Alfa Romeo Junior: Ein neuer Herzensbrecher?
Den Alfa Romeo Junior gibt es als Hybrid oder mit vollelektrischem Antrieb. Die erste Testfahrt mit dem Alfa Junior Veloce fand auf einer Rennstrecke statt: Mit der 280 PS starken Elektro-Topversion. Bilder, Technik, Preise und die erste Bewertung.
Mildhybrid mit 100 kW, vollelektrisch mit 115 oder 207 kW
Ibrida (Hybrid) ab 29.500 Euro, Elettrica ab 39.500 Euro
Getestete Topversion Veloce ab 48.500 Euro
Angekündigt wurde das erste vollelektrisch angetriebene Auto von Alfa Romeo als "Milano". Aber die Modellbezeichnung wurde durch die italienische Regierung verhindert. Sie pochte darauf, dass ein Fahrzeug mit dem Namen Milano auch in Italien gebaut werden müsse. Das wird es aber nicht, Konzernmutter Stellantis lässt den Wagen im polnischen Tichy fertigen. Nun heißt das Auto kurzerhand Junior – ein nahezu ikonischer Modellname, wenn man in die Historie von Alfa Romeo eintaucht.
Umso gespannter blicken wir auf das neue Alfa-Modell, auch vor dem Hintergrund, dass es auf dem hart umkämpften Markt der kleinen und kompakten Elektro-SUVs schon etliche etablierte Konkurrenten gibt.
So muss der Alfa Romeo Junior nicht nur dem sportlich-eleganten Stil italienischen Karosserie-Designs entsprechen, er muss auch ein wirkliches sportliches Herz (cuore sportivo) zeigen, um zu überzeugen. Nur ein weiteres Angebot in der Flut von Neuerscheinungen auf immer der gleichen technischen Stellantis-Plattform zu sein wäre sicher zu wenig.
Kann der Alfa Romeo Junior diesen hohen Erwartungen genügen? Die erste Testfahrt mit der 280 PS starken Topversion gibt Aufschluss.
Die Plattform des Alfa Junior
Bei der technischen Plattform des Junior konnten die Italiener in das mit 14 Marken prall gefüllte Stellantis-Konzernregal greifen, gaben dem kleinen SUV aber ein eigenständiges Blechkleid. Vor allem die Front mit den schmalen LED-Tagfahrlichtern und dem Alfa-typischen Grill ist sportlich und unverwechselbar gestaltet. Optische Individualität tut auch Not, denn unter dem Blech teilt sich der Alfa Junior den elektrischen Antriebsstrang grundsätzlich mit zahlreichen Konzernbrüdern wie Opel Mokka, Jeep Avenger, DS 3 E-Tense, Fiat 600e oder dem jüngst präsentierten Lancia Ypsilon.
280-PS-Variante: Mehr Power für Alfa
Highlight im Antriebsprogramm des Alfa Junior ist zweifellos die Elektro-Topversion Veloce, dessen fortentwickelte E-Maschine aus dem Konzern (ursprünglich war von lediglich 240 PS die Rede) nun 207 kW/280 PS Leistung an den Start bringt. Das im unteren Drehzahlbereich verfügbare Drehmoment von 345 Nm hat es beim Junior Veloce mit einem Leergewicht von nur 1590 Kilogramm zu tun. Ein vergleichbarer Volvo EX30 zum Beispiel wiegt leer 250 Kilogramm mehr.
Der Gewichtsvorteil zahlt sich aus, wenn es um das Beschleunigungsvermögen, aber auch um das Fahrverhalten generell geht. Das war bei der Testfahrt auf abgesperrter Strecke deutlich zu spüren. Dazu kommt die Feinarbeit, die die Alfa-Ingenieure in Bezug auf das Fahrwerk, die Bremsen und die Lenkung geleistet haben. Dabei wirkt das Fahrverhalten auch im Grenzbereich jederzeit gut beherrschbar, sodass sich beim Fahrer schon nach wenigen Kilometern großes Vertrauen einstellt, auch mal ein wenig schneller in die Kurve hineinzugehen. Und vehementer wieder aus der Kurve heraus zu beschleunigen.
