Renault Espace im ADAC Test: Der Ur-Van wurde zum SUV

Eine Aufnahme von der Seite des fahrenden Renault Espace
Getestet und für gut befunden: Der Renault Espace© Renault/Ulli Sonntag

Fans des Renault Espace sind möglicherweise enttäuscht: Aus der klassischen Großraumlimousine ist ein x-beliebiger SUV geworden. Unter dem Blech finden sich jedoch einige Besonderheiten. ADAC Test, Daten, Preis.

  • Nur ein Antrieb für den Espace: 199 PS Vollhybrid

  • Nominell Platz für sieben Personen, verschiebbare Rückbank

  • Attraktiver Basispreis von 43.500 Euro

Unter dem Namen Espace – deutsch: Weltraum – revolutionierte Renault 1984 die Autowelt. Nur 4,22 Meter kurz, transportierte der erste Renault Espace bis zu sieben Personen auf plüschigen Einzelsitzen, die sich drehen und ausbauen ließen. Bis heute schwören vor allem in Frankreich Generationen von Familien auf den Reisekomfort des damaligen "Raumwunders".

Nun ist Schluss mit dem Van-Konzept. Grund: Der Zeitgeist verlangt nach SUVs, vor allem in der Mittelklasse, in dem sich Modelle wie Kia Sorento, Nissan X-Trail oder VW Tiguan wie geschnitten Brot verkaufen. Großraumlimousinen sind – abgesehen von Bussen wie der Mercedes V-Klasse oder dem VW-Bus – absolut out. Jedenfalls wagt es kaum ein Hersteller mehr, eine anzubieten.

Für den Espace wirft das neue Konzept Fragen auf: War der Umschwung vom Van zum SUV kundengerecht? Ist damit der Reisekomfort dahin? Und wie steht es um das Platzangebot im nun 4,72 Meter langen SUV wirklich? Kann der neue Espace an die Qualitäten des einstigen Raumwunders anknüpfen?

Bildergalerie: Der neue Espace im Detail

Der Espace ist ein langer Renault Austral

Eine frontale Aufnahme des fahrenden Renault Espace
Auf gut 4,70 Meter Länge soll der Renault Espace Platz für sieben Personen bieten© Renault/Ulli Sonntag

Wer es ganz nüchtern betrachtet, sieht den Mythos Espace erst einmal reichlich entzaubert: Das aktuelle Modell ist technisch nichts anderes als ein verlängerter Renault Austral, den die Franzosen im Herbst 2022 auf den Markt brachten. Immerhin lässt sich im Espace die zweigeteilte Rückbank um 22 Zentimeter verschieben, je nach Platzbedarf für Passagiere oder Gepäck. Das hat praktische Vorteile: Ganz nach hinten geschoben, sind die Passagiere der zweiten Reihe bei 32 Zentimetern Beinfreiheit nämlich sehr bequem untergebracht. In vorderster Stellung der Sitze wird es zwar für die Insassen enger, dafür passen dann aber stolze 777 Liter ins Heck. Werden die Lehnen flachgelegt, wächst das Ladevolumen auf 1818 Liter, so die Angaben des Herstellers.

Laut ADAC Messmethode fasst der Gepäckraum bei 5er-Bestuhlung inklusive der gefalteten Notsitze 465 Liter. Entfernt man die Abdeckung und nutzt den Stauraum bis zum Dach hoch, erweitert sich das Volumen auf großzügige 715 Liter. Unter Ausnutzung des kompletten Raums hinter den Vordersitzen ist ein Volumen von bis zu 1485 Liter verfügbar. Sind die Plätze sechs und sieben in Verwendung, sinkt das verbleibende Kofferraumvolumen allerdings auf spärliche 115 Liter. Die Beinfreiheit vorne reicht für rund 1,90 Meter große Menschen, hinten sogar für bis zu 2,10 Meter große Personen, wenn die Vordersitze für 1,85-Meter-Menschen eingestellt sind.

Hinten allenfalls zwei Notsitze

Spannend wird die Platzfrage bezüglich der dritten Reihe: Wer die zusammengefalteten Aufstellsitze im Kofferraum betrachtet, mag sich kaum vorstellen, hier irgendwie bequem unterkommen zu können. Und wenn die Plätze sechs und sieben hergerichtet sind, fehlt eine Idee, wie man jemals dort hinten hinein kommen könnte – zumindest als Erwachsener.

Also haben wir die Probe aufs Exempel gemacht. Und in der Tat: Einen der beiden Aufstellplätze in der dritten Reihe zu erklimmen, erfordert ein gewisses Mindestmaß an Gelenkigkeit und Fitness. Für ein Kind mag das sicher eine reizvolle Übung sein. Für ausgewachsene Menschen kann die Leibesverrenkung dagegen zur Tortur werden.

