrams – und bis zu sieben Sitzplätzen. Die Maße sind identisch zur T-Klasse mit einer Länge von 4,5 Metern und einer Höhe von 1,8 Metern.

Zwar ist das Angebot bei elektrischen Hochdachkombis nicht überwältigend, doch etwa Toyota mit dem Proace City Electric Verso, Fiat mit dem e-Dobló und Opel mit dem Combo-e Life kamen Mercedes mit ihren baugleichen Modellen in dieser Fahrzeugklasse zuvor. Abheben möchten sich die Schwaben daher mit etwas ambitionierterer Ausstattung. Wer noch höhere Ansprüche hat, kann sich beim Mercedes EQV, dem Spaceshuttle von Mercedes, umschauen.

Mercedes EQT mit 282 Kilometern Reichweite

Bequemer Einstieg dank Schiebetüren hinten © Mercedes

In Fahrt bringt den EQT und den eCitan, den es für fleißige Handwerker auch als Kastenwagen mit Akku gibt, ein 90-kW-Motor, den ein Akku mit einer Netto-Kapazität von 45 kWh speist. Im Wagenboden so montiert, dass es weder Einschränkungen bei der Beladung noch bei der variablen Bestuhlung gibt: Der Kofferraum bietet sogar 30 Liter (insgesamt 551 Liter) mehr als die T-Klasse, und insgesamt könnten sogar bis zu sieben Kindersitze gleichzeitig unterkommen.

282 Kilometer gibt die Batterie her, was verglichen mit anderen EQ-Modellen wie dem EQA und EQB ziemlich mager klingt, mit den Fahrzeugklassen-Konkurrenten aber auf einer Wellenlänge liegt: Die Reichweite des Fiat e-Dobló ist sogar identisch, und auch der Combo-e Life kommt nur drei Kilometer weiter. Wie viel davon in der Praxis übrig bleibt, wird sich allerdings noch in einem ausführlichen ADAC Test zeigen müssen. Unsere Prognose: Auf der Autobahn sollte man eher mit 200 Kilometern rechnen, was längere Urlaubsfahrten zur Geduldsprobe machen dürfte. Wer will schon alle 150 Kilometer nach einer Schnellladesäule schauen?

EQT: Solide Effizienz und schnelles Alltagsladen

Ausflug ja, große Reise eher nicht: Reichweite und Schnellladefähigkeit sind beim EQT nur Durchschnitt © Mercedes

Bei der Reichweite setzt Mercedes also keine neuen Maßstäbe und auch der Verbrauch klingt eher nach Durchschnitt: 19,0 kWh auf 100 Kilometer soll der EQT verbrauchen, nicht unüblich für die Fahrzeugklasse. Zum Vergleich: Der Peugeot e-Rifter braucht für 100 Kilometer 19,6 kWh. Natürlich werden die realen Verbrauchswerte deutlich höher liegen, gerade mit der ganzen Großfamilie und Gepäck an Bord. Gewissheit liefert bald der ADAC Ecotest.

AC-Laden ist standardmäßig mit 22 kW möglich. Diese Ladeleistung gibt es bei vielen Herstellern nur gegen Aufpreis. An öffentlichen Ladesäulen in der Stadt lässt sich der EQT so in zweieinhalb Stunden von 0 auf 100 Prozent bringen. Für den praktischen Nutzen im Alltag ein Argument. Auch die Platzierung des Lademoduls unter dem Mercedesstern an der Front erleichtert Stromtanken etwa bei eng und parallel geparkten Autos in der Stadt.

DC-Laden ist hingegen nur mit maximal 80 kW möglich, deutlich weniger als das technisch Machbare. Gerade für längere Reisen mit der Familie ist das Schnellladetempo allerdings entscheidend, weswegen diese auch mit dem EQT wie mit allen anderen Hochdachkombis (noch) nicht wirklich entspannt möglich sein werden. Schade eigentlich, hier hat Mercedes die Chance verpasst, endlich einen langstreckentauglichen Hochdachkombi zu lancieren und sich damit von der Konkurrenz abzuheben.

