So funktioniert der ADAC Ecotest: Den Abgasen auf der Spur
Seit 20 Jahren beantworten die Ingenieure des ADAC Ecotest alle Fragen rund um die Umweltfreundlichkeit der neuesten Automodelle. Eine Aufgabe, die Fachwissen und Neugier verlangt. Und die mit der E-Mobilität in eine neue Etappe geht.
Von Otto bis Elektro: Alle Antriebsarten auf dem Prüfstand
Neueste Messtechnik sorgt für präzise, vergleichbare Ergebnisse
Aufgabe der Zukunft: Eng dran an jedem Schritt der E-Mobilität
Testingenieur Luis Kalb bückt sich unter das Fahrzeugheck und sucht die Anhängerkupplung. Bei manchen Autos lässt sie sich per Knopfdruck ausfahren, doch beim Opel Astra 1.6 Turbo Hybrid sucht er vergeblich. "So wird es jetzt viel umständlicher, die mobile Messanlage zu verbauen", sagt er mit leichtem Bedauern. Doch kleinere Hürden ist er gewohnt, wenn er die Testfahrzeuge für den anspruchsvollen ADAC Ecotest vorbereitet.
Wie sauber fährt ein Auto wirklich? Der realitätsnahe ADAC Ecotest liefert die Antwort auf die Frage, wie viele gesundheitsgefährdende Schadstoffe beim Fahren entstehen und wie viel klimaschädliches CO₂ entweicht. Der Anspruch: Jeder Autokäufer oder jede Autokäuferin soll sich ein objektives Urteil über die Umweltverträglichkeit jedes relevanten Modells bilden können. Nach dem Dieselskandal und in einer Zeit, in der umweltverträgliche Mobilität immer wichtiger wird, ist der Ecotest eine unverzichtbare Informationsquelle – seit 20 Jahren bereits.
Doch hinter den Zahlen und der übersichtlichen Sternewertung, die später auf der Ergebnisseite des ADAC Ecotest erscheint, steckt viel Mess- und Prüfarbeit, die tagtäglich von den Ingenieuren im Technikzentrum in Landsberg am Lech erledigt wird. Ein Blick hinter die Kulissen am Beispiel eines Opel Astra Plug-in-Hybrid zeigt, wie viel Akribie dabei nötig ist.
Der Ablauf des ADAC Ecotest
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Das wird beim Ecotest überprüft
Drei Aspekte stehen bei den Ingenieuren des ADAC Technik Zentrums im Fokus:
Schadstoffe: Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoff (HC), Stickoxide (NOx) und (Ruß-)Partikel sind Schadstoffe, die ab einer gewissen Konzentration für Menschen gesundheitsgefährdend sind. Wie viel ein Auto ausstoßen darf, ist deshalb gesetzlich limitiert. Die hohe Konzentration von Stickoxiden in der Luft führte zum Beispiel in einigen deutschen Städten zu Fahrverboten für manche Diesel. Der Ecotest klärt, wie viele Schadstoffe es an den Abgasreinigungsmaßnahmen des Autos vorbei in die Luft schaffen.
Treibhausgase: Kohlenstoffdioxid (CO₂) wirkt in der Luft als Treibhausgas und hat einen großen Anteil an der Klimakrise. CO₂ entsteht bei der Verbrennung von Kraftstoff im Motor. Autos mit einem hohen Spritverbrauch stoßen daher auch viel CO₂ aus.
Verbrauch: Aus dem Anteil an Kohlenstoff in den Abgasen lässt sich der Verbrauch bestimmen. Die Angaben des Ecotests sind deutlich exakter als etwa die Verbrauchsanzeige auf dem Display oder die Nachtankmethode.
So wird getestet
Zentrales Element des ADAC Ecotests ist das europaweit einheitliche "Worldwide harmonized Light Duty Test Procedure", kurz WLTP. Jeder Pkw, der in der EU zugelassen wird, muss dieses Prüfverfahren durchlaufen haben. Auf dessen Basis berechnet sich unter anderem die Kfz-Steuer.
Herzstück des WLTP ist der dazugehörige Testzyklus, der WLTC. Er gibt die Geschwindigkeiten vor, in denen die Autos ihre Strecke (23,25 Kilometer) auf dem Prüfstand zurücklegen müssen. Unterteilt ist er in vier Phasen:
Die unterschiedlichen Phasen sollen möglichst realistisch den Alltagsgebrauch eines Autos widerspiegeln: Innenstadt, urbaner Außenbereich, Landstraße und Autobahn, mit teils auch stärkerer Beschleunigung. Um die Werte zwischen den verschiedenen Modellen vergleichbar zu machen, herrschen bei den Tests stets dieselben Bedingungen. So beträgt die Außentemperatur zum Beispiel immer 23 Grad, das Tagfahrlicht ist eingeschaltet, die Klimaanlage läuft und 200 Kilo Zuladung sind mit an Bord.
