BYD Seal U im Test : Wo das Elektro-SUV noch schwächelt

Mit dem Seal U will der chinesische Hersteller BYD die etablierten Marken auch in der Mittelklasse in Bedrängnis bringen. Das Elektro-SUV glänzt durch eine ordentliche Reichweite und seinen edlen Anspruch bei einem akzeptablen Preis. Wo ist der Haken?
BYD Seal U mit sehr guter Ausstattung
Schwächen bei Verbrauch und Reichweite
Günstiger Preis: Testwagen ab 44.990 Euro
Bei BYD geht es Schlag auf Schlag. Zwar sind die Chinesen erst seit Anfang 2023 in Deutschland präsent, doch schon jetzt stehen bei ihnen vom handlichen Dolphin über das kompakte SUV Atto 3 bis zum edlen Tang sieben rein elektrische Modelle in den Showrooms.
Seit Februar 2024 kann man den BYD Seal U kaufen, der als SUV für die Mittelklasse gegen Modelle wie VW ID.4, Škoda Enyaq, BMW iX3, den Peugeot 3008 Elektro oder den Nissan Ariya antritt und damit das Segment der elektrischen Familien-SUVs bespielt.
BYD Seal U: Elektro-SUV zum fairen Preis

Und das zu einem attraktiven Preis: Die Basisversion ("Comfort") mit 72-kWh-Akku kostet 41.990 Euro und bringt bereits eine sehr üppige Ausstattung mit elektrisch verstellbaren Kunstledersitzen, Panoramaglasdach und 360-Grad-Kamera mit. Natürlich ist auch eine Wärmepumpe an Bord und sämtliche Assistenzsysteme, die derzeit en vogue sind.
Für 44.990 Euro ist die vom ADAC getestete zweite Version ("Design") erhältlich. Sie hat dann sogar eine 87-kWh-Batterie, ein Head-up-Display, ein Infinity-Soundsystem mit zehn Lautsprechern und kabellose Aufladeflächen für zwei Smartphones. Zum Vergleich: Ein Nissan Ariya kostet 9000 Euro mehr und ist schlechter ausgestattet.
Wer jetzt glaubt, das müsse auf Kosten der Qualität gehen, liegt falsch. Die Details zeigen, dass sich die Entwickler sehr bemüht haben: Der Kofferraum ist zum Beispiel mit feinem Stoff ausgekleidet, und wer nicht wüsste, dass die Sitze aus Kunst- statt aus echtem Leder bestehen, würde es nicht merken. Die Türen schließen mit einem satten Plopp und reichen bis unter den Schweller, damit dieser nicht verschmutzt und die Hose beim Einsteigen sauber bleibt.
Innenraum mit edlem Ambiente

Keine Abstriche macht BYD zudem beim Ambiente: Genau wie der Seal wirkt auch der Seal U betont nobel, fühlt sich überall hochwertig an und leistet sich – zum Beispiel um den Wählhebel fürs Getriebe – den gleichen Zierrat aus Bleikristall-Imitat wie BMW bei Siebener und Co. Dazu gibt es eine großflächige Ambiente-Beleuchtung in den Türen sowie im Cockpit. Das kann sich alles mehr als sehen lassen.
Negativ fallen allenfalls die scharfkantigen Gussgrate in den Türfächern sowie der bereits nach 4000 Kilometern stark fusselnde Bodenteppich auf.
Klar, dass auch der Seal U den BYD-typischen, um 180 Grad drehbaren XXL-Bildschirm hat, der in der Basis 12,8 Zoll groß ist und beim Topmodell stolze 15,6 Zoll misst. Dieser nimmt Toucheingaben in den meisten Fällen ohne Verzögerung an und überzeugt mit einer durchaus schnell erlernbaren Menüführung.
Schwächen offenbart die Bedienung dadurch, dass wichtige Grundfunktionen im Anzeigekonzept nicht dauerhaft hervorgehoben werden (Shortcuts auf oberster Bedienebene für Navigation, Radio etc.) oder sie – wie im Falle der Sitzheizung – in einem Untermenü versteckt sind.
Dass sich unter dem Punkt "Intensität der Energierückmeldung" zwei verschiedene Rekuperationsstufen verbergen (die sich kaum voneinander unterscheiden), muss man sich genauso merken wie den "Modus der Bereichsanzeige". Den sollte man stets auf "dynamisch" stellen, denn nur so passt sich die Reichweitenanzeige, die damit gemeint ist, auf die jeweilige Fahrweise an.
"Standard" hat dagegen wenig Sinn, denn dann zeigt der Wagen die verbliebenen Restkilometer an, wenn man wie beim Prüfstandszyklus WLTP fahren würde – doch das macht ja keiner im realen Leben.
Bildergalerie: BYD Seal U








