Mercedes GLE im Test: Wie gut ist der Oberklasse-SUV?

Front und Seitenansicht eines fahrenden Mercedes GLE
Groß, flott und durstig: Der Mercedes GLE 350 de© Mercedes

Mit dem Mercedes GLE will Daimler Maßstäbe setzen – bei Fahrkomfort, Antrieb und Fahrwerk. Im ADAC Test: Der inzwischen ausgemusterte GLE 350 d und der Plug-in-Hybrid GLE 350 de. Plus: Infos zum Facelift Mitte 2023, Daten, Verbrauch, Preise

  • Der GLE hat bis zu sieben Sitze und elektrisch verstellbare Fondsitze

  • Mit aktivem Fahrwerk stemmt sich der SUV gegen die Kurve

  • Überarbeitung des GLE Mitte 2023

Auf Knopfdruck erwärmt sich die Lehne in der Tür und selbst die Mittelarmlehne wird innerhalb weniger Sekunden mollig warm: Schalten Fahrer oder Beifahrer die Sitzheizung an, wärmt der Mercedes GLE nicht nur die Sitzfläche. Es sind diese kleinen Details, die den Oberklasse-SUV besonders machen.

Zum reinen Autofahren benötigt man das natürlich nicht – aber genau das ist es doch, was ein Luxusauto von einem reinen Fortbewegungsmittel unterscheidet. Im Juli 2023 kommt der leicht überarbeitete GLE zu den Händlern – siehe unten.

GLE mit elektronisch aktivem Fahrwerk

Silberner Mercedes GLE faehrt auf Strasse
Austauschbar: Von hinten wirkt der GLE wenig eigenständig© Mercedes

Mercedes ist besonders stolz auf das Allradsystem und die drei unterschiedlichen Fahrwerke. Als Basis dient eine Stahlfederung, optional bietet Mercedes das Luftfahrwerk Airmatic an (2142 Euro). Das hat der ADAC getestet. Es ist auf größtmöglichen Komfort ausgelegt, leidet aber unter der optionalen, 21 Zoll großen Mischbereifung mit kräftiger Breite: 275er Gummis vorn und 315er hinten machen optisch zwar was her, sind aber auch richtig schwer.

So bekommt die an sich sensibel ansprechende Federung die hohen ungefederten Massen nicht immer in den Griff und lässt den GLE auf kurzen Wellen oder Querfugen unbeholfen abrollen. Vor allem Kanaldeckel sind den ADAC Testern unangenehm aufgefallen: Hier versetzt die Hinterachse deutlich und macht einen spürbaren "Sidestep". So vergeudet der große Benz sein unbestritten riesiges Komforttalent, denn abgesehen davon ist man im GLE geradezu wie in Watte gepackt unterwegs.

Als erstes Mercedes-Modell fuhr der GLE bei seinem Marktstart aber auch mit einem elektronisch aktiven Fahrwerk vor, einer Kombination aus 48-Volt-Technik und Hydropneumatik. Dabei unterstützen vier hydraulische Pumpen bei Federungsspitzen die Luftfederung, minimieren Wank- und Nickbewegungen.

"Es ist ein vollaktives Fahrwerk und bei einem SUV sinnvoll, da es hier höhere Federwege von bis zu 200 Millimeter erreicht", sagt Chefentwickler Andreas Zygan. Mit 7735 Euro kostet es allerdings auch sehr viel Geld. 

Beim Fahren lassen sich die Modi wechseln, je nach Ausführung auch in den Modus Curve. Dann minimiert das System das Wanken in Kurven oder Bremsennicken, was sich aber auf den ersten Kilometern eher unangenehm anfühlt.

Eine Frontkamera überwacht permanent die Fahrbahn, schickt die Daten ans Steuergerät, das die hydraulischen Pumpen schnell ansteuert – und für den Belag richtig einstellt. Bodenwellen und Spurrillen frühstückt der GLE einfach weg. Insassen spüren schlechten Straßenbelag kaum.

GLE-Innenraum: Das Platzangebot ist immens

Mit 4,94 Meter Länge liegt der Mercedes in etwa auf dem Niveau seiner Konkurrenten BMW X5Audi Q7, Land Rover DiscoveryPorsche Cayenne und VW Touareg.

Je nach Position der zweiten Sitzreihe fast der Kofferraum nach ADAC Messungen zwischen 470 und 1865 Liter, die Rückbank lässt sich optional sechsfach elektrisch verstellen (1428 Euro). Zwei zusätzliche Sitze gibt es ebenso optional (1082 Euro). Dort sitzen nicht nur Kinder bequem, sondern auch Erwachsene bis 1,80 Meter Körpergröße.

