Mercedes V-Klasse im Test: Der elegantere Bulli

Mercedes wirbt für die V-Klasse mit reichlich Platz, sauberen Dieselmotoren und hoher Verarbeitungsqualität. Ob der Raum-Shuttle diese Versprechen halten kann, klärt der ADAC Test. Dazu alle Infos zum Facelift ab dem Frühjahr 2024
Platz für fünf bis acht Passagiere, drei Längen
120 kW/163 PS starker Basismotor und Neungang-Automatik
Preisliste startet bei 59.393 Euro
Im Frühjahr 2024 zieht noch mehr Luxus ein
Egal ob Großfamilie oder Shuttle-Service: Ein Kleinbus ist für Leute mit Platzbedarf meist die beste Wahl. Ganz oben auf der Wunschliste stehen da oft der VW T7 oder der noch weitergebaute VW T6, aber es gibt auch einige Alternativen wie Ford Tourneo Custom, Opel Zafira Life oder Citroën Space Tourer, um nur einige zu nennen. Oder eben die Mercedes V-Klasse, die zum Frühjahr 2024 noch einmal ordentlich aufpoliert wird (siehe unten).
Die V-Klasse gilt als Edel-Bus und ist aktuell wie gehabt in drei Längen von 4,90 bis 5,37 Meter und mit zwei Radständen, 3,20 und 3,43 Meter, erhältlich. Zudem kann man fünf, sechs oder acht Sitze und ein oder zwei seitliche Schiebetüren wählen. Geblieben ist auch das typische Mercedes-Interieur, das sehr hochwertig verarbeitet ist und mit viel Holz und gepolsterten Oberflächen alles andere als Nutzfahrzeug-Flair verströmt. Das hat der V so manchem Konkurrenten voraus.
V-Klasse: Edles Interieur, angestaubte Bedienung

Das Cockpit wirkt durch die wenigen Tasten und Schalter wie gewohnt übersichtlich. Die meisten Funktionen werden über den gut erreichbaren Comand Controller, der weit oben und mittig angeordnet ist, gesteuert – dargestellt werden sie im feststehenden Hauptdisplay. Ein Touchscreen ist das allerdings (noch) nicht – was heute schon ein wenig angestaubt wirkt. Zudem ist die Menüstruktur nicht so simpel aufgebaut, dass man sie auf Anhieb verstehen würde. Hier braucht es reichlich Eingewöhnungszeit. Oder man setzt auf die Dienste des per Sprachsteuerung bedienten Multimediasystems MBUX. Aber auch das ist nicht immer ideal.
Platzangebot und Kofferraumvolumen
Das Platzangebot ist bei der getesteten Langversion immens, was vor allem für den Fond gilt. Die V-Klasse zeigt sich hier sehr variabel: Beine ausstrecken, Sitze verschieben, Vis-à-vis-Stellung, damit man seinen Mitfahrern in die Augen schauen kann – all das ist möglich. Allerdings bringen die massigen Sitze auch ein ordentliches Gewicht mit, so dass man sich jegliche Umbauten im Innenraum sehr genau überlegen dürfte. Erhältlich ist darüber hinaus das Liege-Paket mit Dreier-Sitzbank zum Flachlegen sowie ein klapp- und verschiebbarer Tisch.
Der Fahrer sollte jedoch kein Riese sein – was aber nicht für die Kopffreiheit gilt, die in dem Bus so gut wie kein Limit kennt. Vielmehr lassen sich die Vordersitze nur für Personen bis 1,90 Meter Körpergröße weit genug zurückschieben.
Dass bei voller Besetzung das Gepäck zu Hause bleiben muss, ist bei der Langversion auszuschließen. Hinter der dritten Sitzreihe passen bis zur Fensterunterkante stolze 755 Liter in den Bus, bis zum Dach sind es 1330. Und werden alle Sitze bis auf die erste Reihe ausgebaut, lassen sich mit gemessenen 4785 Litern Fassungsvermögen sogar kleine Umzüge stemmen.
Zwei-Liter-Diesel in drei Leistungsstufen