Doch mit den festgelegten Normen des WLTC gibt sich der Autoclub nicht zufrieden. Beim Ecotest kommt daher noch ein spezieller ADAC Autobahnzyklus hinzu. "So können wir sehen, ob die Abgasnachbehandlungssysteme auch außerhalb der gesetzlichen Tests funktionieren", erklärt Ingenieur Matthias Gall. Ein Hersteller könnte schließlich die Abgasreinigung so einstellen, dass sie unter Testbedingungen funktioniert – bei höherer Belastung aber versagt.
Und falls ein Hersteller eine Prüfstandserkennung eingebaut haben sollte, die die Abgaswerte schönt (wie beim Diesel-Abgasskandel 2015), gibt es eine Kontrollmaßnahme: Die Messung mit einem "Portable Emissions Measurement System", kurz PEMS. Für diesen Test verlässt das Auto mit am Fahrzeugheck befestigter PEMS-Vorrichtung den Prüfstand. Auf einer vorgegebenen Strecke von rund 90 Kilometern wird kontrolliert, ob die Messwerte der mobilen Abgasanlage im Realbetrieb mit denen auf dem Rollprüfstand übereinstimmen – oder ob es auffällige Abweichungen gibt.
Punkte und Sterne: Die Ecotest-Ergebnisse
Gall und seine Kollegen können beim Blick auf die Werte sofort einschätzen, ob ein neues Modell wirklich ein Saubermann ist oder dies nur vorgibt. Doch weil Laien mit einem Messwert von beispielsweise 0,1359 10¹¹/km für die Partikelanzahl nichts anfangen können, werden die Ergebnisse in eine Sterne- und Punktewertung übertragen:
Schadstoffe: 50 Punkte können Autos maximal in dieser Kategorie erzielen. Der Opel Astra, der hier als Beispielmodell dient, holte sich 37 Punkte. Das mit einem Partikelfilter bewehrte Abgasreinigungssystem funktioniert also gut, lediglich bei hohen Geschwindigkeiten sind die Partikelwerte leicht erhöht. Zum Vergleich: Der Kia Sportage, ebenfalls ein Plug-in-Hybrid brachte es 2022 nicht einmal auf halb so viele Punkte.
Kohlenstoffdioxid: In dieser Kategorie sind bis zu 60 Punkte möglich. Opel verspricht 23 Gramm CO₂ pro Kilometer, die ADAC Bilanz fällt deutlich höher aus – auch, weil der ADAC im Gegensatz zum Hersteller die CO₂-Emissionen mit einberechnet, die bei der Herstellung des Kraftstoffs (beim Astra Strom und Benzin; "Well-to-wheel") entstehen: 143 g CO₂/km reichen für den Astra zu 36 Punkten. Keine Topleistung, in der Ecotest-Bestenliste 2022 reichte es dafür aber immerhin zu Platz 53 von 95.
Die Summe der erzielten Punkte in beiden Kategorien wird dann in eine Sternewertung überführt. Ein Gesamtwert über 90 spricht für eine geringe Umweltbelastung und wird mit fünf Sternen belohnt. Autos mit weniger als 30 Punkten verdienen sich nur einen Stern. Der Astra bringt es auf vier Sterne. Das Ergebnis fließt auch in den ADAC Autotest ein.
Hier können Sie die Ergebnisse nachlesen
Die Ergebnisse sind grundsätzlich gut miteinander vergleichbar, da keine Unterscheidung nach Fahrzeugklasse oder Antriebsart gemacht wird. Blickt man auf das Jahr 2022, kann das durchaus spannende Ergebnisse liefern: Der vollelektrische Mercedes EQV erzielte satte 30 Punkte weniger als der Seat Arona mit seinem Ottomotor. Daran sieht man: Auch ein Stromer ist einem Verbrenner in Sachen Umweltfreundlichkeit unterlegen, wenn er deutlich schwerer ist und einen enorm hohen Verbrauch (30,9 kWh/100km) hat.
ADAC Ecotest Ergebnisse: So schneiden die Modelle ab
Auf der Überblicksseite des Ecotest können Sie die Ergebnisse des ADAC Ecotest detailliert nachlesen. Sie können entweder nach einzelnen Modellen oder speziell nach umweltfreundlichen Fahrzeugen filtern, die etwa eine bestimmte Sternewertung oder CO₂-Wert erzielt haben.
Wie der Ecotest bei Elektroautos funktioniert
Am 25.08.2010 rollte der längst vergessene Karabag 500E ins Landsberger Testzentrum: Das erste Elektroauto, das sich dem ADAC Ecotest stellte. Zu Beginn noch bestaunte Exoten, wurden Modelle mit batterieelektrischem Antrieb spätestens ab 2020 zu oft gesehenen Testgästen. 26 von ihnen prüfte der ADAC allein im Jahr 2022.
