Testfahrt BYD Seal: Mit Blade-Akku ein echter Tesla-Jäger

Frontansicht eines fahrenden BYD Seal
Sieht gut aus: Der elektrische BYD Seal © BYD

Der BYD Seal kommt im vierten Quartal 2023 nach Deutschland. Mit attraktivem Design, hoher Reichweite und günstigem Preis. Mit einem speziellen "Blade-Akku" wird er zum echten Tesla-Jäger. Erste Testfahrt. Preis: ab 47.150 Euro

  • Zwei Antriebe: 230 kW/313 PS oder 390 kW/530 PS

  • Wahlweise mit Heck- oder Allradantrieb

  • Reichweite: 520 oder 570 km (WLTP)

Der Wettlauf um die Spitzenposition bei Elektroautos geht auf die Zielgerade. Auch der chinesische Autohersteller BYD setzt nun in Deutschland auf volle Attacke: Bis Ende des Jahres 2023 wird BYD fünf verschiedene Elektroautos bei uns anbieten. Ein solches Tempo bei Markteinführungen ist in der Automobilindustrie einzigartig.

Seit April 2023 stehen der BYD Han, eine große Elektrolimousine der Oberklasse, der BYD Tang, ein nicht weniger hochpreisiges Elektro-SUV, sowie der Atto 3, ein 4,46 Meter langes Elektroauto für rund 45.000 Euro zum Verkauf. Preisgünstiger ist der Dolphin (4,29 Meter), der ab etwa 35.000 Euro zu haben ist und 2024 in einer günstigeren Variante kommen soll.

BYD Seal konkurriert mit Tesla Model 3

Als Krönung der Neueinführungen kann der BYD Seal gelten – eine 4,80 Meter lange, sehr sportliche E-Limousine der Mittelklasse, die gegen Kaliber wie das Model 3 von Tesla und den Polestar 2 antreten soll. Die Heckantriebsvariante des Seal stellt eine Leistung von 230 kW/313 PS, die Allradversion 390 kW/530 PS zur Verfügung. Beides ist absolut auf Augenhöhe mit dem Tesla Model 3.

Der Preis des Seal ist für das Gebotene sehr attraktiv: Zum Basispreis von 47.500 Euro vor Förderung ist die Limousine zu haben. Und dann bereits mit 82-kWh-Akku! Die leistungsstarke Topversion mit Allrad ist ab 53.600 Euro zu haben.

BYD ist übrigens alles andere als ein Newcomer. Der Hersteller baut die weltweit konkurrenzfähigsten Akkus im Fahrzeugbereich, außerdem massenhaft Elektrolinienbusse für den ÖPNV. Mit dem riesigen Heimatmarkt China im Rücken hat sich BYD den Titel des führenden Herstellers von Elektro-Pkw erarbeitet. Nun ist Europa an der Reihe, erobert zu werden. Ob das gelingt?

Bilder: BYD Seal mit Blade-Akku

Der Schlüssel zum Erfolg hängt wesentlich mit der neuartigen Akku-Technologie zusammen, die BYD im Seal einsetzt. Beim Batteriematerial setzt BYD auf konventionelles Lithium-Eisen-Phosphat. Das Besondere sind die Bauweise sowie das Format der "Blade"-Batteriezellen, ähnlich einer Holzlatte: 96 Zentimeter lang, 9 Zentimeter hoch und 1,35 Zentimeter dick.

Dieses Format eröffnet neue Möglichkeiten, was das sogenannte Packaging der Zellen betrifft: Die Blade-Zellen dienen als struktureller Pfeiler der Konstruktion und sind sehr eng gepackt im Gehäuse. Im Inneren der Zellen befindet sich eine wabenartige Struktur aus Aluminium, die von hochfesten Paneelen auf der Ober- und Unterseite zusammengehalten werden. Diese Form verbessert die Kühleffizienz und die Vorwärmleistung, so BYD.

Die Blade-Zellen werden eng gepackt

Der Akku-Pack ist nicht nur vergleichsweise flach und eng bepackt, er führt auch zu einer extrem hohen Steifigkeit der Karosserie. Der Hersteller nennt diese Bauweise "Cell-to-Body", im Gegensatz zur herkömmlichen "Cell-to-pack"-Bauweise. Der Raumgewinn führe zu einer zehn Prozent höheren Energiedichte. Nickel und Kobalt sind in der Batterie übrigens nicht verbaut.

Der Blade-Akku des BYD Seal enthält eine Energiekapazität von 82 kWh. Das reicht, bezogen auf die Basisversion, für einen Aktionsradius von immerhin bis zu 570 Kilometer (nach WLTP). Die Basisversion des Tesla Model 3 kommt "nur" 493 Kilometer weit.