Fahrwerk mit einer Besonderheit
Letzteres gelingt auch deshalb so gut, weil Alfa dem neuzeitlichen Junior – der auch in Topversion nur mit Frontantrieb arbeitet – ein Torsen-Differenzial an der Antriebsachse spendiert hat. Die Technik ist zwar altbekannt, aber bei einem Elektroauto dieser Fahrzeugklasse ein absolutes Novum. Das Differenzial verteilt die Kraft komplett mechanisch: Verliert ein Rad an Bodenhaftung, wird das überschüssige Drehmoment innerhalb von Sekundenbruchteilen zum gegenüberliegenden Antriebsrad geleitet. Für den Fahrer fühlt sich das an, als würde das Auto fest auf die Straße und in die Kurve "hineingesogen".
Das Fahrwerk ist insgesamt sportlich-straff ausgelegt, auch die Lenkung arbeitet sehr präzise und direkt. Die Bremsen lassen sich nicht nur gut dosieren, sie packen auch kräftig zu. Alfa nennt einen Bremsweg aus 100 km/h bis zum Stillstand von nur 33 Metern. Das gilt es natürlich bei einem kommenden Test noch zu überprüfen.
Nachteil der Fahrwerksabstimmung ist der leicht eingeschränkte Federungskomfort. So werden Querfugen und Unebenheiten der Fahrbahn eben nicht weggebügelt, sondern von den Insassen deutlich bemerkt. Alfisti sollten damit aber prima leben können.
Wenig Kniefreiheit, großer Kofferraum
Weg vom Fahren zu den Platzverhältnissen: Angesichts seiner Kleinwagen-gemäßen Länge macht der Kofferraum des Junior einen unerwartet geräumigen Eindruck. Alfa Romeo gibt das Gepäckvolumen mit 400 bis 1280 Liter (bei umgeklappten Rücksitzlehnen) an. Praktisch: Der Laderaumboden lässt sich in drei Höhen einstellen. Ist er ganz oben eingehängt, ergibt sich eine topfebene Ladefläche ohne Ladekante. Zusätzlich bietet der Junior einen Frunk (Fach unter der vorderen Haube) für das Ladekabel.
Kompromisse müssen auf der Rückbank Sitzende machen. Hier fällt der Knieraum für Erwachsene bescheiden aus. Haben deshalb die in den Testfahrzeugen installierten Sportsitze vorn jeweils zwei Löcher wie Schießscharten? Jedenfalls sind die Löcher in der Höhe der Kniescheiben platziert, sodass man dort ein wenig Freiraum gewinnt. Fahrer und Beifahrer vorn finden in den Sportsitzen auf jeden Fall einen guten Seitenhalt. Und das ist viel wichtiger für sportliche Autofahrerinnen und -fahrer.
Neue Tricks bei der Bedienung
Im Innenraum des Veloce-Topmodells blickt der Fahrer auf ein schickes Lenkrad mit Leder und Alcantara. Die Bedientasten am Lenkrad für Lautstärke, Senderwahl und dergleichen sind sinnig und geben beim Drücken haptisch eine Rückmeldung. Wer bei der Bedienung eines modernen Autos nicht nur auf dem Display herumtippen möchte, kann sich freuen. Unter dem verhältnismäßig kleinen Touchscreen offeriert der Junior eine Leiste von Schaltern, mit denen sich beispielsweise die Klimatisierung steuern lässt. Und erstmals ist ChatGPT als Sprachassistent in einem Alfa Romeo integriert, der mit "Hey Alfa" aktiviert werden kann.
Gut: Für die Bedienung der Sicherheitsassistenten lassen sich nach Belieben Shortcuts einrichten. Das Navigationssystem errechnet bei längeren Strecken automatisch passende Ladestopps für die Route und gibt die jeweils notwendige Ladedauer an. Wer will, kann sich einen zusätzlichen Zwischenstopp auf der Route bei einem Restaurant einplanen lassen: Im Menü kann man die Restaurantauswahl filtern nach griechischen, italienischen, türkischen oder auch verschiedenen arabischen Küchen. Warum ist darauf eigentlich vorher noch niemand gekommen?
Weniger gut ist es um die Materialqualität bestellt. So fällt der Blick am Armaturenbrett und an den Türen häufig auf billigstes Hartplastik. Anfassen möchte man es noch weniger. Aber das lässt sich halt an vielen Stellen nicht vermeiden. In diesem Punkt löst der kleine Romeo den Premium-Anspruch der Marke leider nicht ein.