Als Antrieb dient ein Zweiliter-Vierzylinder-Diesel, der in drei Leistungsstufen als 220 d, 250 d und 300 d mit 163, 190 und 237 PS angeboten wird. Die elektrische V-Klasse EQV ergänzt das Antriebsportfolio. Bei den Dieseln soll der Verbrauch durch die letzte Überarbeitung laut Hersteller um bis zu 13 Prozent gesunken sein. Doch wie sparsam ist die V-Klasse wirklich? Im ADAC Test musste sich der stärkste Diesel, der 300 d, beweisen.
Motorisiert ist die V-Klasse damit jedenfalls bestens. Die 237 PS setzen sich sehr gut in Szene und bringen den 2,5-Tonner zügig in Schwung. Weil das maximale Drehmoment von 500 Nm bereits bei 1600 Touren anliegt, braucht der Motor keine hohen Drehzahlen, was einer entspannten Fahrweise entgegenkommt.
Der simulierte Überholvorgang (Beschleunigung von 60 auf 100 km/h) wird so in flotten 5,6 Sekunden absolviert – damit braucht sich die V-Klasse wirklich nicht zu verstecken und kann mit flacheren Pkw sehr gut mithalten. Angesichts einer Beschleunigung von unter acht Sekunden auf Tempo 100 und einer Spitze von 220 km/h stellt sich allerdings schon die Frage, ob so viel Leistung bei einem Van überhaupt sein muss oder ob es nicht die schwächere Variante 250 d auch tut.
Testverbrauch: 8,2 l Diesel/100 km
Beim Verbrauch kann der Dieselmotor keine Wunder vollbringen. Im ADAC Ecotest konnten die Testingenieure 8,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer messen, was einer Well-to-Wheel-CO₂-Bilanz (also mit den Emissionen bei der Kraftstoffherstellung) von 258 g/km entspricht. Ein eher schlechter Wert, der sich aber angesichts des hohen Nutzwerts der V-Klasse wieder ein wenig relativiert. Positiv: Die Schadstoffbilanz fällt wegen der umfangreichen Abgasreinigung sehr gut aus. Beides zusammengenommen, also CO₂ und Schadstoffe, ergibt drei von fünf Sternen im ADAC Ecotest.
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ADAC Ausweichtest: Ein Bus ist kein Sportwagen

Für einen Bus ist die V-Klasse ziemlich wendig und man hat nicht das Gefühl mit einem unhandlichen Transporter unterwegs zu sein. Die Größe merkt man am ehesten in engen Parkhäusern und das hohe Gewicht beim Handling. Denn auch wenn der starke Motor zum sportlichen Fahren verleitet: Ein Sportwagen wird aus der kastigen V-Klasse nicht. Das zeigt sich insbesondere beim ADAC Ausweichtest, der ein plötzliches Ausscheren vor einem Hindernis simuliert. Das Heck drängt beim ersten Anlenken nach außen und beim Gegenlenken schiebt die V-Klasse deutlich über die Vorderräder.
Insgesamt ist der Van dadurch sehr behäbig und kurzzeitig kaum lenkbar. Kipp- oder Schleudergefahr besteht zwar nicht. Aber eine allzu flotte Fahrweise führt schnell zur Überforderung des Fahrwerks – zu Lasten der Fahrstabilität und Sicherheit. Für noch mehr Komfort soll das Luftfederungssystem Airmatic sorgen. Damit lässt sich die V-Klasse je nach Bedarf um zehn Millimeter absenken oder im Programm „Lift“ bis maximal 30 km/h um bis zu 35 Millimeter anheben, etwa für holprige Feldwege. Kostenpunkt: 2213,95 Euro.
Fazit: Kein Schnäppchen, aber hoher Nutzwert