BYD Seal: In 3,8 Sekunden von null auf 100

Heckansicht eines fahrenden BYD Seal
Bei Bedarf äußerst schnell: Der BYD Seal mit Allradantrieb© BYD

Batterie und Reichweite sind das eine. Das andere sind die Fahrleistungen und das Fahrverhalten, wenn man Tesla schlagen will. Bei der Höchstgeschwindigkeit lässt BYD dem Tesla kampflos den Vortritt: 225 km/h und 261 km/h steht für das Model 3 im Datenblatt, der BYD Seal dagegen regelt jeweils schon bei 180 km/h ab. Doch für ein E-Auto ist der Unterschied im Alltag unerheblich.

In der Beschleunigung ist der Basis-Seal etwas schneller: 5,9 (BYD) zu 6,1 Sekunden (Tesla) lauten die Werte für die Heckantriebsversionen mit nur einem E-Motor. Bei den Performance-Modellen mit Allrad und zwei Motoren geht das Papier-Duell mit 3,8 zu 3,3 Sekunden zugunsten von Tesla aus. Am Heck des Seal prangt neben der Modellbezeichnung stolz ein "3.8 s". Und damit ist nicht der Hubraum gemeint, wie Fahrer von Verbrennerautos meinen könnten, sondern die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h!

Testfahrt im Seal mit 390 kW/530 PS

Dabei bringt der Seal auch die 530 PS spielend leicht und sicher auf den Asphalt, wie eine erste Testfahrt eindrucksvoll gezeigt hat. Selbst bei regennasser Fahrbahn und spontanem Pedaltritt Richtung Bodenblech verlieren weder die Reifen ihre Haftung noch gerät das Auto ins Schlingern. Dank der schlauen Regelung zur Fahrstabilität fliegt der elektrische Seal wie von einem überdimensionalen Katapult abgeschossen und schnurgerade zur 100-km/h-Marke. Absolut beeindruckend, welche Power der Chinese bereitstellt! Wozu braucht es da noch einen Lotus oder Lamborghini?

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Das Fahrwerk ist wider erwarten nicht zu hart abgestimmt, sondern so komfortabel, wie man es sich von einem Familienauto wünscht. Denn eigentlich will der Seal ja auch eine "ganz normale" Limousine sein mit entsprechendem Alltagsanspruch. Wer vom Tesla Model 3 kommt, dürfte sich allerdings eine etwas direkter ausgelegte Lenkung wünschen, VW-Passat-Fahrer sollten aber nichts vermissen.

Bemerkenswert ist, wie leise der Seal fährt. Die Stufenheck-Limousine ist sehr gut gedämmt, Motorgeräusche sind kaum wahrnehmbar. Auch von Wind- oder störenden Abrollgeräuschen werden die Insassen verschont. Keine Frage: Der Seal kann nicht nur extrem schnell, sondern auch sehr komfortabel.

Nicht alles ist gut gelungen

Er kann aber auch nerven. Und zwar zum einen durch seine komplexe Bedienung mit sehr vielen Einstellmöglichkeiten über den großen Mittelbildschirm, der sich – sehr pfiffig! – auf Knopfdruck je nach Präferenz von vertikal nach horizontal drehen lässt.

Herausfordernd sind dabei die teils schlechten Übersetzungen, sodass der Fahrer oder die Fahrerin in manchen Bildschirmmenüs nicht so genau versteht, was hier eigentlich einzustellen ist. Oder wüssten Sie auf Anhieb, dass sich über "Intensität der Energierückmeldung" die Rekuperation (in zwei Stufen) verstellen lässt, was mit "Modus der Bereichsanzeige" gemeint ist oder dem "wirbelnden Einstellen" des Head-up-Displays?

Und wer auch nur einen km/h zu schnell fährt, sieht sich einem Dauer-Plinggeräusch ausgesetzt sowie von einer zusätzlichen Stimme aus dem Off gemaßregelt. Ganz abstrus wird es, wenn im großen Display ein anderes Tempolimit steht als im kleinen hinter dem Lenkrad und sich das Auto auf das definitiv Falsche einschießt.

Hier braucht es fraglos mehr Feinschliff, was auch für die Assistenzsysteme gilt. Die sind zahlreich an Bord, arbeiten aber teils zu grob (Spurhalteassistent) und nicht immer zuverlässig (Verkehrszeichenerkennung).

Seal mit Wärmepumpe und V2L-System

Seitenansicht eines stehenden BYD Seal
Elegant: Der BYD Seal erstreckt sich auf 4,80 Meter Länge© BYD

Zurück zu den Qualitäten als Elektroauto. Die Ladeleistung an der Wallbox beträgt dreiphasig 11 kW, an der Schnellladesäule nimmt sich der Seal maximal 150 kW. Wie konstant hoch die Ladeleistungen an der DC-Säule bleiben, wird sich noch zeigen. Möglicherweise aber muss die Ladung mit zunehmendem Füllstand der Lithium-Eisen-Phosphat-Zellen im Prozess weniger stark gedrosselt werden, als das bei den Lithium-Nickel-Mangan-Akkus der Fall ist.