Vorn finden selbst zwei Meter große Personen problemlos Platz, die Kopffreiheit würde auch noch für deutlich größere Menschen reichen. Das gilt genauso für die Fondpassagiere, die reichlich Platz vorfinden.

Der Mercedes GLE überzeugt auch offroad

Es ist aber nicht nur das Raumangebot, das den GLE zur E-Klasse unter den SUV macht, sondern auch Materialauswahl und Verarbeitungsqualität. Auf Wunsch lässt sich der Innenhimmel mit feinem Mikrofaser-Dinamica (1904 Euro) ausschlagen. Weiches Leder umhüllt die bequemen Sitze, die Doppelnähte ziehen sich gerade an den Kanten entlang und edles Alu umrandet Lüftungsdüsen und einige Schalter. Das sieht nicht nur edel aus, sondern fühlt sich auch hochwertig an. 

Dabei kann der GLE nicht nur schick, sondern auch zum Arbeitstier mutieren: Mit dem Offroad- (2261 Euro) und dem Airmatic-Paket zieht der SUV bis zu 3,5 Tonnen Anhängelast (Anhängevorrichtung 1142,40 Euro) aus dem Dreck, ein Assistent hilft dann beim Rangieren (416,50 Euro).

Mit dem vollvariablen Allrad und Untersetzungsgetriebe für die Sechs- und Achtzylindermotoren kraxelt der GLE selbst schwierige Passagen hinauf. Ein Freifahr-Modus schaufelt Schnee oder Sand durch Ändern des Fahrzeugniveaus unters Auto, damit die Räder wieder Traktion erreichen – und sich wieder frei buddeln können.

Im Test: GLE Diesel 350 d und 350 de

Silberner Mercedes GLE steht im Gelaende
Mehr Platz: Der Radstand ist um acht Zentimeter gewachsen© Mercedes

Dem ausführlichen ADAC Test musste sich der inzwischen aus dem Programm gefallene 350 d unterziehen (Test von 2019). Untermotorisiert ist der wahrlich nicht: Seine 272 PS katapultieren das Dickschiff in 6,6 Sekunden auf Tempo 100, die Spitze liegt bei 230 km/h. Schon ab 1200 Umdrehungen liegt das volle Drehmoment von 600 Nm an – beim Druck aufs Gas werden die Insassen spürbar in die Sitze gepresst.
Noch mehr beeindruckt die bemerkenswerte Laufruhe des Dieselmotors. Der Reihen-Sechszylinder ist einem V-Motor konzeptionell überlegen, was Vibrationen und Schwingungen angeht. Der Diesel läuft derart geschmeidig, dass man ihn nur als sympathisch grummelnden Begleiter irgendwo vorn im Motorraum wahrnimmt.

Testverbrauch 350 d: 8,4 l Diesel/100 km

Der Haken: Hohes Gewicht und hohe Leistung führen zu hohem Verbrauch. Die einfache Regel gilt auch für den 350 d. Im ADAC Ecotest kam der Mercedes auf einen Durchschnittsverbrauch von 8,4 Litern Diesel – das ist nicht wenig, zumal sich der Motor auf der Autobahn gemessene zehn Liter gönnt. Damit verbunden ist eine CO₂-Bilanz von 265 g/km, weshalb der Schwabe hier keinen einzigen von 60 möglichen Punkten im Ecotest erhält.

Punkten kann er bei den Schadstoffen. Die Emissionswerte liegen auf durchgehend niedrigem Niveau. Auch die Stickoxid-Emissionen hat Mercedes sehr gut im Griff. Das reicht für 50 Punkte und damit für insgesamt drei Sterne im ADAC Ecotest.

Was kann der Plug-in-Hybrid 350 de?

Und wie schlägt sich die Plug-in-Hybrid-Version GLE 350 de 4Matic im ADAC Test (Test von 2020)? Der Kofferraum ist genau so groß wie bei den reinen Verbrenner-Derivaten – das ist bei Plug-in-Hybriden eher die Ausnahme denn die Regel. Maximal 306 PS stellten der getestete Vierzylinder-Diesel mit 194 PS und der 136 PS leistende Elektromotor zusammen zur Verfügung. Inzwischen ist die Systemleistung leicht auf 235 kW/320 PS gestiegen. Wenn beide Motoren für Vortrieb sorgen, ist beim Prüfling die Beschleunigung von 60 auf 100 km/ in gut 4,3 Sekunden erledigt. Erst bei 210 km/h ist Schluss, fährt man rein elektrisch, liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 160 km/h.

