Elektroauto im Dauertest: Der VW ID.3 ist besser als sein Ruf

Im VW ID.3 ist man zügig und trotzdem entspannt unterwegs
Im VW ID.3 ist man zügig und trotzdem entspannt unterwegs© ADAC/Ralph Wagner

Nach rund 60.000 Kilometern in nur 18 Monaten steht fest: Der VW ID.3 mit großem Akku kommt selbst auf Langstrecken prima zurecht. Ein paar Schwächen leistet er sich dennoch.

  • Ordentliche Fahrleistungen, gute Reichweite

  • Schwächen bei der Bedienbarkeit

  • Nach 60.000 Kilometern: Stabiler Batteriezustand

Der VW ID.3 steht öffentlich im Fadenkreuz der Kritik. Hat er sich doch den Ruf eines Elektroautos erworben, das nicht gründlich zu Ende entwickelt und aus Kostengründen mit billigsten Innenraummaterialien auf den Markt geworfen wurde. Zentraler Schwachpunkt sind stetige Probleme im Zusammenhang mit der Software-Programmierung. Peinlicher Höhepunkt: Das längst zum Vollzug angekündigte Over-the-air-Software-Update auf die Version 3.0 ist immer noch nicht da.

Ist der VW ID.3 also ein schlechtes Auto? Keinesfalls, sagen die ADAC Techniker – ohne ihren Unmut über das Software-Thema zu verbergen.

Langstrecke? Mit 77-kWh-Akku kein Problem

Die Ingenieure des Technikzentrums Landsberg, in dessen Diensten der ID.3 täglich unterwegs ist, kennen den Elektro-Flitzer aus Wolfsburger sehr genau. Haben sie doch mit ihm innerhalb von nur 18 Monaten 60.000 Kilometer abgespult. Im Privatbesitz braucht es für 60.000 Kilometer vier Jahre und länger.

In den Markt gestartet ist der VW ID.3 als elektrisch angetriebenes Pendant zum ewigen Bestseller VW Golf – entsprechend hoch sind allgemein die Erwartungen an das Fahrzeug. Dienstbeginn für den ID.3 beim ADAC war der 7. Mai 2021. Geordert und ausgeliefert wurde der viersitzige VW ID.3 Pro S in der Ausstattung "Tour" zum Preis von 48.550 Euro (brutto). Den Fünfsitzer gab es zum Bestellzeitpunkt noch nicht.

Der Dauertest-Testkandidat ist 4,26 Meter lang und beachtliche 1,9 Tonnen schwer, bietet 150 kW (204 PS) Leistung sowie 310 Nm Drehmoment. Sein 77 kWh großer Akku – der größte im Angebot – erzielt eine WLTP-Reichweite von 525 Kilometern. Einen so großen Akku zu verbauen, funktioniert nur, weil der ID.3 das erste Elektrofahrzeug aus Wolfsburg ist, das nicht auf einer Verbrenner-Plattform steht, sondern komplett als BEV (Battery Electric Vehicle) entwickelt wurde. Im bis 2020 verkauften Golf mit Elektroantrieb war nur Platz für einen maximal 36 kWh großen Akku.

VW ID.3: Macht Freude beim Fahren

400 Kilometer Reichweite sind auch bei flotter Fahrt kein Problem mit dem ID.3 © ADAC/Ralph Wagner

Den Einschätzungen der ADAC Ingenieure zufolge hat sich der VW ID.3 nach 18 Monaten im Alltag bewährt, in vielen Bereichen sogar außerordentlich gut. Die sichere Straßenlage, die bequemen Sitze und die ordentlichen Fahrleistungen sorgen dafür, dass der ID.3 gerne auch für längere Strecken gebucht wird. Zum entspannten Reisen tragen der adaptive Tempomat inklusive Fahrspurzentrierung ("Travel Assist"), das hervorragende Matrix-LED-Licht und die großzügigen Platzverhältnisse im Innenraum bei. Im innerstädtischen Verkehr und beim Parken sind viele Nutzer vom erstaunlich kleinen Wendekreis des VW begeistert.