Ausstattung und Marktstart
Was muss man sonst über den neuen Herzensbrecher von Alfa wissen? Zum Marktstart bieten die Italiener, ähnlich wie die kürzlich wiederbelebte Marke Lancia beim Ypsilon, zunächst ein Sondermodell an. Der Junior Speciale bietet Akzente in Mattschwarz und rollt serienmäßig auf 18 Zoll großen Alufelgen im Alfa-typischen Lochdesign zum Händler. Weitere Speciale-Features sind ein Fahrersitz mit Massagefunktion, eine elektrische Heckklappe und ein Keyless-Go-System.
Serienmäßig an Bord sind immer Voll-LED-Scheinwerfer, schlüssellose Motorstartfunktion mit zentral platziertem Startknopf und in der Basisversion des Elettrica eine Wärmepumpe. Das Bordladegerät ist nur einphasig ausgelegt, das heißt AC-Laden ist mit maximal 7,4 kW möglich. Die DC-Ladeleistung beträgt maximal 100 kW. Gegen Aufpreis ist ein klassisches Schiebedach für den Junior erhältlich.
Bestellt werden kann der Junior ab sofort. Das Händlernetz fällt mit bundesweit aktuell 75 Vertragspartnern nicht gerade üppig aus. Die Auslieferung erster Fahrzeuge ist für September avisiert, der Markstart der Topversion wird voraussichtlich am Ende des Jahres passieren.
Neuer Alfa Junior: Details in Bildern
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Alfa Romeo Junior: Daten und Preise
Die Preise beginnen bei 29.500 Euro für den Hybrid. Die Elektroversion in der Basis ist ab 39.500 Euro erhältlich. Das Elektro-Topmodell kostet 48.500 Euro (plus Extras). Das ist ein ziemlich stolzer Preis.
Konkurrenten des Alfa Romeo Junior sind zum Beispiel der Smart #1 (ab 37.490 Euro), der Volvo EX 30 (ab 39.790 Euro) oder – mit Abstrichen bei der Motorleistung – der Renault Megane E-Tech Electric (ab 35.600 Euro).
Technische Daten (Herstellerangaben) | Alfa Romeo Junior Ibrida 1.2 VGT 48V-Hybrid eDCT6 (ab 06/24) | Alfa Romeo Junior Elettrica 156 (ab 06/24) | Alfa Romeo Junior Elettrica 280 Veloce (ab 09/24) |
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Motorart | Otto (Mild-Hybrid) | Elektro | Elektro |
Hubraum (Verbrennungsmotor) | 1.199 ccm | - | - |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 100 | 115 | 207 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 136 | 156 | 280 |
Drehmoment (Systemleistung) | 230 Nm | 260 Nm | 345 Nm |
Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor) | 5.750 U/min | - | - |
Antriebsart | Vorderrad | Vorderrad | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 8,9 s | 9,0 s | 5,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 206 km/h | 150 km/h | 200 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | - | 410 km | n.b. |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 117 g/km | 0 g/km | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 5,2 l/100 km | 15,1 kWh/100 km | - |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 0,9 | 54,0 | 54,0 |
Batteriekapazität (Netto) in kWh | 0,4 | 51,0 | 51,0 |
Ladeleistung (kW) | - | AC:1,8-11,0 DC:100,0 | AC:1,8-11,0 DC:100,0 |
Kofferraumvolumen normal | 415 l | 400 l | 400 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.280 l | 1.265 l | 1.265 l |
Leergewicht (EU) | 1.380 kg | 1.620 kg | 1.635 kg |
Zuladung | 410 kg | 420 kg | 450 kg |
Anhängelast ungebremst | n.b. | - | - |
Anhängelast gebremst 12% | 1.100 kg | - | - |
Garantie (Fahrzeug) | 2 Jahre plus 3 Jahre Anschlußgarantie Maximum Care über FCA Germany AG | 2 Jahre plus 3 Jahre Anschlußgarantie Maximum Care über FCA Germany AG | 2 Jahre plus 3 Jahre Anschlußgarantie Maximum Care über FCA Germany AG |
Länge x Breite x Höhe | 4.173 mm x 1.781 mm x 1.539 mm | 4.173 mm x 1.781 mm x 1.532 mm | 4.173 mm x 1.781 mm x 1.505 mm |
Grundpreis | 29.500 Euro | 39.500 Euro | 48.500 Euro |
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