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Durchschnittlich großer Kofferraum
Mit 4,79 Metern Länge ist der Seal U klar der Mittelklasse zuzuordnen – und damit dem klassischen Segment der Familienautos. Vorn ist viel Platz vorhanden, sowohl gefühlt wie auch gemessen. Der Fahrersitz lässt sich für bis zu 1,95 Meter große Menschen zurückschieben, über dem Scheitel ist dann noch eine Handbreit Luft.
Hinten geht es knapper zu: Zwar würde die Beinfreiheit selbst für über 2,10 Meter große Fondpassagiere reichen, wenn die Vordersitze für 1,85 Meter große Menschen eingestellt sind. Doch ab 1,85 Metern Körpergröße mangelt es an Kopffreiheit.
Der Kofferraum hinter der elektrischen Klappe fasst laut BYD 552 bis 1440 Liter. Nach der ADAC Messmethode ohne doppelte Böden und Fächer bleiben davon noch 320 bis maximal 1370 Liter übrig, was für ein SUV dieser Größe nicht sonderlich üppig ist. Befindet sich der höhenverstellbare Ladeboden in der oberen Position, lassen sich rund 35 Liter nach unten hin abtrennen. Unter dem Kofferraumboden stehen weitere 15 Liter Volumen zur Verfügung.
Einen Frunk, wie ihn die Limousine Seal zu bieten hat, gibt es für den Seal U leider nicht. Der ist dem Verbrenner für die Plug-in-Version zum Opfer gefallen, die in Deutschland ab 38.900 Euro zu haben ist.
Schwächen im ADAC Ausweichtest

Als freundliche Familienkutsche ist der Seal U im Gegensatz zur Limousine mehr auf Entspannung getrimmt denn auf Sport. Er wirkt weich, am besten passt eine gemütliche Fahrweise. Sportliche Ambitionen treibt das chinesische SUV dem Menschen am Steuer schnell aus: Im Kapitel Fahrstabilität kann der BYD Seal U nicht überzeugen und zeigt deutliche Schwächen.
Den ADAC Ausweichtest besteht das SUV nicht. Mit den geforderten 90 km/h ist es nicht möglich, den Pylonenkurs zu durchfahren, ohne einzelne Hütchen umzukegeln. Das ausgeprägte Untersteuern, die gefühllose Lenkung, die starken Wankbewegungen und das entkoppelte Fahrgefühl sorgen dafür, dass man mehr Passagier als Dirigent hinter dem Lenkrad ist. In echten Notsituationen kann das fatal enden.
Auch die Traktion des Fronttrieblers lässt stark zu wünschen übrig. Obwohl der E-Motor an der Vorderachse mit 160 kW/218 PS nicht übermäßig stark ist, neigen die Vorderräder auf nasser Straße bei vollem Leistungseinsatz selbst bei knapp unter 100 km/h zum Durchdrehen. Der mechanische Grip ist außergewöhnlich schlecht. Hinzu kommt, dass die Antriebsschlupfregelung im Gegensatz zu vielen anderen Stromern deutlich träger und verhaltener arbeitet.
Artgerecht bewegt, genießen die Insassen den flüsterleisen Innenraum. Zumindest so lange, bis die Assistenzsysteme mit Geblinke und Gebimmel auf sich aufmerksam machen.
Ja, vieles lässt sich zumindest bis zum Neustart abschalten oder abmildern, doch beim Überschreiten des aktuellen Tempolimits lässt es sich die Stimme aus dem Off leider unter keinen Umständen nehmen, darauf hinzuweisen. Das kann nerven. Und warum zeigt die Tempolimitanzeige im Display hinter dem Lenkrad einen anderen Wert an als die im Navibildschirm? Suchen Sie sich was aus. Überraschend gut funktioniert dagegen die Sprachsteuerung.
Die Infotainment-Ausstattung ist umfangreich ausgefallen. Zum Testzeitpunkt war für den Seal aber keine Laderoutenplanung verfügbar, die für ein effizientes und stressfreies Reisen unerlässlich ist.
Wie gut sind die Fahrleistungen?
Das Datenblatt des Seal U weist eher unspektakuläre Werte auf. Es gibt nur einen Antrieb mit Frontantrieb, der mit 218 PS aber vollkommen ausreicht, das SUV in etwas mehr als 9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 bringt und bei 175 km/h wieder ausgebremst wird. Was mäßig klingt, fühlt sich im Alltag besser an – rein subjektiv beschleunigt der Seal U erheblich schneller als auf dem Papier.
Wie bei jedem E-Auto ist die Kraft spontan und verzögerungsfrei abrufbar. Nur ein kurzer Tritt auf das rechte Pedal, und es geht zügig voran. Den Überholvorgang von 60 auf 100 km/h erledigt der Seal U jedenfalls in flotten 4,6 Sekunden, von 80 auf 120 km/h vergehen 6,3 Sekunden.
Die Chinesen haben angedeutet, dass sie auch über einen zweiten Motor nachdenken, weil Allradantrieb für ein SUV in dieser Klasse offenbar doch kein Schaden ist. Wann er kommt, steht aber noch nicht fest.
BYD Seal U: 1300 Kilo Anhängelast

