Green NCAP 2022/23: Die Ökobilanz von 33 aktuellen Automodellen

In Sachen Umwelt haben es Autokäufer jetzt etwas leichter: Green NCAP bewertet die Umweltfreundlichkeit von Autos. 2022 wurden die Mess- und Bewertungskriterien noch verschärft: Die ersten 33 Modelle im Test.
Fünf Sterne: Dacia, Tesla, Nio, Renault, Cupra, Audi, Hyundai
Benziner und Diesel schneiden schwach ab
Mit interaktivem Tool: Lebenszyklusanalyse (LCA)
Plus: Liste mit 61 Modellen von 2020/21
Die Initiative Green NCAP (New Car Assessment Programme) bewertet seit 2019 die Umweltfreundlichkeit von Pkw nach einheitlichen und zukunftsorientierten Standards – nach dem Vorbild des ADAC Ecotest. Schwerpunkte für die Green-NCAP-Sternewertung sind die Schadstoffemissionen, der Kraftstoff- bzw. Energieverbrauch und die klimaschädlichen Treibhausgase.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Green NCAP?

Green NCAP ist eine Initiative von Euro NCAP, eine Organisation, die seit Jahren die Sicherheitsstandards von Autos testet und bewertet. Der ADAC ist Mitglied im internationalen Testkonsortium und überprüft auf seinen Anlagen seit zwei Jahrzehnten die Sicherheit von Pkw. Vergleichbares soll nun bei der Umweltfreundlichkeit von Autos geschaffen werden. Der ADAC bringt sich mit seinen langjährigen Erfahrungen aus dem ADAC Ecotest intensiv in der Green-NCAP-Arbeitsgruppe ein. Ausführliche Informationen zum Projekt und den Test- und Bewertungsverfahren finden Sie auch auf der Green-NCAP-Homepage*.
Die bei Green NCAP durchgeführten Testprozeduren teilen sich auf in einen Teil mit Abgasmessungen im Labor und einen Teil mit Abgasmessungen auf der Straße (RDE, Real Driving Emissions). Bei den Labortests werden neben den Standard-Abgaskomponenten Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (HC), Stickoxide (NOₓ), Partikelanzahl (PN10) und Partikelmasse (PM) auch nicht limitierte Schadstoffe wie Ammoniak (NH₃) und Lachgas (N₂O) gemessen und bewertet.
Neues Test- und Bewertungsverfahren

2022 wurden für die Labortests verschärfte Prozeduren entwickelt, basierend auf dem aktuellen Abgasmessverfahren WLTP (Worldwide harmonized Light-Duty Test Procedure) und dessen neuem Prüfzyklus WLTC (Worldwide harmonized Light-Duty Test Cycle), im Fall von Green NCAP WLTC+ genannt, weil er u.a. mit dem vom ADAC Ecotest übernommenen Autobahnzyklus BAB130 über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht.
Neu ist seit 2022 ein zweistufiger Ansatz für die Tests. Dreimal müssen alle Testautos auf den Prüfstand und einmal auf die Straße. Nur die Autos, die in diesen Basistests in jeder der drei Kategorien mindestens 3,5 von zehn Punkten und zudem im Durchschnitt mindestens fünf Punkte holen, müssen sich auch noch vier weiteren Tests stellen, um die Robustheit ihrer guten Leistung unter Beweis zu stellen.
Dann trennt ein WLTC-Zyklus bei minus 7 Grad Celsius die Spreu vom Weizen: Nur Fahrzeuge mit einer äußerst robusten Abgasnachbehandlung haben eine Chance, diesen Test zu bestehen. Zudem geht es noch drei weitere Male auf die Straße. Eine hohe Zuladung und sportliche Fahrweise sowie Tests mit möglichst sparsamer Fahrweise oder auch eine Stausimulation runden die zweite Teststufe 2022 ab.
Und ganz wichtig: Ab diesem Jahr zählen auch die Treibhausgasemissionen, die für die Bereitstellung der Energie (also Kraftstoff, Gas, Wasserstoff oder elektrischer Strom) anfallen (Well-to-Wheel-Basis WTW).
Schon seit Anfang 2022 neu sind die zusätzlichen Ergebnisse der Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA), in denen die tatsächlichen Umweltauswirkungen der Autos über ihre gesamte Lebensdauer ermittelt werden. Diese Beurteilungen fließen zwar (noch) nicht in die Sternewertung ein, sind aber für die Fahrzeuge bei Green NCAP* einzeln abrufbar.