ADAC Autotest: Das steckt hinter den Ergebnissen

Die ADAC Autotest-Ergebnisse beruhen auf akribischen Messungen: Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchen die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite.

Hoher Verbrauch, niedrige Schadstoffwerte

Soweit also alles gut. Doch bei den Kapiteln Verbrauch und Schadstoffe hagelt es schlechte Noten. Zwar sind im Elektrozyklus des ADAC Ecotest rund 80 Kilometer elektrische
Reichweite drin, ehe sich der Verbrenner zuschaltet. Der Stromverbrauch liegt dann aber bei bei hohen 32,6 kWh/100 km (inkl. Ladeverluste). Und im Hybrid-Modus mit annähernd leerer Batterie holt sich der Vierzylinder-Diesel durchschnittlich 8,1 Liter je 100 Kilometer aus dem Tank.

Dass die Emissionswerte des Dieselmotors durchgehend auf sehr niedrigem Niveau und deutlich unter den gesetzlichen Anforderungen liegen, kann das insgesamt schlechte Abschneiden des Plug-in-Benz auch nicht mehr abwenden. Weil der hohe Stromverbrauch im kombinierten Betrieb für eine CO₂-Bilanz von 209 g/km sorgt, reicht es am Ende nur für einen von fünf möglichen Sternen. Kein Ruhmesblatt für ein so aufwendiges Antriebskonzept.

Die Bedienung des Mercedes GLE lenkt ab

Zu den aktuellen Assistenzsystemen zählen unter anderem ein 45 x 15 Zentimeter großes, vollfarbiges Head-up-Display mit vielen Infos (1297,10 Euro), Multibeam-LED-Scheinwerfer (1547 Euro) und ein aktiver Stauassistent (im Fahrassistenz-Paket Plus für 2891,70 Euro). Das aus der A-Klasse bekannte Multimediasystem MBUX erweiterte Mercedes auf 12,3 Zoll und 40 neue Funktionen. Es lässt sich per Touchscreen, Geste oder Sprache bedienen. Navigations- und Verkehrshinweise werden in die Live-Bilder integriert (464,10 Euro).

Die Bedienstruktur des Infotainmentsystems erschließt sich einem zwar schnell, hier ist Mercedes ein großer Fortschritt gelungen. Die Handhabung mit den beiden Touchpads ist allerdings mühsam, da man nicht so zielgenau und schnell durch die Menüs navigieren kann wie mit dem Dreh-Drück-Steller aus dem Vorgängermodell. Dies hat zur Folge, dass man sich sehr konzentrieren muss, was zu langen Ablenkungszeiten führt. Gleiches gilt für den Bordcomputer bzw. die Funktionen des digitalen Kombiinstruments, das sich über die linke Touchfläche des mit Schaltern überfrachteten Lenkrads bedienen lässt.

Facelift 2023: Neues Gesicht, zusätzliche Technik

Front und Seitenansicht eines fahrenden Mercedes GLE nach Facelift
Mercedes GLE 2023 mit leicht modifizierter Front© Mercedes-Benz AG

Offensichtlichstes Zeichen der leichten Modellpflege für den GLE ist die Überarbeitung von Frontstoßfänger, Kühlergrill und Gitter.  Zudem ändert sich die Lichtsignatur der Scheinwerfer marginal, ebenso die Heckleuchten, die ein neues Innenleben erhalten. Abgerundet wird das Mini-Facelift mit zwei neuen Farben und neuen Rädern. Die aktuelle Lenkrad-Generation aus der S-Klasse mit Sensorflächen auf den Speichen zieht ebenso ein wie die neueste Version des Infotainment Systems MBUX. Zudem werden neue Offroad-Optionen angeboten. So können Steigung, Seitenneigung, Kompass und Lenkwinkel im Display dargestellt werden, gegen Aufpreis erlaubt die „transparente Motorhaube” einen virtuellen Blick auf den Fahrweg und mögliche Hindernisse.

Mercedes bietet weiterhin eine große Verbrenner-Vielfalt an, inklusive zweier potenter AMG-Versionen. Vier Benziner und drei Diesel stehen in den Preislisten, alle Motoren sind nun mit 48 Volt-Technik und integriertem Starter-Generator elektrifiziert. Mit dem Update verteuern sich die GLE-Modelle noch einmal deutlich. Teilweise kosten sie nun über 10.000 Euro mehr als bisher. Mercedes begründet das unter anderem damit, dass die von Kunden am häufigsten georderten Sonderausstattungen jetzt bereits serienmäßig an Bord sind.