Hat man es doch nach hinten geschafft, stellt man überrascht fest: So eng, wie es aussieht, ist es dort gar nicht. Die Fußspitzen des Redakteurs schaffen es irgendwie doch unter den Sitz davor. Die Knie ragen zwar hoch, aber man sitzt zumindest so annehmbar, dass man es als Erwachsener eine halbe Stunde im Hinterhof des Espace aushalten würde. Das reicht bis ins nächste Restaurant oder ins Kino.

Fünf oder sieben Sitze zum gleichen Preis

Der offene Kofferraum des neuen Renault Espace
Auf Wunsch gibt es zwei Notsitze zum Aufklappen im Kofferraum © Renault

Gut, dass es den Wagen wahlweise zum gleichen Preis als Fünf- oder Siebensitzer gibt. So kann der Kunde oder die Kundin sich frei entscheiden, was besser gefällt. Allerdings verzichtet man für die Variabilität mit sieben Sitzen auf etwa hundert Liter Kofferraumvolumen. Zur Positionierung als Reisemobil passen die im gesamten Auto verteilten großzügigen Ablagen und Staufächer sowie USB-C-Anschlüsse auf allen Plätzen. Insgesamt 39 Liter Extra-Stauraum haben die Ingenieure geschaffen, davon 20 Liter im Bereich von Cockpit und Vordersitzen.

Die serienmäßige Ausstattung ist großzügig, darunter befinden sich insgesamt 32 Fahrerassistenzsysteme. Auf Wunsch bietet Renault eines der größten Glasdächer im Segment an. Es zieht sich auf 1,33 Meter Länge bis über die Plätze in Reihe drei. Eine spezielle Beschichtung soll UV-Strahlen draußen halten und verhindern, dass sich der Innenraum im Sommer aufheizt.

Intern gilt der Espace als Technologieträger, er hat das neue, googlebasierte Bedien- und Anzeigesystem "OpenR Link" an Bord. Es kombiniert zwei rund 12 Zoll große Displays in Form eines liegenden L. Erweitern lässt es sich um ein 9,3 Zoll großes Head-up-Display. So werden alle fahrrelevanten Informationen auf einer Fläche dargestellt, die drei Tablets entspricht. Wie üblich kann das Musik- und Unterhaltungsprogramm über Apps gesteuert werden, beispielsweise Amazon Music oder Spotify. Zusätzlich bieten die Franzosen über die My-Renault-App Zugriff auf eine Bibliothek mit 39 länderspezifischen Inhalten. Und sollte es unterwegs langweilig werden, können sich die Passagiere mit der App "Song Pop" bei einem Musikquiz die Zeit vertreiben.

So zeitgemäß einige Anwendungen funktionieren, so unübersichtlich kann hier und da die Gesamt-Menüführung sein. An einige Kniffe wie die separate Bordcomputer-Anzeige im Tachodisplay muss man sich erst gewöhnen. Zwischen eigenen Apps, Fahrzeugeinstellungen oder Navifunktionen kann über direkte Touchflächen am oberen Bildschirmrand gewechselt werden.

Die wichtigsten Klimafunktionen haben ein eigenes Bedienteil unterhalb des Touchscreens. Etwas verwirrend: Die Klimaelemente auf dem Touchscreen dienen teilweise nur als Anzeige; Sitz- und Lenkradheizung werden von hier gesteuert.

199 PS-Hybridantrieb als einziger Motor

Wolfgang Rudschies am Steuer des Renault Espace
Redakteur Rudschies empfand den Espace als angenehme Reiselimousine© Achim Stahn

Auch beim Antrieb muss die Fangemeinde umdenken. Diesel sind bei neuen Renault-Modellen generell passé. Als einzige Motorisierung bekommt der Espace den vom Austral bekannten 146 kW/199 PS starken Hybridantrieb. Der kombiniert einen kleinen Dreizylinder-Turbobenziner mit 1,2 Liter Hubraum und 96 kW/131 PS Leistung mit zwei E-Motoren.
Der 50 kW/68 PS starke Haupt-Elektromotor wird von einem 1,7-kWh-Akku gespeist und unterstützt beim Fahren, während der 18 kW/25 PS als Startergenerator zum Anlassen des Verbrenners und zum Wechsel der elektrischen Fahrstufen dient.

Inklusive Leerlauf erlaubt das System insgesamt 15 Fahrstufen- und Antriebskombinationen. Damit fahre der Espace immer im wirtschaftlichsten und emissionsärmsten Bereich, sagt Renault.

Ob die von Renault gewählte Form der Elektrifizierung den Kunden genügt, wird sich zeigen. Für einen vollelektrischen Antrieb eignet sich seine Plattform jedenfalls nicht. Auch von einem Plug-in-Hybrid ist keine Rede. Und als einziges Mittelklasse-SUV muss der Espace auch gänzlich auf Allradantrieb verzichten.