In Kombination mit dem dynamischen Heckantrieb ist der ID.3 sehr spritzig unterwegs. Das Fahren bereitet sehr viel Freude. Der Spurt von 0 auf 100 km/h ist in 7,9 Sekunden erledigt, die abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h selten zu wenig. Wer sich bei Tempo und Beschleunigung zurückhält, schafft mit dem VW ID.3 auf der Autobahn um die 400 Kilometer Reichweite, bei Minustemperaturen sollte man sich auf in der Regel erzielbare 300 bis 320 Kilometer einstellen.

Aber selbst bei Außentemperaturen von minus 9 Grad war eine 400 Kilometer lange Tour vom Voralpenland auf den Rettenbachgletscher bei Sölden (Tirol) bis auf knapp 2700 Meter Höhe und wieder zurück möglich – und das mit nur einer Batterieladung. Zurück ging es ja auch viel bergab.

Ladestopps von 30 Minuten genügen

Tester Matthias Vogt am High-Power-Charger: Beginn der Ladung mit 100 bis 125 Kilowatt © ADAC/Ralph Wagner

An der DC-Schnellladesäule nimmt der Akku den Strom anfangs mit etwa 125 Kilowatt auf. Erst wenn der Akku halb voll ist, reduziert sich die Ladeleistung auf unter 100 kW. Damit ist der ID.3 Pro durchaus langstreckentauglich. Der Ladestopp an einer HPC-Säule (HPC steht für High Power Charging) mit einer nachgeladenen Energie für 250 Kilometer ist innerhalb von 20 bis 30 Minuten erledigt. Elektroauto-Experte Matthias Vogt beschwert sich ironisch: "Da habe ich ja mein Schnitzel noch nicht verspeist."

Im Winter muss man spürbar mehr Zeit für die Ladestopps einplanen: Die maximale Ladeleistung von 125 kW erreicht der ID.3 bei kalten Temperaturen nicht. Um bessere Ladeleistungen bei Kälte zu erzielen, böte sich eine manuelle Aktivierung der Batterieheizung an. Die gibt es aber in nur sehr wenigen Fahrzeugen mit Elektroantrieb und im ID.3 eben auch nicht. Eigentlich gehörte sie – wie auch eine Anzeige für die aktuelle Temperatur der Batterie – zur Grundausstattung eines jeden Elektroautos, so die Experten des ADAC.

Problemfelder: Software und Bedienung

Cockpit des ID.3: aufgeräumt, in Teilen aber schlecht bedienbar © ADAC/Ralph Wagner

Unisono wird von den Ingenieuren Kritik an der Materialanmutung sowie an den sogenannten Slidern für die Temperaturverstellung und die Lautstärke (unter dem Zentraldisplay) geübt. Begründung: Die gewünschte Einstellung lässt sich nicht fein justieren, und nachts findet man die Slider kaum, weil sie unbeleuchtet sind. Als noch deutlich unpraktikabler erweist sich die Touchbedienung am Lenkrad. Die Tasten sind zwar schick anzusehen, aber gefühllos und nicht blind bedienbar. Fehlbedienungen sind keine Seltenheit.

Unzufriedenheit macht sich auch mit dem langsamen Infotainmentsystem breit. So dauert es bei Fahrtbeginn sehr lang, bis das System überhaupt gestartet ist. Und bei der Bedienung gibt es immer wieder eine "Gedenksekunde", bis Fingereingaben über den Touchscreen vom System verarbeitet werden.

Konnektivität: Verbesserungswürdig

Funktionen/Anzeigen der VW Connect App © Volkswagen

Zur Serienausstattung des ID.3 gehört selbstverständlich eine Bluetooth-Schnittstelle, über die telefoniert und Musik gehört werden kann. Außerdem stehen Apple Carplay und Android Auto zur Verfügung, um Smartphone-Inhalte auf den großen Bildschirm im Auto zu übertragen. Allerdings nervt Apple Carplay dadurch, dass sich die Benutzeroberflächen häufig in den Vordergrund drängen, auch wenn man die Systeme aktuell gar nicht nutzen will.

Eine Besonderheit ist die VW Connect App, mit der beispielsweise eine Abfahrzeit eingeplant und der Innenraum vorklimatisiert werden kann. Zudem lassen sich der maximale Ladestrom sowie der maximale Ladestand (SoC) festlegen und verschiedene Ladeorte mit jeweils verschiedenen Ladestrategien bestimmen.

