Ab Werk dabei
Tacho-Betrug bei vielen Autos ab Werk vorbereitet
Laut Analyse von ADAC und Uni Magdeburg sind Fahrzeuge unzureichend gegen Manipulation geschützt. Die Autohersteller verzichten auf neueste Sicherheitstechnik. Dadurch entsteht den Gebrauchtwagenkäufern allein in Deutschland jedes Jahr ein Schaden in Höhe von sechs Milliarden Euro.
Automobilhersteller unternehmen seit Jahren zu wenig gegen Tacho-Betrug, obwohl es problemlos möglich wäre, ihre Fahrzeuge wirksamer zu schützen. Mehr noch: Viele Autos sind bereits ab Werk für Manipulationen „vorbereitet“, da die im Einsatz befindliche Elektronik nur unzureichend abgesicherte Software-Funktionen beinhaltet und demzufolge keinen adäquaten Schutz bietet. Das ermöglicht es den „Tacho-Tricksern“ vielfach erst, mit frei erhältlichen Manipulationsgeräten den Kilometerstand eines Autos einfach und schnell zu verändern.
Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Multimedia and Security“ der Universität Magdeburg haben im Rahmen einer vom ADAC beauftragten Studie Fahrzeug-Elektronik eines Audi Q7, einer Mercedes E-Klasse W 211 und eines VW Passat B6 untersucht. Die Forscher fanden dabei heraus, dass es in der Elektronik mangelhaft geschützte Software-Funktionen gibt, die von den Betrügern später für ihre Manipulationen genutzt werden.
Schutz wird nicht genutzt
Laut ADAC hätten es “Tacho-Trickser“ deutlich schwerer, wenn Autoproduzenten und Zulieferer so genannte "Back doors" ("Hintertüren") schließen und aktuelle Sicherheitstechnik einsetzen würden. Besonders erstaunlich: Entsprechende Technologien wie SHE (Secure Hardware Extension) oder HSM (Hardware Secure Modules) sind bereits heute teilweise in den Steuergeräten der Fahrzeuge vorhanden, aber nicht aktiviert.
Ein Grund für die mangelnde Sicherung des Kilometerzählers könnte sein, dass gelegentlich erforderliche Werks-Probefahrten der Hersteller vor der Fahrzeugauslieferung „gelöscht“ werden, um dem Kunden ein „ungefahrenes“ Neufahrzeug übergeben zu können. Weitere Praxistests des ADAC haben zudem ergeben, dass sich neben den in der Studie untersuchten Fahrzeugen auch bei vielen weiteren Modellen der Kilometerstand in Sekundenschnelle und ohne Ausbau des Tachos manipulieren lässt. Außerdem werden laut Insidern offenbar gebrauchte Kombi-Instrumente "refurbished", also aufbereitet und mit auf Null gestelltem Kilometerstand als Ersatzteile verkauft. Das Sicherheitsproblem ist also herstellerübergreifend.
Laut Polizei beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden durch Tachomanipulation auf etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr. Dem gegenüber würde es nur etwa drei Millionen Euro kosten, um die drei Millionen jährlich in Deutschland verkauften Neuwagen wirksam gegen Betrug zu schützen. Pro Auto bedeutet dies etwa einen Euro Aufpreis. Bisher wurde der Wert eines Gebrauchtwagens vor allem anhand von Alter und Laufleistung geschätzt. Im Zuge der Digitalisierung mit immer komplexeren Bordsystemen sollen diese Ansatzpunkte durch bessere Beurteilungskriterien ersetzt werden. Die Universität Magdeburg arbeitet deshalb in einem mehrjährigen Projekt an Methoden, mit denen sich der Zustand moderner Autos zuverlässiger bestimmen lässt.