Ökocheck 2022/23: 33 Modelle im neuen Test
Nach dem neuen Green-NCAP-Verfahren 2022 wurden bisher 33 Modelle getestet, darunter 23 Benzinermodelle (sechs davon mit Mild-Hybridantrieben, drei mit Voll-Hybridantrieb, eines als Plug-in-Hybrid sowie ein Flex-Fuel-Modell), drei Dieselmodelle und sieben Elektrofahrzeuge.
Das Ergebnis ist wie beim Euro-NCAP-Crashtest eine einfach nachvollziehbare Bewertung mit bis zu fünf Sternen (Bestwertung) für jedes Auto. Zusätzlich zur Sternebewertung werden Fahrzeuge nach den Schadstoffen (Clean Air Index), dem Kraftstoff-/Energieverbrauch (Energy Efficiency Index) sowie den Treibhausgasen (Greenhouse Gases) bewertet. Alle Detailergebnisse sind auch über die Homepage des Green NCAP* abrufbar.
Green NCAP: Drei Elektroautos ganz vorne

Sieben Fahrzeuge im Testfeld 2022 konnten sich bisher die vollen fünf Sterne sichern – alle mit Elektroantrieb: Der Dacia Spring setzt dabei mit 9,9 Punkten neue Maßstäbe und erreicht das beste Ergebnis, gefolgt vom Tesla Model 3 mit 9,8 Punkten, aufgrund geringer Abzüge durch den höheren Verbrauch bei kalten minus 7 Grad Celsius.
Audi Q4 e-tron, Nio eT7, Renault Mégane E-Tech und Cupra Born erzielen je 9,6 Punkte, negativ fallen bei ihnen ebenfalls die hohen Verbräuche bei kalten minus 7 Grad Celsius auf, beim Audi zusätzlich im Autobahntest. Der Hyundai Ioniq 5 erzielt 9,4 Punkte. Abstriche gibt es auch bei ihm für die hohen Verbräuche im Autobahnzyklus und bei minus 7 Grad Celsius.
Die reinen Benzinfahrzeuge sammeln sich im Mittelfeld. Nur der Genesis GV70 als schweres SUV mit starkem Motor rutscht in der Bewertung ab und erreicht nur einen Stern. Besonders der hohe CO₂-Ausstoß belastet die Bewertung dabei sehr, in der Kategorie für Treibhausgase holt der Luxusableger aus dem Haus Hyundai/Kia daher keine Punkte.

Knapp besser mit 1,5 Sternen schneidet der Subaru Outback ab. Vor allem ein hoher Verbrauch und zu viel CO₂-Emissionen kosten den stark motorisierten Allrad-Kombi viele Punkte. Ebenfalls nur 1,5 Sterne erzielt der DS4 mit deutlichem Verbesserungspotenzial bei Emissionen und Verbrauch, insbesondere im Autobahnzyklus.
Bestes Benzinermodell im Test ist der Toyota Aygo X mit drei Sternen. Sein Kraftstoffverbrauch ist stark von der Fahrweise abhängig und liegt zwischen drei und sieben Litern pro 100 Kilometer. Das Abgasreinigungssystem arbeitet überwiegend gut, Optimierungen bei der Partikelreduzierung sowie bei kalten Umgebungstemperaturen könnten das Ergebnis weiter verbessern.
Die gleichen Schwächen zeigt der Škoda Fabia 1.0. Auch er erzielt insgesamt drei Sterne und überzeugt mit einem niedrigen Kraftstoffverbrauch zwischen 3,9 und 6,0 l/100 km. Ebenfalls drei Sterne erzielt der Kia Picanto 1.0, der deutliche Schwächen bei den Partikelemissionen aufweist sowie einen hohen CO₂-Ausstoß insbesondere im Autobahnzyklus.
Trotz aerodynamisch ungünstigem Aufbau sichern sich der Volkswagen Caddy und der Renault Kangoo mit jeweils 2,5 Sternen solide Bewertungen. Der Kangoo weist dabei vor allem eine sehr gute Abgasreinigung auf. Abstriche muss der Testwagen hingegen bei den Treibhausgasen hinnehmen. Der VW Caddy kann ausgeglichener in den drei Testkategorien punkten. Am meisten Probleme hat der Wolfsburger dabei mit Verbräuchen zwischen sieben und acht Litern pro 100 Kilometer und ebenfalls hohen CO₂-Emissionen.
Der Seat Ibiza 1.0 TSI erzielt ebenfalls 2,5 Sterne und zeigt Verbesserungspotenzial bei der Abgasreinigung sowie beim Verbrauch, insbesondere unter anspruchsvolleren Bedingungen.
