BYD Seal U: Harte Konkurrenz für VW ID.4 und Co.

Mit dem Seal U dringt der chinesische Hersteller BYD nun auch in das hochlukrative Segment der Kompakt-SUV vor. Muss sich die Konkurrenz aus Europa warm anziehen? Testfahrt, Daten, Preis.
Bis zu 500 Kilometer Reichweite
Zum Marktstart nur mit Frontmotor
Infotainment mit Selfie-Kamera
Bei BYD geht es Schlag auf Schlag. Zwar haben die Chinesen erst im letzten Herbst ihren Europastart verkündet und in Deutschland sogar erst im Frühjahr mit dem Verkauf begonnen. Doch schon jetzt stehen bei ihnen vom handlichen Dolphin bis zum edlen Tang vier rein elektrische Modelle in den Showrooms.
Und noch in diesem Herbst kommen die nächsten zwei dazu: Die auf das Tesla Model 3 zugeschnittene Limousine Seal und der Seal U, der als SUV für die gehobene Kompaktklasse gegen Modelle wie den VW ID.4, den Škoda Enyaq, den kommenden Peugeot 3008 Elektro oder den neuen Ford Explorer antritt und damit das aktuell mit Abstand wichtigste Segment bespielt.
Langer Radstand, großer Kofferraum

Für Schätzpreise ab etwa 50.000 Euro gibt es dann für die Lücke zwischen dem knapp 45.000 Euro teuren Atto3 und dem Tang für 71.400 Euro ein für den Start in Europa frisch geliftetes SUV von 4,79 Metern Länge. Bei 2,75 Metern Radstand bietet er auch in der zweiten Reihe noch genügend Platz und mit neigbaren Rückenlehnen obendrein viel Komfort für die Hinterbänkler.
Der Kofferraum hinter der elektrischen Klappe fasst samt dem Souterrain im doppelten Boden 570 Liter und kann auf bis zu 1449 Liter erweitert werden. Da kann man auch den Verzicht auf einen Frunk verschmerzen, der dem in China alternativ angebotenen Verbrenner für die Plug-in-Version zum Opfer gefallen ist.
Bildergalerie: BYD Seal U







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Keine Abstriche macht BYD dagegen beim Ambiente: Genau wie der Seal wirkt auch der Seal U deshalb betont nobel, fühlt sich überall fein und vornehm an und leistet sich – zum Beispiel um den Wählhebel fürs Getriebe – den gleichen Zierrat aus Bleikristall-Imitat wie BMW bei Siebener & Co. Dazu gibt es eine großflächige Ambientebeleuchtung in den Türen sowie im teilweise transparenten Cockpit. Das Infotainment des Seal U ist, wie so oft bei Autos aus China, ziemlich verspielt und bietet neben einem drehbaren XXL-Tablet vor der Mittelkonsole samt Selfie-Kamera auch ein Karaoke-Mikrofon.
218-PS-Elektromotor und 175 km/h Spitze

Als freundliche Familienkutsche ist der Seal U im Gegensatz zur Limousine mehr auf Entspannung getrimmt denn auf Sport: Er wirkt weich und hat eine starke Lenkunterstützung, nimmt den Fahrer früh aus dem Geschehen und hat ausgesprochen defensive Assistenzsysteme, die mit reichlich Geblinke und Gebimmel auf sich aufmerksam machen. Damit reiht er sich ein in die Phalanx der elektrischen SUVs, in denen Autofahren kein Selbstzweck mehr ist, sondern in denen es nur noch ums Ankommen geht.
Auch der Antrieb im Seal U ist deshalb eher nüchtern: Erst einmal gibt es nur einen Frontmotor, der mit 218 PS zwar vollkommen ausreicht, die Fuhre in etwas mehr als neun Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 bringt und bei 175 km/h wieder ausgebremst wird. Doch haben die Chinesen schon angedeutet, dass sie auch über einen zweiten Motor nachdenken, weil Allradantrieb für ein SUV in dieser Klasse offenbar doch kein Schaden ist.
BYD Seal U: Blade-Akku mit 72 oder 87 kWh

Der ganze Stolz der Entwickler sind ohnehin die Akkus. Denn wie alle Stromer aus Shenzhen kommt der Seal U mit jener ominösen Blade-Batterie, die BYD zum Champion bei E-Autos machen soll. Ihre Zellen sind nicht rund oder prismatisch, sondern dünn und lang wie die Klingen eines Messers und erstrecken sich im Unterboden über nahezu die gesamte Fahrzeugbreite.
Das erhöht nicht nur die Sicherheit und senkt die Kosten, sondern es erlaubt auch eine sehr kompakte und vor allem flache Batterie, die obendrein zum integralen Bestandteil der Plattform wird und so die Steifigkeit erhöht und im Gegenzug das Gewicht senkt.
Angeboten werden die Akkus im Seal U in zwei Konfigurationen: mit 72 oder 87 kWh für bestenfalls 500 Kilometer Reichweite, wobei zum Beispiel die Wärmepumpe für eine temperaturstabile Streckenkalkulation serienmäßig an Bord ist.
Nur beim Laden ist der BYD nicht an vorderster Front dabei: Am Wechselstrom sind 11 kW das Maximum und am Schnelllader gibt es je nach Version nur 115 bis 140 kW – da ist die Konkurrenz zum Teil deutlich besser.
Zehn Prozent Marktanteil in Deutschland

Ja, kein anderer Hersteller hat so schnell eine so breite Palette ausgerollt. Doch das vielleicht wichtigste Segment haben sie bislang noch nicht besetzt: "Wer es schafft, ein für die breite Masse erschwingliches und trotzdem alltagstaugliches Elektroauto nach Europa zu bringen, der kann den Markt dominieren", ist Brian Yang aus der Europazentrale in Amsterdam überzeugt und muss darauf womöglich nicht mehr lange warten.
Denn in China hat BYD in der Ozean-Serie unterhalb von Seal und Dolphin bereits den Seagull am Start, der bis zu 300 Kilometer Reichweite bietet und in der Basisversion umgerechnet trotzdem keine 10.000 Euro kostet. Selbst wenn er auf dem Weg nach Westen mit mehr Schnickschnack und vor allem mehr Sicherheit noch einmal 50 Prozent teurer werden sollte, könnte damit auch die Prognose von Deutschlandchef Lars Pauly aufgehen: "Wir trauen uns mittelfristig zehn Prozent Marktanteil unter den Elektroautos zu."
Text: Thomas Geiger
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