Benelli 752S: Schickes Naked Bike mit Schwächen
Mit der Benelli 752S erweitert die italienisch-chinesische Marke ihr Angebot um ein sportliches Naked Bike in der Dreiviertelliterklasse. Es gibt allerdings einiges zu kritisieren. Fahrbericht, Bilder, Daten, Preis.
Entwickung und Design in Italien
Schwächelnder Motor
Kaum Zusatzausstattung, keine Connectivity
Technisch setzt die in Pesaro in Mittelitalien ansässige Entwicklungsabteilung von Benelli auf gängige Lösungen: Zweizylinder-Reihenmotor, Stahlgitterrahmen in Brückenbauweise, kräftige USD-Gabel, Zentralfederbein, radiale Brembo-Vierkolbensättel vorne mit 320-Millimeter-Doppelscheibe, TFT-Farbdisplay, LED-Beleuchtung rundum, dazu ein unverkleidetes Hinterrad mit seitlich angeflanschter Kennzeichenhalterung sowie Edelstahl-Endschalldämpfer.
Alles normal, zudem ansehnlich verpackt, einer Ducati Monster nicht unähnlich, auch wenn die Benelli in puncto Leistung eher mit der Ducati Scrambler konkurriert. Die ist freilich deutlich leichter, aber auch ca. 2000 Euro teurer. Ist die Benelli also ein Geheimtipp?
Für sich allein betrachtet macht die Benelli 752S durchaus was her: Das athletisch-muskulös wirkende Naked Bike verheißt kompaktes Fahrvergnügen. Die Sitzposition mit eher hoch montierten Fußrasten fällt dezent sportlich aus, spricht jüngere Leute sicher stärker an als ältere. Der Lenker ist moderat breit, alle Faktoren zusammen ermöglichen eine spürbar vorderradorientierte, aktive Sitzposition. Gut so.
Im Test: 76-PS-Motor
Die Erwartungen an eine Geheimtipp-Monster werden allerdings vom teils hakelig arbeitenden Getriebe und auch dem eher bescheidenen Druck des Zweizylinders konterkariert. Dass maximal lediglich 67 Nm Drehmoment anliegen, ist ständig präsent. Das bleibt auch unterhalb dessen, was eine aktuelle Honda Hornet bietet (67,5 kW/92 PS, 75 Nm). Die wiegt aber rund 25 Kilo weniger und liegt zudem preislich niedriger. Optisch kann die Japanerin der Italo-Chinesin freilich nicht das Wasser reichen.
Schon diese wenigen Bezüge reichen, um der Benelli einen Sonderstatus zu attestieren: Sie ist etwas für Individualisten. Und zwar solche, die primär Spaß an attraktiven Formen sowie schön gemachten Komponenten haben, aber nicht übertrieben leistungsorientiert denken. Ein paar Beispiele: der filigrane, aus gebürstetem Edelstahl gefertigte Endschalldämpfer. Oder die fein bearbeitete, stolze fünf Zentimeter starke USD-Gabel von Marzocchi. Auch die aus doppelten Stahlrohren gefertigte Schwinge ist ein schönes Stück, stellt jede profane Alu-Schwinge optisch in den Schatten.
Die Kehrseite zeigen die technischen Daten: 226 Kilogramm fahrfertig sind 20 Kilo mehr als die mittlerweile ausgelaufene Ducati Monster 821 (mit immerhin 109 PS) gewogen hat, oder 15 Kilo mehr, als die aktuell 125 PS starke Kawasaki Z900 auf die Waage bringt.
Bilder: Benelli 752S
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Ordentliches Fahrverhalten
Das Fahrwerk operiert zielgenau, was sicherlich auch den gut harmonierenden Pirelli-Reifen zu verdanken ist. Federung und Dämpfung arbeiten konzept- und klassengemäß, die üppig bemessene Bremsanlage hält, was die hochwertigen Komponenten versprechen. Das in den unteren beiden Gängen etwas lang übersetzte Sechsganggetriebe hakt, wie schon gesagt, insbesondere beim Zurückschalten gelegentlich. Leider bietet es keine Option für einen Quickshifter zum kupplungslosen Schalten.