Der Peugeot 208 als reiner Benziner kommt auf zwei Sterne. Dem Franzosen gelingt vor allem die Reinigung von Partikeln eher mäßig. Bei den CO₂-Emissionen schneidet er ähnlich schlecht ab wie die anderen Autos mit Verbrennungsmotor. Auch die T-Klasse von Mercedes und der VW Touran erreichen aufgrund deutlicher Abstriche durch den hohen Kraftstoffverbrauch lediglich zwei Sterne.
Der Ford Puma Flexifuel ist das erste Modell im Test, dass sowohl mit Benzin als auch mit Ethanol (E85) betrieben werden kann. Drei Sterne mit E85 und 2,5 Sterne im Benzinbetrieb, zeigen den positiven Einfluss von Ethanol auf die Treibhausbilanz.
Drei Dieselmodelle sind im bisherigen Testfeld vertreten: Als Bester erreicht hier der Opel Mokka 1.5 drei Sterne. Deutliches Verbesserungspotenzial gäbe es bei den NOₓ-Emissionen bei kalten Temperaturen sowie bei Kurzstreckenfahrten. Der Genesis G70 Shooting Brake schafft im Vergleich zu seinem SUV-Pendant immerhin zwei Sterne. Doch auch der lange und flache Aufbau hat stark mit CO₂-Emissionen zu kämpfen. Zudem wird bei zwei der Tests im Labor zu viel N₂O ausgestoßen, was die Gesamtbewertung für Treibhausgase schrumpfen lässt.
Der Land Rover Range Rover D350 erreicht lediglich 1,5 Sterne. Dem relativ guten Abschneiden bei den Abgasemissionen steht ein hoher Kraftstoffverbrauch gegenüber.
Nicht alle Hybrid-Modelle sind sehr sauber
Die Marke Lynk & Co tritt mit dem Modell 01 als Plug-in zum ersten Mal bei Green NCAP an und holt respektable 3,5 Sterne. Auffällig sind lediglich erhöhte Partikel sowie Probleme mit CO₂-Emissionen.
Mit dem HR-V von Honda, dem Yaris Cross von Toyota und dem Hyundai Tucson traten zudem die ersten Voll-Hybriden im Jahr 2022 an. Seine 3-Sterne-Bewertung verdankt der HR-V vor allem einer guten Abgasreinigung, die im Schnitt fast drei Viertel der Punkte holt. Schwächen leistet sich das SUV hingegen beim Verbrauch und den Autobahntests. Der Toyota liegt auf ähnlichem Niveau, bietet aber noch Verbesserungspotenzial bei den Partikelemissionen. Der Hyundai Tucson weist dagegen deutliche Schwächen im Abgasverhalten und einen hohen Kraftstoffverbrauch auf. Er erreicht daher nur zwei Sterne.
Auch sechs Mild-Hybridmodelle sind bei Green NCAP im Jahr 2022/23 vertreten: BMW 220i Active Tourer, Ford Focus, Kia Sportage und Hyundai Bayon mit einem 48-V-System sowie Fiat 500 und Nissan Qashqai mit kleinem 12-V-System. Mit 2,5 Sternen schneiden die Modelle von BMW, Ford, Hyundai und Nissan dabei nicht besser ab als der Renault Kangoo oder VW Caddy, die jeweils gänzlich ohne Hybridsystem an den Start gehen. Der BMW zeigt insbesondere Schwächen bei den Ammoniak-Emissionen NH₃ sowie einen hohen CO₂-Ausstoß insbesondere im Autobahnzyklus.
Partikel gehören zu den größten Problemen des Bayon, sowohl auf dem Prüfstand als auch auf der Straße. Bei der Energieeffizienz kann das Mild-Hybridsystem etwas helfen. Der Focus zeigt ebenfalls Schwächen im Abgasverhalten, insbesondere bei niedrigen Temperaturen und unter Last.
Der Nissan zeigt dagegen ein ausgewogenes Abgasverhalten, aber Schwächen im Kraftstoffverbrauch, und der Fiat 500 kommt mit drei Sternen etwas besser weg. Ein Partikelfilter könnte eine deutliche Verbesserung im Abgasverhalten liefern.
Der Kia Sportage erreicht lediglich zwei Sterne. Auch hier gibt es Abstriche durch das schlechtere Abgasverhalten bei kalten Umgebungstemperaturen und im Autobahnzyklus sowie durch den hohen Kraftstoffverbrauch.