Darüber hinaus ist der Seal serienmäßig mit einem hocheffizienten Wärmepumpensystem ausgestattet, das gleichermaßen die Innenraum- wie auch die Akku-Temperatur kontrolliert. Auch eine Vehicle-to-Load-Funktion (V2L) für externe Elektrogeräte ist serienmäßig.

Kofferraum: 402 plus 53 Liter

Aufbewahrung in der Front des BYD Seal
Unter der Fronthaube gibt es einen Frunk als zusätzlichen Stauraum© BYD

Die Platzverhältnisse in der Kabine sind dank 2,90 Metern Radstand großzügig. So viel Beinfreiheit wie im Seal gibt es in nur wenigen Mittelklasse-Autos. Auch der Platz über den Köpfen der Fondpassagiere ist tadellos.

Der Kofferraum fasst nach Herstellerangabe aber eher bescheidene 402 Liter und leidet zudem darunter, dass er nicht über eine große Heckklappe zugänglich ist, sondern über eine weniger praktische Ladeluke wie bei einem gewöhnlichen Stufenheck-Auto. Das ist beim Tesla Model 3 aber auch nicht anders. Gut also, dass es vorn unter der Haube einen zusätzlichen Frunk von 53 Litern Volumen gibt.

Die Materialien im Innenraum fallen sehr hochwertig aus. Ob feines Alcantara oder die weichen Kunststoffoberflächen – man fasst hier alles gern an. Das große Panoramadach bringt viel Licht in den Innenraum. Auf der Rückbank finden sich gut zugängliche Isofixpunkte für Kindersitze. Zahlreiche Ablageflächen, eine induktive Ladestation für zwei Mobiltelefone sowie beheiz- wie kühlbare Vordersitze runden das Angebot ab.

Over-the-Air-Software-Updates per 4G-Verbindung sind selbstverständlich. An Assistenzsystemen sind der Heckkollisions- und Querverkehrswarner sowie das prima Rundum-Kamerabild als Einparkhilfe erwähnenswert. Im Konfigurator sind vier Standard- und zwei Sonderlackfarben sowie sechs verschiedene Farbwelten für den Innenraum wählbar.

Fazit zum BYD Seal

Der BYD Seal ist nicht nur ein optisch attraktives Angebot in der Mittelklasse. Seine Fahrleistungen sind formidabel, der Komfortanspruch ist hoch, die Ausstattung top. Die Reichweite sowieso. Mehr Sorgfalt sollten die chinesischen Entwickler aber bei den Assistenzsystemen walten lassen und sich intensiver um passende Begrifflichkeiten in den Menüs des Touchscreen bemühen. Das würde noch mehr Vertrauen in die neue Marke bringen.

Bei der Garantie sind die Chinesen jedenfalls schon gut aufgestellt: sechs Jahre bis 150.000 Kilometer auf das Auto und acht Jahre oder 200.000 Kilometer auf die Batterie (Garantiefall ab 70 Prozent Leistung) sind ein Wort. Kaufen kann man BYD-Modelle 2024 an rund 100 Standorten in Deutschland – meist bei BMW- und Mercedes-Händlern, die BYD als Zweitmarke anbieten. Auch das sollte Vertrauen schaffen.

BYD Seal: Technische Daten und Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

BYD Seal Design (ab 12/23)

BYD Seal Excellence AWD (ab 12/23)

Motorart

Elektro
Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

230
390

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

313
530

Drehmoment (Systemleistung)

360 Nm
670 Nm

Antriebsart

Hinterrad
Allrad

Beschleunigung 0-100km/h

5,9 s
3,8 s

Höchstgeschwindigkeit

180 km/h
180 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

570 km
520 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km
0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

16,6 kWh/100 km
18,2 kWh/100 km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

82,5
82,5

Ladeleistung (kW)

DC:150,0
DC:150,0

Kofferraumvolumen normal

400 l
400 l

Leergewicht (EU)

2.055 kg
2.185 kg

Zuladung

446 kg
446 kg

Anhängelast ungebremst

n.b.
n.b.

Anhängelast gebremst 12%

n.b.
n.b.

Garantie (Fahrzeug)

6 Jahre oder 150.000 km
6 Jahre oder 150.000 km

Länge x Breite x Höhe

4.800 mm x 1.875 mm x 1.460 mm
4.800 mm x 1.875 mm x 1.460 mm

Grundpreis

44.990 Euro
50.990 Euro

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