Mit dem Wohnwagen elektrisch in den Urlaub? Das ist grundsätzlich möglich, doch hier sollte man sich auf ein kleines Anhängsel beschränken. 1300 Kilogramm Anhängelast sind kein Top-Wert, aber zumindest hat der Seal U eine Anhängelast. Das ist immer noch nicht selbstverständlich bei Elektroautos (siehe Artikel Anhängelast bei Elektroautos).
Der ganze Stolz der Entwickler sind die Akkus. Denn wie alle Stromer aus Shenzhen kommt der Seal U mit jener so genannten Blade-Batterie, die BYD zum Champion bei E-Autos machen soll. Ihre Zellen sind nicht rund oder prismatisch, sondern dünn und lang wie die Klingen eines Messers und erstrecken sich im Unterboden über nahezu die gesamte Fahrzeugbreite.
Das erhöht nicht nur die Sicherheit und senkt die Kosten, sondern es erlaubt auch eine sehr kompakte und vor allem flache Batterie, die obendrein zum integralen Bestandteil der Plattform wird und sowohl die Steifigkeit erhöht wie auch im Gegenzug das Gewicht senkt. Umstrittene Metalle wie Zink oder Kobalt seien in der Batterie nicht verbaut, heißt es seitens des Herstellers.
425 Kilometer Reichweite im Test
Angeboten werden die Akkus im Seal U in zwei Konfigurationen: mit 72 oder 87 kWh für 430 und 500 Kilometer Reichweite nach WLTP. IM ADAC Test blieben davon beim größeren Akku angesichts des Ecotest-Verbrauchs von relativ hohen 22,2 kWh/100 km (inklusive Ladeverluste) 425 Kilometer übrig. Das ist ein praxistauglicher Wert, der aber nur bei sommerlichen Temperaturen und zurückhaltender Fahrweise erreicht wird.
ADAC Reichweitenrechner
BYD Seal U Design 160 kW (218 PS)
-10
30
50
130
Berechnete Reichweite
485km
(Reichweite laut Hersteller: 500 km)
Auch beim Laden ist der BYD nicht an vorderster Front dabei: Am Wechselstrom (AC) sind 11 kW das Maximum. Und an der Schnellladesäule fällt die Ladeperformance des BYD Seal U im Konkurrenzumfeld unterdurchschnittlich aus. Für den Ladehub von 10 auf 80 Prozent der Akku-Kapazität benötigt er beim ADAC Test unter idealen Bedingungen 41 Minuten. Die maximale Ladeleistung von rund 140 kW kann der Seal lediglich bis 40 Prozent halten, danach fällt die Ladekurve stark ab.
Ein weiterer Minuspunkt ist die fehlende Akkukonditionierung, mit der sich die Batterie bei Kälte für eine bessere Ladeperformance auf Temperatur bringen ließe. Immerhin lassen sich über die Antriebsbatterie des Seal U im Stand auch externe Geräte betreiben ("Vehicle-to-load"), falls mal keine Steckdose greifbar ist.
Fazit: Eher durchwachsen

Mit dem Seal U zeigt die Marke jedenfalls einmal mehr, wie angriffslustig sie ist. Hohe Qualität, feines Ambiente und dazu eine brauchbare Reichweite bei einem vergleichsweise günstigen Preis – das sind gute Argumente, wie auch die guten Garantiebedingungen. Sechs Jahre oder 150.000 Kilometer auf das gesamte Fahrzeug, acht Jahre oder 200.000 Kilometer auf die Antriebsbatterie und acht Jahre oder 150.000 Kilometer auf Leistungselektronik und Elektromotor sollen Vertrauen schaffen.
Dafür muss man allerdings die schlechte Traktion, unterdurchschnittliche Fahreigenschaften, die ablenkungsstarke Bedienung, den recht hohen Stromverbrauch und lange Ladezeiten in Kauf nehmen.
Lesen Sie hier den ausführlichen Test des BYD Seal U Design als PDF
BYD Seal U: Technische Daten, Preis
Technische Daten (Herstellerangaben) | BYD Seal U Design (ab 02/24) |
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Motorart | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 160 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 218 |
Drehmoment (Systemleistung) | 330 Nm |
Antriebsart | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 9,6 s |
Höchstgeschwindigkeit | 175 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 500 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 20,5 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 87,0 |
Ladeleistung (kW) | AC:7,0-11,0 DC:140,0 |
Kofferraumvolumen normal | 552 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.440 l |
Leergewicht (EU) | 2.147 kg |
Zuladung | 410 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 1.300 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 6 Jahre oder 150.000 km |
Länge x Breite x Höhe | 4.785 mm x 1.890 mm x 1.668 mm |
Grundpreis | 46.490 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | BYD Seal U Design |
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Überholvorgang 60 – 100 km/h | 4,6 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 36,6 m |
Wendekreis | 11,6 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 22,2 kWh/100 km, 111 g CO₂/km (well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | **** |
Reichweite | 425 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 65,9 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 2160 / 397 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 320 / 780 / 1370 l |
ADAC Testergebnis
ADAC Testergebnis | BYD Seal U Design (ab 02/24) |
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Karosserie/Kofferraum | 2,8 |
Innenraum | 2,8 |
Komfort | 2,4 |
Motor/Antrieb | 1,2 |
Fahreigenschaften | 3,4 |
Sicherheit | 2,2 |
Umwelt/EcoTest | 1,9 |
Gesamtnote | 2,3 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
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