Ecotest-Verbrauch: 5,9 Liter auf 100 Kilometer

Unter dem Strich soll der Hybridantrieb für einen Verbrauch von nur 4,7 Litern auf 100 Kilometer gut sein. Ein Wert, der beim ADAC Ecotest um gut einen Liter überschritten wurde. Aber es war erstaunlich, wie oft der Wagen im Stadtverkehr und zum Teil auch auf der Landstraße rein elektrisch unterwegs war. Wegen der geringen Schadstoffemissionen holt der Franzose holt unterm Strich locker vier Sterne Ecotest-Sterne.

Die maximal 199 PS sorgen für souveräne Fahrleistungen. Den Zwischenspurt von 60 auf 100 km/h absolviert der Franzose in 4,6 Sekunden, von 80 auf 120 km/h braucht er mit 5,5 Sekunden kaum länger. Renault gibt den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h mit 8,8 Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 174 km/h.

Während der Espace im EV-Mode ohne Störgeräusche und Vibrationen dahingleitet, läuft der Verbrenner wenig kultiviert, vibriert und brummt. Diese Vibrationen übertragen sich nicht nur auf die Insassen, sondern auch auf Bauteile im Interieur, die dann punktuell Klapper- und Knarzgeräusche von sich geben. Das mag so gar nicht zum optisch wertigen Eindruck des Franzosen passen.

ADAC Autotest: Das steckt hinter den Ergebnissen

Die ADAC Autotest-Ergebnisse beruhen auf akribischen Messungen: Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchen die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite.

Ansprechverhalten und Leistungsentfaltung des Antriebs wiederum gehen in Ordnung. Gaspedaleingaben werden zügig umgesetzt, die Leistung baut sich weitgehend homogen auf. Die Schaltvorgänge des Multi Mode-Automatikgetriebes sind zwar weitgehend ruckfrei, bringen aber unnötig Unruhe ins Fahrzeug. Bei zügigem Beschleunigen oder sportlicher Fahrweise verhält sich die Automatik unharmonisch und reagiert nervös auf Bewegungen am Gaspedal. Beim Anfahren reagiert das Getriebe sporadisch etwas verzögert und verleitet dann dazu, das Gaspedal kräftiger als notwendig zu betätigen

Im ADAC Ausweichtest überzeugt der Espace. Er folgt der eingeschlagenen Linie dank seiner direkten Allrad-Lenkung und der gripstarken Bereifung für seine Größe überraschend zielgenau. Das ESP greift im richtigen Moment durchaus vehement ein und hält den Espace zuverlässig auf Kurs. Die Lenkung zentriert bei höheren Geschwindigkeiten angemessen, die Lenkpräzision ist gut, wenngleich sie etwas unter der Wankneigung des Espace leidet. Die erforderlichen Lenkkräfte sind grundsätzlich recht niedrig.

Fazit: In Summe ist der Espace ein familientaugliches und praktisches Auto geblieben. Doch ein Unterschied zu anderen SUVs ist kaum auszumachen.

Renault Espace: Technische Daten, Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

Renault Espace E-Tech Full Hybrid 200 Iconic Automatik (7-Sitzer) (ab 06/23)

Motorart

Voll-Hybrid

Hubraum (Verbrennungsmotor)

1.199 ccm

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

146

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

199

Drehmoment (Systemleistung)

230 Nm

Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor)

5.600 U/min

Antriebsart

Vorderrad

Beschleunigung 0-100km/h

8,8 s

Höchstgeschwindigkeit

174 km/h

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

105 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

4,6 l/100 km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

1,7

Kofferraumvolumen normal

159 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.714 l

Leergewicht (EU)

1.773 kg

Zuladung

587 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg

Anhängelast gebremst 12%

1.500 kg

Garantie (Fahrzeug)

3 Jahre oder 150.000 km

Länge x Breite x Höhe

4.722 mm x 1.843 mm x 1.645 mm

Grundpreis

48.300 Euro

ADAC Messwerte

ADAC Messwerte (Auszug)

Renault Espace E-TECH Full Hybrid 200 Iconic Automatik

Überholvorgang 60 – 100 km/h

4,4 s

Bremsweg aus 100 km/h

34,3 m

Wendekreis

10,8 m

Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest

5,9 l Super/100 km, 160 g CO₂/km (Well-to-Wheel)

Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)

****

Reichweite

930 km

Innengeräusch bei 130 km/h

67,2 dB(A)

Leergewicht / Zuladung

1750 / 610 kg

Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch

465 / 865 / 1485 l

ADAC Testurteil

ADAC Testergebnis

Renault Espace E-Tech Full Hybrid 200 Iconic Automatik (7-Sitzer) (ab 06/23)

Karosserie/Kofferraum

2,6

Innenraum

2,2

Komfort

2,5

Motor/Antrieb

2,2

Fahreigenschaften

2,3

Sicherheit

1,9

Umwelt/EcoTest

2,0

Gesamtnote

2,2
Sicherheit und Umwelt werden doppelt gewertet

sehr gut

0,6 - 1,5

gut

1,6 - 2,5

befriedigend

2,6 - 3,5

ausreichend

3,6 - 4,5

mangelhaft

4,6 - 5,5

Text: Wolfgang Rudschies mit Material von SP-X

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