Kia Niro EV im Langzeittest: Ist er das perfekte Elektroauto?

Kia kann Elektro. Das hat die koreanische Marke bereits mit dem ersten Niro bewiesen, als alltagstaugliche Reichweiten bei E-Autos noch keine Selbstverständlichkeit waren. Kann sein Nachfolger noch einen draufsetzen? Der Elektro-Niro im Langzeittest.
410 Kilometer Reichweite, sparsame 17,9 kWh Verbrauch auf 100 Kilometer, fünf volle Sterne im ADAC Ecotest und dazu eine tolle Autotest-Gesamtnote von 1,9 für den Kia Niro EV. Kein Wunder, dass die ADAC Testingenieure den VW-ID-3-Konkurrenten als "uneingeschränkt familientaugliches Alltagsauto" loben.
Eine gute Bewertung im objektiven ADAC Autotest ist das eine. Aber was im Alltag wirklich nervt und wo es noch Raum für Verbesserungen gibt, lässt sich oft erst über einen längeren Testzeitraum herausfinden. Daher hat die ADAC Redaktion den Niro EV aktuell noch einmal ausführlicher für sechs Monate unter die Lupe genommen. Testobjekt: Ein Kia Niro EV in "Snow White Pearl" mit der Ausstattung Inspiration zum Preis von 47.590 Euro (Stand März 2023). Mit Extras 53.290 Euro. Hier das Tagebuch der Redaktion.
+++ 1.3.2023 +++
Erster Eindruck. Gar nicht mal so klein, der Niro – auch wenn er sich offiziell in der Kompaktklasse befindet. Mit 4,42 Meter Länge rangiert er aber an deren oberem Ende. Das schlägt sich in einem guten Platzangebot nieder. Viel Platz vorn, tolle Beinfreiheit hinten, so sehen Familienautos aus. Der Kofferraum fällt nicht ganz so riesig aus, aber der ADAC Messwert bis zur Kofferraumabdeckung besagt zumindest 347 Liter. Zum Vergleich: Ein Mercedes C-Klasse Kombi kommt auf nicht viel mehr: 370 Liter laut Messung. jw

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+++ 20.3.2023 +++
Der Antrieb. Startknopf drücken, den runden Knubbel auf der Mittelkonsole auf "D" drehen und Gas geben. Schon setzt sich der Kia wie auf Samtpfoten in Bewegung. Ruckfrei, lautlos und gut dosierbar stromert der Koreaner davon, bei Bedarf auch eiliger: Mit soliden 150 kW/204 PS Leistung hat der Kia stets so viel Power auf Abruf, dass spontane Spurts und flotte Überholmanöver im Nu erledigt sind (0 bis 100 km/h in 7,8 Sekunden). Einfach kurz aufs Gas, und es geht wie bei einem E-Auto üblich verzögerungsfrei und mit Nachdruck voran. Die Spitze ist zwar bei 167 km/h begrenzt, doch das Tempo reicht völlig. Auf der Autobahn fühle ich mich nicht deplatziert. Der Reichweite zuliebe bin ich meist eh nicht schneller als 130 km/h. jw
+++ 4.4.2023 +++

Was sinnvoll ist – und was nicht. Assistenzsysteme erhöhen die Fahrsicherheit, so viel steht fest. So hat auch der Kia Niro eine Armada von Helferlein an Bord, die ihre "Augen" überall haben. Heute war ich richtig froh darüber, als ich im Blindflug zwischen parkenden Autos rückwärts auf die Straße stoßen wollte. Einen schnellen Radfahrer hätte ich dabei wohl nicht gesehen. Der Kia schon. Und warnt nicht nur via Piepkonzert, er haut auch die Bremse rein. Klasse.
Sinnfrei finde ich dagegen die Möglichkeit, den Kia auf der Autobahn selbsttätig überholen zu lassen. Fährt man mit Abstandstempomat, reicht es, den Blinker anzutippen, und der Wagen zieht vorsichtig auf die Überholspur. Und auch wieder zurück. Was bringt's außer einem Show-Effekt? Für mich hat diese Funktion absolut keinen Mehrwert. jw
+++ 15.4.2023 +++
Bedienung. Um eine Tastenflut zu umgehen, hat sich Kia – wie bei anderen Modellen auch – etwas Besonderes einfallen lassen. Die Touchleiste unterhalb des Bildschirms ist zweifach belegt und steuert entweder die Klimaanlage oder das Infotainment. Ein Fingerdruck auf eine orangefarbene Fläche genügt, und man schaltet zwischen beiden Grundfunktionen um. Ganz ehrlich: Im Alltag finde ich das eher lästig. Denkt man nicht dran und will am Lautstärkeknopf drehen, wird es stattdessen wärmer oder kälter. Bis man's dann wieder "gerichtet" hat, vergeht zu viel Zeit der Ablenkung. jw
+++ 30.4.2023 +++
Der Verbrauch. Ziemlich kalt, dieses Frühjahr. Das merkt man auch beim E-Auto-Fahren. Temperaturen im einstelligen Bereich ziehen auf der Autobahn bei Tempo 120 bis 130 km/h einen Verbrauch von rund 22 kWh nach sich. Macht nach Adam Riese hochgerechnet 300 Kilometer Reichweite. Ob wir bei angenehmeren Temperaturen im Sommer auf bessere Werte kommen? jw
+++ 18.5.2023 +++

Auf Reisen. Und dann ist der Sommer doch da: Nach gefühlt einem Monat Dauerregen startet der Kia an Christi Himmelfahrt mit uns auf seine erste große Fahrt – nicht gen Firmament, sondern erst nach Leipzig und zurück über das westböhmische Bäderdreieck und die Bierstadt Pilsen.
Erste Aufgabe: Das Gepäck. Zwei große Golfbags samt Trolley-Wägen, drei große Reisetaschen und diverser Kleinkram: Dank umgeklappter Rückbank überhaupt kein Problem.
Zweite Aufgabe: Strom zapfen. Bis Leipzig kein Problem. Und auch Tschechien sollte nach dem ersten Blick auf die Karte der ADAC-e-Charge-App keine Probleme machen. Doch leider vergaß ich, den Filter "DC-Laden" einzustellen, denn AC-Ladestationen gibt es im östlichen Nachbarland zwar viele, doch DC-Schnelllader kaum. Konnten wir dann doch mal eine ansteuern, floss der Strom (mit einer Ausnahme, siehe Bildergalerie) meist nur mit knapp über 50 kW statt der theoretisch möglichen 80 kW Leistung. Gut, wenn die Zeit für einen Imbiss genutzt werden konnte.
Und die dritte Aufgabe: Wenig verbrauchen. Tatsächlich ist der Kia ein Kind des Sommers. So wie wir bestes Golfwetter genießen konnten, war auch der Niro auf den böhmischen Bundesstraßen bei warmen Wetter in seinem Element. Magere 17,3 kWh auf 100 Kilometer standen am Ende der Reise auf der Bordcomputer-Anzeige – vollbeladen und mit einer Leistung, die in jeder Fahrsituation überzeugte, ein hervorragender Wert. kro
Der Elektro-Kia auf Reisen