Preise ab 85.055,25 Euro: Der GLE ist teuer

Die aktuelle Preisliste, die neben den üblichen Preiserhöhungen auch schon die bessere Ausstattung nach dem jüngsten Facelift spiegelt, startet daher bei unglaublichen 85.055,25 Euro mit dem Vierzylinder-Diesel GLE 300 d 4Matic mit Mildhybrid-Unterstützung mit jetzt 213 kW/289 PS. Darüber rangiert ein Sechszylinder-Diesel mit 285 kW/387 PS (GLE 450 d). Das Benziner-Angebot reicht vom GLE 450 4Matic für 95.455,85 Euro bis zum Mercedes-AMG GLE 63 S 4MATIC+ für mindestens 164.422,30 Euro. Und dann gibt es noch die zwei Plug-in-Hybride GLE 350 de 4Matic ab 87.435,25 Euro und GLE 350 e 4Matic ab 93.063,95 Euro. Ein billiges Vergnügen ist es also nicht, GLE zu fahren.

Hier können Sie den ausführlichen Testbericht zum nicht mehr angebotenen Mercedes GLE 350 d 4Matic als PDF herunterladen
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Hier können Sie den ausführlichen Testbericht zum Mercedes GLE 350 de 4Matic als PDF herunterladen
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Mercedes GLE: Technische Daten, Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

Mercedes GLE 350 d 4Matic

Mercedes GLE 350 de 4Matic*

Motor

Sechszylinder-Turbodiesel, 2925 cm³, 200 kW/272 PS, 600 Nm Drehmoment

Vierzylinder-Diesel-Hybrid, 1950 cm³, 225 kW/306 PS, 700 Nm Drehmoment

Fahrleistungen

6,6 s auf 100 km/h, Spitze 230 km/h

6,8 s auf 100 km/h, Spitze 210 km/h

Verbrauch (nach WLTP)

7,9 l Diesel/100 km, 189 g CO₂/km

0,7 l Diesel/100 km, 29 g CO₂/km

Maße

L 4,92 / B 1,95 / H 1,77 m

L 4,92 / B 1,95 / H 1,77 m

Kofferraum

690 – 2010 l

690 – 1915 l

Leergewicht

2235 kg

2655 kg

Preis

(wird nicht mehr angeboten)

ab 87.435,25 Euro

* getestetes Modell, Leistung jetzt 245 kW/333 PS

ADAC Messwerte

ADAC Messwerte (Auszug)

Mercedes GLE 350 d 4Matic

Mercedes GLE 350 de 4Matic

Überholvorgang 60-100 km/h

4,3 s

4,3 s

Bremsweg aus 100 km/h

33,0 m

33,2 m

Wendekreis

12,2 m

12,2 m

Verbrauch / CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest

8,4 l Diesel/100 km, 265 g CO₂/km (well-to-wheel)

2,7 l Diesel/100 km + 22,5 kWh/100 km;

rein elektrisch: 32,6 kWh/100 km;

im Hybridmodus mit leerer Batterie: 8,1 l

Diesel/100 km, 209 g CO₂/km (well-to-wheel)

Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)

***

*

Reichweite

770 km

880 km

Innengeräusch bei 130 km/h

64,2 dB(A)

64,5 dB(A)

Leergewicht / Zuladung

2315 / 785 kg

2700 / 500 kg

Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch

470 / 1070 / 1865 l

470 / 1070 / 1865 l

ADAC Testurteil

ADAC Testergebnis

Mercedes GLE 350 d 4Matic

Mercedes GLE 350 de 4Matic

Karosserie/Kofferraum

2,1

2,2

Innenraum

1,8

1,8

Komfort

1,6

1,6

Motor/Antrieb

1,3

1,4

Fahreigenschaften

2,1

2,2

Sicherheit

1,3

1,3

Umwelt/Ecotest

3,3

4,6

Gesamtnote

2,0

2,3

Die Kapitel Sicherheit und Umwelt werden doppelt gewertet; Notengrenzen: 0,6 – 1,5 sehr gut; 1,6 – 2,5 gut; 2,6 – 3,5 befriedigend; 3,6 – 4,5 ausreichend; 4,6 – 5,5 mangelhaft

Der Mercedes GLE als Gebrauchtwagen

Ist der Mercedes GLE als Gebrauchtwagen eine Empfehlung? Alle Infos zu Stärken, Schwächen, Rückrufaktionen, Pannen und Mängeln hat der ADAC zusammengetragen:

Text: Fabian Hoberg mit Material von SP-X