Der Ecotest funktioniert bei einem Elektroauto im Prinzip genauso wie beim Verbrenner. Nur den riesigen Abgasschlauch kann man sich bei Tesla und Co. selbstredend sparen.
Weil sie aber indirekt Emissionen bei der Stromerzeugung verursachen, werden beim Ecotest nicht nur die unmittelbaren Emissionen bewertet, sondern auch die Schad- und Treibhausgasausstöße, die bei Produktion und Transport des Energieträgers anfallen: Die angegebenen Werte des ADAC sind daher die der sogenannten Well-to-Wheel-Bilanz (von der Quelle bis zum Rad).
Bei Kraftstoffen wie Benzin, Diesel oder Gas werden z.B. die CO₂-Emissionen von Raffinerien mit eingepreist, im Fall von Elektroautos auch die CO₂-Ausstöße von Strom produzierenden Gas- und Kohlekraftwerken. Der ADAC greift dabei auf den durchschnittlichen Strommix zurück.
Dieser je nach Energieträger pauschal festgelegte Anteil gilt für alle Modelle pro Liter bzw. kWh gleich und wird auf die spezifischen Messwerte aufgeschlagen. Dazu kommen bei E-Autos noch die Verluste, die beim Laden anfallen und ebenfalls gemessen werden.
Elektroautos haben also keineswegs einen CO₂-Wert von 0, wie es die Hersteller stolz in der Werbung verkünden, sondern durch ihren Stromverbrauch sehr wohl einen ökologischen Reifenabdruck. Je sauberer der deutsche Energiemix zur Stromgewinnung in Zukunft wird, desto umweltfreundlicher werden Elektroautos. (Zumindest beim Betrieb: Wie es mit der Gesamtbilanz inklusive Herstellung aussieht, zeigt die LCA-Studie.)
BEVs ("Battery Electric Vehicles") fahren mit voller Batterie einen leicht angepassten Elektrozyklus, danach laden die Testingenieure den Akku wieder auf und errechnen aus dem nachgeladenem Strom, wie viel das Auto verbraucht hat. Plug-in-Hybride wie der Opel Astra werden als Verbrenner und E-Auto getestet, ihre Ecotest-Bilanz ist eine Kombination aus den Verbrauchswerten beider Zyklen.
"Den Standardtest, der zehn Jahre läuft, gibt es nicht"
Der zusätzliche Aufwand, der für Plug-in-Modelle notwendig ist, ist nur ein Beispiel, an dem man die wechselnden Herausforderungen für die ADAC Tester erkennen kann. Die immer diversere Produktpalette am Markt verlangt immer mehr Flexibilität von Kalb, Gall und ihren Kollegen. "Man muss auf jeden Fall offen sein für Neues", betont auch Kalb, "denn wir müssen unsere Tests ständig weiterentwickeln. Das kann von Zeit zu Zeit auch anstrengend sein."
Dafür sitzen die Tester bei den neuen Ideen und Technologien der Hersteller dann aber auch in der ersten Reihe. Gerade bei Hybridantrieben hat sich in den letzten Jahren eine ganze Menge getan, die Grenzen des technisch Machbaren verschieben sich deswegen konstant. "Da muss man schon autoverrückt sein", sagt Kalb, "sonst steigt man schnell aus. Denn den Standartest, der zehn Jahre läuft, gibt es einfach nicht", fügt er lachend hinzu.
Auch mit Blick auf die künftige Abgasnorm Euro 7 ist der ADAC Ecotest von Bedeutung und gilt bereits heute als Gradmesser der Umweltfreundlichkeit neuer Modelle. Die Herausforderungen an die Messtechnik steigen dadurch ebenfalls: Neben heute noch nicht limitierten Schadstoffen wie Ammoniak (NH₃) oder Lachgas (N₂O), das eine 273-fach höhere Klimaschädlichkeit aufweist als CO₂, sollen künftig auch Ultrafeinstaubpartikel, die kleiner als 23 Nanometer sind, gezählt werden.
Gute Zusammenarbeit im Team ist deshalb unerlässlich, um mit Industrie und Gesetzgebung Schritt halten zu können. Gerade bei der E-Mobilität ist die Messtechnik allerdings noch längst nicht so weit wie beim Verbrenner. Eine Sache wird es also auch in den nächsten zehn Jahren des ADAC Ecotest auf dem Prüfstand nicht geben: Stillstand.
Technische Beratung: Dino Silvestro, Luis Kalb, Matthias Gall, Martin Ruhdorfer (Technik Zentrum Landsberg)