Volvo EX90: Testfahrt mit dem Elektro-Riesen

Der XC90 als größte SUV-Modellreihe von Volvo hat ein elektrisches Pendant bekommen: Der neue Volvo EX90 peilt hohe Reichweiten an und will vor allem bei der Sicherheit Maßstäbe setzen. Testfahrt, technische Daten, Preise.
Großes SUV mit großer Batterie: 111 kWh
Reichweite von bis zu 617 km nach WLTP
Preise ab 83.700 Euro
Größer, edler und rein elektrisch: Volvos großes Elektro-SUV EX90 will im Premium-Segment mit herausragenden Merkmalen bestechen und vor allem einen überdurchschnittlichen Fahr- und Geräuschkomfort bieten. In anderer Hinsicht ist aber noch Luft nach oben, wie eine erste Testfahrt mit dem Schweden gezeigt hat.
Der 5,04 Meter lange Schwede aus US-Produktion kam knapp anderthalb Jahre später als geplant auf den Markt. Nicht, weil Feinschliff am kühl-eleganten skandinavischen Design nötig gewesen wäre, sondern weil wie auch bei anderen europäischen Herstellern die Softwareentwicklung für Verzögerungen sorgte.
Riesig: Volvo EX90 ist 5,04 Meter lang

Gegenüber dem weiterhin erhältlichen XC90 ist der EX90 zwar noch einmal um gut fünf Zentimeter gewachsen. Weil er gleichzeitig flacher geworden ist und auch im Vergleich zu vielen aktuellen Wettbewerbern nicht allzu breit ausfällt, wirkt er für seine Größe trotzdem vergleichsweise schlank.
Im klar gestalteten, luftigen Innenraum geht es trotzdem geräumig zu, wobei die dritte Sitzreihe als Erwachsener nur für Kurzstrecken taugt.
Auch, weil Volvo bei der Raumverteilung die Priorität auf das Gepäckabteil gelegt hat. Selbst bei voller Bestuhlung stehen mehr als 300 Liter gut nutzbares Stauvolumen zur Verfügung – das schaffen selbst manche Kleinbusse nicht. Wer maximal zu fünft fährt, hat hinter den Passagieren noch mal mehr als das Doppelte an Platz zur Verfügung. Sind nur die beiden vorderen Sitze belegt, fasst das Elektro-SUV fast zwei Kubikmeter Ladung.
Innenraum: Feine Materialien, kaum Knöpfe
Ausgekleidet ist der großzügige Innenraum wahlweise mit Stoffen oder Kunstleder, beides in sehr hochwertiger Ausführung, was Optik und Haptik angeht. Einen feinen Eindruck macht auch der große Infotainment-Bildschirm mit sehr hoher Auflösung und schnellem Grafik-Prozessor. Bespielt wird er von einem Infotainmentsystem auf Android-Basis, das bei der Bedienbarkeit gegenüber dem XC90 noch einmal einen großen Schritt macht. Die Software ist neu und wird over-the-air auch in andere Volvo-Modelle einziehen.
Allerdings sind zahlreiche bislang auf Knöpfen und Schaltern verorteten Bedienfunktionen in die Touchscreen-Menüs gewandert, darunter neben der Außenspiegel-Verstellung auch die detaillierteren Klimaanlagen-Einstellungen. Wer seine Wohlfühl-Konfiguration gefunden hat, kommt damit zurecht, Einsteiger müssen lange suchen.
Bilder: Der Volvo EX90 im Detail

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Volvo-SUV mit hohem Fahrkomfort