Im Gegensatz zur App für den VW e-Up! werden von der App des ID.3 keinerlei Fahrdaten gespeichert, auf die man zurückgreifen könnte.

Bildergalerie: ID.3 im Dauertest

Positive Bilanz nach 60.000 Kilometern

Trotz all der Kritikpunkte fällt das Fazit nach 60.000 Kilometern insgesamt positiv aus: Abseits der Bedienprobleme kommen die Tester im Alltag mit dem ID.3 gut zurecht. Nicht nur die Batterie- und Ladetechnik, sondern auch die klassischen Automobiltugenden (Fahrwerk, Lenkung, Sitze) verhelfen dem VW dazu, gerne gefahren zu werden. Er bietet angenehme Platzverhältnisse für vier Personen und einen ausreichend großen Kofferraum. Auf langen Strecken sorgen das ausgewogene Fahrwerk und die guten Sitze für Wohlfühlatmosphäre. Im Stadtbetrieb begeistern der spritzige Antrieb und der winzige Wendekreis.

Im privaten Alltag kann es relevant sein, dass für den ID.3 weder eine Dachlast noch eine Anhängelast eingetragen ist. Eine Dachbox für den Skiurlaub oder ein Anhänger für den Grünabfall sind also nicht zulässig. Das ist ein deutlicher Nachteil im Vergleich zu einem Golf.

Wenig Reparaturen, keine Wartung

Während bei einem herkömmlichen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor nach 60.000 Kilometern schon wenigstens zwei Inspektionen (Ölwechsel etc.) fällig gewesen wären, ist eine Wartung für den VW ID.3 nur alle zwei Jahre erforderlich, unabhängig von der Laufleistung. Weil der ID.3 das Alter von zwei Jahren noch nicht erreicht hat, wurde bisher noch keine Wartung durchgeführt. Somit sind auch noch keine Wartungskosten angefallen.

Das heißt aber nicht, dass der ID.3 Dauertest bisher noch gar nicht in der Werkstatt gewesen wäre. So ist zum Beispiel bei Kilometerstand 23.495 eine gerissene Windschutzscheibe zu beklagen. Ursache: vermutlich Steinschlag – ein Versicherungsschaden. Bei etwa 55.000 Kilometern war beim Lastwechsel im Rangierbetrieb hinten rechts ein "Klacken" zu hören, das auf eine defekte Antriebswelle zurückgeführt wurde. Das Problem ist bei VW nicht unbekannt. Die Antriebswelle wurde im Rahmen der Garantie bei einem VW-Vertragspartner instandgesetzt.

Guter Gesundheitszustand des Akkus

Und wie steht es um die Robustheit des kostbaren Akkus? Der sogenannte SOH (State of Health = Gesundheitszustand) wurde bisher dreimal per Aviloo Test ermittelt: bei 21.749, bei 46.029 und bei 59.166 Kilometern auf dem Tacho. Interessanterweise bescheinigte der Test dem ID.3 bei allen drei Messungen eine Akkukapazität von 96 Prozent. Das ist ein sehr ordentliches Ergebnis – und stützt die These, dass ein Akku zu Beginn seines Lebens stärker an Kapazität einbüßt, dann aber eher langsam altert.

Der Dauertest mit dem VW ID.3 wird noch bis zu einer Fahrleistung von wenigstens 100.000 Kilometern fortgeführt.

Technische Daten

Technische Daten (Herstellerangaben)

VW ID.3 Pro S (4-Sitzer) (09/20 - 05/21)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

150

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

204

Drehmoment (Systemleistung)

310 Nm

Antriebsart

Hinterrad

Beschleunigung 0-100km/h

7,9 s

Höchstgeschwindigkeit

160 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

525 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

16,7 kWh/100 km

Verbrauch Gesamt (NEFZ)

14,1 kWh/100 km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

82,0

Batteriekapazität (Netto) in kWh

77,0

Ladeleistung (kW)

AC:11,0 DC:125,0

Kofferraumvolumen normal

385 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.267 l

Leergewicht (EU)

1.934 kg

Zuladung

346 kg

Garantie (Fahrzeug)

2 Jahre

Länge x Breite x Höhe

4.261 mm x 1.809 mm x 1.568 mm

Grundpreis

41.995 Euro

Bericht und fachliche Beratung: Max Bauer/ADAC Technik Zentrum