Abrufbar: Die Lebenszyklusanalyse (LCA)
Um die Klimawirkung der verschiedenen Antriebsarten ehrlich beurteilen zu können, müssen aber alle relevanten Energieaufwendungen über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs berechnet werden. Dazu gehören die Treibhausgasemissionen, die bei Fahrzeugherstellung und -recycling entstehen, und alle Emissionen, die bei der Bereit- und Herstellung des Kraftstoffs oder Stroms frei werden (Well-to-Tank) sowie bei der Fahrzeugnutzung (Tank-to-Wheel).
Neben Kohlendioxid (CO₂), das vor allem bei der Verbrennung fossiler Energieträger anfällt, sind auch Methanemissionen (CH₄), die beispielsweise bei der Förderung von Erdgas entstehen, und Lachgas (N₂O) aus dem Anbau von Biomasse relevant.
Green NCAP hat jetzt in einem ersten Schritt die geschätzten Gesamtlebenszyklus-Treibhausgasemissionen und den Primärenergiebedarf für alle getesteten Autos berechnet. Für die vergleichende Betrachtung wird eine nominelle Fahrzeuglebensdauer von 16 Jahren und eine Gesamtfahrleistung von 240.000 Kilometern angenommen. Die Berechnungen basieren auf der aktuellen Prognose über den sich ändernden durchschnittlichen Energiemix der EU-Staaten.
Für jedes der getesteten Modelle werden die Prozesskette und das Ergebnis in einem individuellen LCA-Factsheet* zusammengefasst.
Neu: Die interaktive LCA-Plattform
Um den Verbrauchern die Möglichkeit zu bieten, die tatsächlichen Umweltauswirkungen eines Fahrzeugs während seines gesamten Lebenszyklus zu verstehen, wurde eine interaktive LCA-Plattform entwickelt.
Mithilfe des Tools können die Verbraucher den Energiebedarf und die Treibhausgasemissionen eines Fahrzeugs über den gesamten Lebenszyklus ermitteln und verschiedene Modelle und Antriebsarten miteinander vergleichen. Dabei können die Vergleichsparameter an die lokalen und persönlichen Gegebenheiten angepasst werden, hierzu zählen jährliche Fahrleistung und Strommix. Je nach Bedarf und Bedingungen können bis zu drei Fahrzeugmodelle miteinander verglichen werden.
Das LCA-Tool bietet auch die Möglichkeit, den ökologischen Fußabdruck des Fahrzeugs in verschiedenen europäischen Ländern zu untersuchen, und zeigt die Vorteile eines höheren Anteils an erneuerbarem Strom auf.
Durch die Anbindung an die ADAC Autodatenbank stützt sich die interaktive LCA-Plattform auf eine große Datenbank mit über 30.000 Modellen, für die eine "eigene LCA" berechnet werden kann. Für die von Green NCAP getesteten Fahrzeuge kann zusätzlich die LCA auf Basis der realistischeren Kraftstoff- und/oder Energieverbrauchswerte aufgezeigt werden.
Das Tool richtet sich an Verbraucher, die die Nachhaltigkeit ihres Fahrzeugs im Zusammenhang mit ihrem Wohnort und ihrer langfristigen Nutzung in Betracht ziehen, sowie an Wissenschaftler, Industrie und Gesetzgeber und stellt einen echten Schritt in Richtung eines globalen Umweltbewusstseins in Bezug auf klimaschädliche Emissionen und die Lebenszyklusenergie dar, die für die Herstellung umweltfreundlicher und nachhaltiger Fahrzeuge erforderlich ist.
Die deutsche Version der interaktiven LCA-Plattform ist auf dieser Green-NCAP-Website* verfügbar.
Wichtig zu wissen
Aktuell berücksichtigt die Ökobilanz von Green NCAP die relevantesten Umweltaspekte. Andere Umweltwirkungen von Schadstoffemissionen wie NOₓ, SO₂, Feinstaub und deren Folgewirkungen wie Versauerung, Ozonbildung und Toxizität für den Menschen werden jedoch nicht erfasst.
Auch die Lebenszyklusauswirkungen eines Verkehrssystems auf den Wasserbedarf, die Verschmutzung des Wassers oder des Bodens, der Flächenverbrauch und Lärm werden noch nicht in die Bewertung einbezogen.
So sauber waren die Modelle 2020/21
Wegen des geänderten Test- und Bewertungsverfahrens sind frühere Testergebnisse nicht direkt mit denen der aktuell getesteten Fahrzeuge vergleichbar. Doch aussagekräftig sind deren Resultate natürlich trotzdem.
Fachliche Beratung: Andrea Gärtner, Luis Kalb, ADAC Technikzentrum
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