Bleibt noch der Preis. Und da sorgt Mercedes seit ein paar Wochen bei manchen Kunden für Verwirrung, weil im Online-Konfigurator vom Grundpreis je nach Ausführung und Version unterschiedlich hohe Rabatte (drei bis 18 Prozent) abgezogen werden. Zur Vereinfachung nennen wir hier und in den technischen Daten die Basispreise vor Abzug des Rabatts inklusive Mehrwertsteuer. Nach wie vor gilt: Billig war die V-Klasse schon mit einem Einstiegspreis von zuletzt 40.790 Euro für die deutlich abgespeckte Basisversion "Rise" nicht.
Sie kann aktuell aber nicht bestellt werden, deshalb geht es erst bei 59.393 Euro für den kurzen Kombi 220 d los (Stand August 2023). Die getestete Version mit 237 PS kommt aktuell als Avantgarde Edition mit Heckantrieb auf knapp 80.000 Euro, nach oben ist die Preisskala durch viele nette Extras ohnehin weitgehend offen. Doch auch ein VW Bus ist schließlich kein Schnäppchen. Abgesehen davon erhält man mit der Mercedes V-Klasse ein sehr solides Familienfahrzeug mit immens viel Platz.
Opel Zafira Life: Kleinbus statt Van
Der Opel Zafira trägt nun die Zusatzbezeichnung "Life" und hat sich vom klassischen Van-Konzept verabschiedet. Als kastiger Kleinbus konkurriert er nun mit dem VW Bus und der Mercedes V-Klasse.
Technische Daten Mercedes V-Klasse
Technische Daten (Herstellerangaben) | Mercedes-Benz V 300 d lang Avantgarde Edition 9G-TRONIC (ab 02/21) |
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Motorart | Diesel |
Hubraum (Verbrennungsmotor) | 1.950 ccm |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 174 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 237 |
Drehmoment (Systemleistung) | 500 Nm |
Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor) | 4.200 U/min |
Antriebsart | Hinterrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 220 km/h |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 195 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 7,4 l/100 km |
Kofferraumvolumen normal | 1.030 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 4.630 l |
Leergewicht (EU) | 2.150 kg |
Zuladung | 950 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 2.000 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 2 Jahre |
Länge x Breite x Höhe | 5.140 mm x 1.928 mm x 1.901 mm |
Grundpreis | 79.730 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Mercedes V 300d lang Avantgarde Edition |
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Überholvorgang 60-100 km/h | 5,6 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 35,5 m |
Wendekreis | 12,2 m |
Verbrauch / CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 8,2 l Diesel/100 km, 258 g CO₂/km (well-to-wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | *** |
Reichweite | 695 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 69,4 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 2440 / 760 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 1220 / 2620 / 4785 l |
ADAC Testergebnis
ADAC Testergebnis | Mercedes-Benz V 300 d lang Avantgarde Edition 9G-TRONIC (05/19 - 12/20) |
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Karosserie/Kofferraum | 2,0 |
Innenraum | 1,7 |
Komfort | 2,3 |
Motor/Antrieb | 1,9 |
Fahreigenschaften | 3,0 |
Sicherheit | 1,8 |
Umwelt/EcoTest | 3,3 |
Gesamtnote | 2,3 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
Das hat uns gefallen: Großer und variabler Innenraum, hohe Zuladung und Anhängelast, gute LED-Scheinwerfer, Platz für bis zu acht Personen, kräftiger Motor
Das hat uns nicht gefallen: Große und unübersichtliche Karosserie, eingeschränkte Fahrstabilität, hoher Anschaffungspreis, optionales Notrad am Unterboden
Facelift 2024: Sogar mit Stern auf der Haube

Ehe 2026/27 die neue Generation der V-Klasse auf den Markt kommt, sollen die überarbeiteten, ab Frühjahr 2024 erhältlichen Modelle noch einmal für mehr Attraktivität sorgen. Und das ist wörtlich gemeint, denn beim Facelift wird das äußere und innere Erscheinungsbild deutlich verfeinert. Die neue Front drückt Selbstbewusstsein aus. Je nach Ausstattungslinie kommen mehr oder weniger Chrombesatz und LED-Leuchtbänder zum Einsatz. Im Top-Niveau „Exclusive“ gibt es zudem einen Stern auf der Haube. So sollen statusaffine Kunden angesprochen werden. In der AMG Line findet sich ein großer Stern zentral auf dem Kühlergrill. Die Designwünsche der asiatischen – vor allen Dingen der chinesischen – sowie der US-amerikanischen Käufer werden so stärker berücksichtigt.
Zwar gibt es die V-Klasse wie auch den vollelektrischen EQV weiterhin als Personentransporter für bis zu acht Personen, doch der Trend geht zu mehr Komfort. Vier Einzelsitze in zwei Reihen im Fond sind Serie. Gegen Aufpreis lassen sich in der zweiten Reihe zwei vielfältig verstellbare und mit allerlei Extras wie Heizung, Massage und Ventilation ausgestattete Sessel montieren. Eine zweite seitliche Schiebetür für bequemeres Ein- und Aussteigen gehört ebenfalls zur Serienausstattung.
Neues Interieur mit zwei großen Displays

Außerdem hat Mercedes die Instrumententafel „aufgemöbelt“, sie ist jetzt in Holzoptik gestaltet. Dazu gibt es zwei ineinander übergehende, je 12,3 Zoll große Displays, die sich mit den drei Anzeigestilen dezent, sportlich und klassisch sowie den drei Modi Navigation, Assistenz und Service individualisieren lassen. Je nach Ausstattung ist eine Ambientebeleuchtung mit 64 Farben an Bord, das Infotainmentsystem MBUX verfügt über weitere Funktionen, darunter gegen Aufpreis Navigation mit Augmented Reality.
Was wird sich unter der Motorhaube der überarbeiten Fahrzeuge tun? Mercedes hält sich mit Angaben zurück. Bei den Verbrennern könnte eine Mild-Hybridisierung für etwas weniger Verbrauch sorgen. Auch zu den Preisen macht das Unternehmen noch keine Angaben. Die Luxus- beziehungsweise Premiumzuschläge dürften sich aber auf mehrere tausend Euro summieren.
Mit Material von SP-X
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