Wie sich der EX90 im Hamburger Stadtverkehr schlägt, konnte ADAC Redakteur Andreas Huber bereits erfahren. Im Top-Modell mit Allrad-Antrieb, Zweikammer-Luftfederung und Performance-Modus musste sich der Schwede auf norddeutschen Straßen beweisen. Der erste Eindruck? Richtig bequem.
Vor allem bei niedrigeren Geschwindigkeiten bügelt das SUV Fahrbahnunebenheiten gepflegt weg, bei flotterer Gangart wirkt die Luftfeder dagegen manchmal etwas harsch. Zum Kurvenräubern ist der EX90 ohnehin nicht gedacht, zu sehr neigt sich der Aufbau in schnell genommenen Bögen.
Der Antrieb ist stets kraftvoll und spricht bei Pedaleingaben gutmütig an, das passt zum Charakter des Autos und verschafft ihm eine gewisse Ruhe und Gelassenheit. Wer die volle Leistung aus dem Stand haben möchte, kann in den Performance-Modus wechseln. Hier stürmt die 2,2 Tonnen schwere Fuhre energisch los. So energisch, dass der Fahrer oder die Fahrerin das Lenkrad gut festhalten sollte, denn der leicht werdende Vorderwagen des Schweden tendiert dann etwas zum Versetzen.
Wirklich gewöhnungsbedürftig ist das Bremsgefühl im EX90. Es wirkt aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten konstant teigig und nicht besonders geschliffen.

Die Lenkung ist sehr leichtgängig ausgelegt. Trotzdem spricht sie aus der Mittellage heraus spontan an. Für das auf Komfort ausgelegte Premium-SUV passt diese Philosophie hervorragend. Beim Wendekreis überrascht der Göteborger mit einem kleinen Radius. Zusammen mit der optionalen 360-Grad-Ansicht sind selbst enge Situationen in der Großstadt leicht zu meistern.
Assistenten sind im neuen EX90 zahlreich verbaut, viele davon bekommen die Insassen während der Fahrt gar nicht mit. Einige sind aber präsenter. Hochauflösende Kameras ermöglichen den eben erwähnten 360-Grad-Blick um das Auto, Sensorik in der Front ermöglicht Unterstützung beim Fahren. Dabei schlägt sich der adaptive Tempomat auf der Autobahn recht ordentlich. Mittlerweile ist es mit dem Volvo auch möglich, automatisiert die Spur zu wechseln. Das klappt in der Praxis ganz gut.
Etwas überfordert scheint das System aber in kleinen Ortschaften oder auf Landstraßen ohne Fahrbahnmarkierung zu sein. Hier rückt der Assistent den Wagen teilweise recht nah an den Fahrbahnrand, was hin und wieder manuell korrigiert werden muss. Das verwundert, denn schließlich ist im EX90 sogar eine Lidar-Radereinheit verbaut, die später durch ein Update freigeschaltet sogar autonome Fahranteile ermöglichen soll. Hoffentlich können Software-Updates hier den Premiumanspruch hochhalten.
Motorisierungen im EX90

Die bis zu 380 kW/517 PS der Top-Variante "Twin Motor Performance AWD" sind reiner Luxus. Und selbst die 300 kW/400 PS im Modell "Twin Motor AWD" dürften in den meisten Alltagssituationen kaum ausgelastet sein. Die Spurtzeit liegt bei knapp fünf beziehungsweise sechs Sekunden, maximal sind Volvo-typisch 180 km/h möglich.
Beide Versionen haben Allradantrieb. Alternativ ist eine Ausführung mit 205 kW/279 PS und reinem Frontantrieb zu haben, die Tempo 100 nach 8,4 Sekunden erreicht.
Technikprobleme bei der Testfahrt
Was auf der ersten Ausfahrt mit dem Volvo aufgefallen ist, war der ein oder andere Software-Fehler. So war es zwischenzeitlich beispielsweise nicht möglich, das Abblendlicht zu aktivieren. Entweder war der jeweilige Button auf dem Touchscreen ohne Funktion oder der Scheinwerfer gab die Leuchten nicht frei.
Der EX90 hat nämlich ein Designfeature, das die Leuchten der Hauptscheinwerfer hinter dem Tagfahrlicht versteckt. Wird das Abblendlicht benötigt, fahren die Tagfahrleuchten nach oben und unten weg. Das sieht sehr schick aus, birgt aber die Gefahr, dass die Technik mal nicht mitmacht. Genau das ist passiert.
Trotz mehrfacher "Aufforderung" fuhr das Tagfahrlicht des Testwagens nicht aus dem Weg. Erst nach mehreren Minuten Wartezeit nach dem Verschließen des Fahrzeugs funktionierte die Technik wieder. Hier müssen die sicherheitsverliebten Schweden dringend nochmal ran.
Reichweite: Mehr als 600 km nach WLTP