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Keine Extras, Display mit Mängeln
Mit Extras haben's die preissensibel agierenden chinesischen Manager genauso wenig wie mit optionalen Ausstattungspaketen. Und dass bei nasser Straße der Fahrer auch von hinten und seitlich unten eingedreckt wird, ist unvermeidlich: Das unverkleidete Hinterrad ist nun mal eine Dreckschleuder.
Ungut ist zudem, dass das sonst gut ablesbare TFT-Display bei direkter Sonneneinstrahlung praktisch unablesbar ist. Dafür bietet die Benelli bei Dunkelheit ein abgedunkeltes "Nacht-Display" sowie bläulich umrahmte und daher leicht zu findende Lenkerschalter. Die sind bestens angeordnet und arbeiten zudem präzise.
Ein Naked Bike für die Landstraße
Hat man die für eine sportliche 750er eher dezente Leistungsabgabe akzeptiert, lässt sich mit dem Zweizylinder-Reihenmotor gut leben: Er dreht durchaus freudig hoch, und bietet fürs zügige Landstraßenfahren ausreichend Leistung, sofern der Fahrer entsprechend Gas gibt und höhere Drehzahlen nicht scheut. Der Sound hört sich im Leerlauf "blubberig" an, keine Spur von Aggressivität oder problematischen Lautstärken.
Dass der Landstraßenverbrauch teils deutlich unter dem abschreckend hohen Normverbrauch von 5,4 Litern bei den Testfahrten zu liegen kam, ist erfreulich. Die Autobahnwertung sparten wir uns, denn jenseits von 130 km/h ist die Benelli wegen des kräftigen Winddrucks auf den Fahrer nur Stiernackentypen zu empfehlen.
Benelli 752S: Technische Daten, Preis
Herstellerangaben | |
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Motor | Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Reihenmotor, 4 Ventile pro Zylinder, dohc, 754 ccm Hubraum, 56 kW/76 PS bei 8500 U/min, 67 Nm bei 6500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kettenantrieb |
Fahrleistungen und Verbrauch | Höchstgeschwindigkeit 190 km/h, Standgeräusch 92 dB(A), Normverbrauch lt. EU5 5,4 l/100 km (E10), Testverbrauch 4,8 bis 5,4 l/100 km (Landstraße, keine Autobahn) |
Fahrwerk | Stahl-Brückenrahmen; vorne USD-Telegabel, ø 50 mm, 130 mm Federweg; hinten Doppelrohr-Profilschwinge, Zentralfederbein (Vorspannung einstellbar), Federweg k.A.; Aluminiumgussräder; schlauchlose Reifen Pirelli Angel GT 120/70 R 17 (vorne) und 180/55 R 17 (hinten); 320 mm Doppelscheibenbremse vorne, 260 mm Einscheibenbremse hinten |
Assistenzsysteme | ABS, Antihopping-Kupplung |
Maße und Gewichte | Radstand 1460 mm, Bodenfreiheit 180 mm, Sitzhöhe 825 mm, Gewicht fahrfertig 226 kg, zul. Gesamtgewicht 406 kg, Zuladung 180 kg; Tankinhalt 14,5 Liter |
Preis | 8500 Euro |
Fazit: Hübsch, aber leistungsschwach
Ist sie nun ein Geheimtipp? Jein. Attraktiv ist sie bestimmt für Individualisten, denn sie ist derzeit selten auf den Straßen und bei Motorradtreffs zu sehen. Aber leistungsorientiert sollte man als Interessent nicht eingestellt sein, denn die Preis-Gewichts-Leistungswertung kann die Italo-Chinesin nicht gewinnen. Auch mit Smartphone-Konnektivität kann die Benelli nicht punkten. Dafür ist sie halt keine Dutzendware. Was ja auch was für sich hat. Und Spaß beim Fahren ist unabhängig von Konnektivität. Der kommt, ganz klar, auf der Benelli trotzdem auf.
Text: Ulf Böhringer/SP-X