Innenraum: Mix aus digital und analog

Bedienkonzept und Design gleicht der T-Klasse bis auf die letzte Schraube, das heißt auch, dass es noch viele haptische Elemente gibt © Mercedes-Benz AG

Von den am Konzept-EQT verbauten versenkten Türgriffen, den schwungvollen LED-Lichtleisten an Front und Heck und den aerodynamischen Felgen ist beim Serienmodell nichts mehr zu sehen. Die Schiebetüren geben nun eine 61 Zentimeter breite Öffnung frei, sodass auch die beiden Einzelsitze in der dritten Reihe gut zugänglich sein sollen. Die Ladekante liegt mit 56 Zentimetern Höhe recht tief.

Das digitale MBUX-Infotainmentsystem ist seit 2018 bei Mercedes en vogue, als es in die A-Klasse Einzug hielt. Wie bekannt, sind die kleinen Touchflächen am Lenkrad nicht optimal zu bedienen. Bei rein zufälliger Berührung werden Einstellungen geändert, die man gar nicht verändern wollte. Keine gute Lösung also. Gut dagegen, dass es eine separate Klimaeinheit mit analogen Drehreglern gibt, die gewohnt und verwechslungsfrei zu bedienen sind.

Sehr praktisch ist, das sich die Sitze in der dritten Reihe umklappen oder auch ganz entfernen lassen. Als Anhängelast sind 1500 Kilogramm (gebremst) möglich. Das Platzangebot ist gut, in der zweiten Reihe fühlt man sich nicht eingeengt und angenehm untergebracht. Eine Version mit längerem Radstand ist für die zweite Jahreshälfte 2023 angekündigt.

Mit kräftigem Punch: So fährt der Mercedes EQT

Wie alle Elektroautos surrt auch der EQT flott davon. Und die Stille des Stromers ist in einem Fahrzeug wie diesem noch angenehmer, weil die Verbrenner hier sonst für gewöhnlich etwas lauter sind als in B-Klasse und Co. Nimmt man den Fuß vom Gas, rollt der EQT munter aus und wird im besten Fall sogar zum Segler. Es sei denn, man legt den Automatikhebel zur Seite und drückt ihn zwei Stufen nach unten. Dann rekuperiert die E-Maschine mit bis zu 43 kW, und der Kleinbus lässt sich über lange Strecken mit einem Fuß fahren.

Auch der kräftige Punch der E-Maschine tut dem EQT gut, erleichtert das Überholen und bringt ihn weiter nach vorn. Nur auf der Autobahn geht ihm dafür umso schneller die Puste aus: Denn mehr als 134 km/h lässt die Elektronik mit Rücksicht auf die Reichweite nicht zu. Aber das ist bei der Konkurrenz auch nicht anders – ein Argument mehr, dass der EQT eher in die Stadt gehört als auf die Langstrecke.

Camper: Mercedes Concept EQT Marco Polo

Die Sonderversion des EQT will Platz für zwei Liegeflächen und das nötige Campingequipment bieten © Mercedes-Benz AG

Noch befindet er sich in der Konzeptphase, doch sicher ist jetzt schon: Den Mercedes EQT wird es auch als speziell angefertigte Campingversion geben. Der elektrische Microcamper schafft dafür durch ein ausfahrbares Faltdach so viel Platz, dass Erwachsene aufrecht darin stehen, kochen und abspülen können. Auf zwei Liegeflächen, eine im Dach und eine im Fond, können zwei Personen und eventuell noch ein Kind schlafen.

Ein Solarpanel auf dem Dach liefert am Campingplatz oder der lauschigen Waldlichtung Strom für die Geräte an Bord, die Batterie wird auf diese Weise geschont. Alle Campingeinbauten sind vollständig ausbaubar, der EQT kann also außerhalb der Urlaubszeit seinen Dienst als Alltagsauto leisten. Bei der nicht gerade großzügig bemessenen Reichweite und der dürftigen DC-Ladeleistung braucht es allerdings eine gute Routenplanung im Voraus. Einen Preis hat Daimler für die Sonderausfertigung noch nicht genannt. Sicherlich dürfte sie aber deutlich über 55.000 Euro liegen.

Der Preis ist hoch

Denn schon der EQT in Standardlänge kostet mit der Basisausstattung 49.000 Euro. Kein Pappenstiel, zumal die Stellantis-Konkurrenz durch die Bank günstiger zu haben ist: Der e-Dobló kostet mit identischer Reichweite etwa nur 39.990 Euro. Fraglich, ob sich dieser Preisunterschied nur mit der etwas edleren Ausstattung rechtfertigen lässt.

Text: Thomas Geiger, Wolfgang Rudschies, Gabriel Kroher

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