Die Basisversion hat eine 101 kWh große Batterie im Unterboden, die nach WLTP-Norm für 580 Kilometer Reichweite sorgen soll. Die Allradmodelle mit zwei Motoren fahren mit 107-kWh-Akku bis zu 616 Kilometer weit.
Auf ein 800-Volt-System verzichtet Volvo, obwohl es bei Konzernmutter Geely verfügbar ist und bei neueren Modellen seit kurzem eingesetzt wird. Immerhin reizt der EX90 das Potenzial der 400-Volt-Technik aus und kommt zumindest in der Spitze auf 250 kW Ladeleistung. Die Standard-DC-Ladung von 10 auf 80 Prozent soll so gut eine halbe Stunde dauern.
Am AC-Lader begnügt sich der Volvo mit mageren 11 kW statt der bei einigen Konkurrenten verfügbaren 22 kW. Ein komplett leerer Akku ist somit an der entsprechend gerüsteten heimischen Wallbox oder öffentlichen AC-Säulen erst nach rund 10 Stunden wieder voll gefüllt.
Wie die Reichweite bei verschiedenen Geschwindigkeiten und Temperaturen in etwa einzuschätzen sind, zeigt der ADAC Reichweitenrechner hier beispielhaft am EX90 Twin Motor.
ADAC Reichweitenrechner
Volvo EX90 Twin Motor Core AWD (6/7-Sitzer) 300 kW (408 PS)
-10
30
50
130
Berechnete Reichweite
608km
(Reichweite laut Hersteller: 627 km)
Fazit und Preise
Bis auf die nicht herausragende Ladetechnik löst der EX90 das Flaggschiff-Versprechen der Marke ein und muss sich auch vor der deutschen Konkurrenz vom Schlage eines BMW iX und Mercedes EQE SUV bzw. EQS SUV oder dem Audi Q8 e-tron nicht verstecken. Vor allem Fahr- und Geräuschkomfort überzeugen.
Wer Technik und Ambiente voll auskosten will, erreicht aber schnell sechsstellige Preisregionen. In der Preisliste startet der EX 90 bei 83.700 Euro für das Modell mit Heckantrieb und fünf Sitzen. Mit Allradantrieb und Performance-Modus werden mindestens 96.800 Euro fällig.
Video: Volvo EX90 im Fahrbericht
Volvo EX90: Technische Daten
Technische Daten (Herstellerangaben) | Volvo EX90 Single Motor Core (5-Sitzer) (ab 03/24) | Volvo EX90 Twin Motor Core AWD (6/7-Sitzer) (ab 03/24) | Volvo EX90 Twin Performance Core AWD (6/7-Sitzer) (ab 03/24) |
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Motorart | Elektro | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 205 | 300 | 380 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 279 | 408 | 517 |
Drehmoment (Systemleistung) | 490 Nm | 770 Nm | 910 Nm |
Antriebsart | Hinterrad | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 8,4 s | 5,9 s | 4,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h | 180 km/h | 180 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 619 km | 627 km | 627 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 18,2 kWh/100 km | 20,4 kWh/100 km | 20,4 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 104,0 | 111,0 | 111,0 |
Batteriekapazität (Netto) in kWh | 101,0 | 107,0 | 107,0 |
Ladeleistung (kW) | DC:235,0 | AC:2,3-11,0 DC:250,0 | AC:2,3-11,0 DC:250,0 |
Kofferraumvolumen normal | 647 l | 310 l | 310 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.945 l | 1.867 l | 1.867 l |
Leergewicht (EU) | 2.579 kg | 2.779 kg | 2.787 kg |
Zuladung | 421 kg | 611 kg | 603 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg | 750 kg | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 1.200 kg | 2.200 kg | 2.200 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 3 Jahre | 3 Jahre | 3 Jahre |
Länge x Breite x Höhe | 5.037 mm x 1.964 mm x 1.744 mm | 5.037 mm x 1.964 mm x 1.744 mm | 5.037 mm x 1.964 mm x 1.744 mm |
Grundpreis | 83.700 Euro | 91.700 Euro | 96.800 Euro |
Text: Holger Holzer/SP-X, Andreas Huber
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