Renault Scenic E-Tech Electric: Reichweite first

Anfang 2023 war der Renault Scenic als Neuwagen verschwunden, seit Mitte 2024 ist er wieder zu haben, als reines E-Fahrzeug für die Familie. Verbrenner gibt es nicht mehr. Wie weit er kommt, was er bietet, was er kostet. Der Scenic E-Tech Electric im ADAC Test.
Test-Reichweite bis zu 490 Kilometer
Zwei Akkugrößen, zwei Leistungsversionen
Preise ab 41.890 Euro
Motto: Praktisch und familientauglich

Schon bei der ersten Annäherung gibt es einen deutlichen optischen Hinweis: Der Renault Scenic wird elektrisch angetrieben. Nicht weil der Wagen irgendwie extraterrestrisch aussieht, das tut er beileibe nicht. Nein, weil die Türgriffe ausfahren, sobald der Schlüssel in der Nähe ist.
Fährt man los, versenken sich die Öffner automatisch. Man kennt das ja, zum Beispiel vom Tesla Model 3 und Model Y. Grund dafür ist immer die Aerodynamik. Jedes Zehntel weniger Luftwiderstand zahlt sich zugunsten der Reichweite aus.
Und davon soll der aktuelle Renault Scenic E-Tech Electric – so sein verkünstelter vollständiger Name – eine Menge bieten. Der ADAC hat die Version mit dem größeren von zwei wählbaren Akkus getestet. Energiegehalt: 87 kWh netto. Das ist eine enorme Ansage in der unteren Mittelklasse.
Lesen Sie, wie weit der Scenic damit kommt, was er an Praktikabilität für die Familie zu bieten hat und mit welchen technischen Besonderheiten er aufwartet.
Renault Scenic Electric: Der Elektro-Van

Reichweite ist die neue Währung in der Autowelt. Die Währung PS hat zunehmend ausgedient. Ziemlich unverständlich, dass Autohersteller ihre Elektromodelle aktuell oftmals völlig absurd motorisieren. 300, 400, 500 PS scheinen überhaupt kein Problem für die E-Maschinen. Für den Energieverbrauch ist das schon eher problematisch, sobald die Leistung auch nur ansatzweise ausgereizt wird.
Nur gut, dass Renault den Fehler überzogen hoher Motorisierung noch bei keinem Elektromodell gemacht hat – auch beim Scenic nicht. Und gut, dass Renault sich stattdessen lieber auf die Themen Reichweite und Praktikabilität gestürzt hat. Herausgekommen ist ein elektrisch fahrender Familien-Van mit einer ordentlichen Reichweite sowie ein paar Besonderheiten, die aufhorchen lassen.
490 Kilometer Test-Reichweite
Bis zu 625 Kilometer sollen mit der 87 kWh großen Batterie möglich sein im gesetzlich verordneten WLTP-Zyklus. Im deutlich praxisgerechter gestalteten Messverfahren des ADAC Ecotest (u.a. Klimaanlage an, zusätzlicher Autobahn-Anteil) erreicht der Scenic mit großem Akku eine Reichweite von etwa 490 Kilometern. Ist das schlecht? Nein. Im Konkurrenzumfeld ist das sogar ein überdurchschnittlich guter Wert.
Der durchschnittliche Stromverbrauch wurde dabei mit 20,6 kWh pro 100 km ermittelt. Dabei kommt der Stromer innerorts auf einen Verbrauch von knapp 16 kWh/100 km, außerorts auf ungefähr 22 und auf der Autobahn auf etwa 24 kWh/100 km, Ladeverluste bei 3-phasiger Ladung inklusive.
Die maximale DC-Ladeladeleistung von ordentlichen 150 kW wurde im Test mit 145 kW nur knapp verfehlt. Sie wird nach dem Ladebeginn schnell erreicht, bleibt bis etwa zur Hälfte des Ladestands gleichmäßig hoch und ermöglicht damit ein schnelles "Auffüllen" bis zur Hälfte des Ladehubs (siehe Ladekurve im Test-PDF). Sind die Temperaturen winterlich bzw. die Batterie nicht durchgewärmt, wird die volle Ladeleistung nicht erreicht.
Positiv: Der Scenic verfügt über eine Batterieheizung, die aktiviert wird, sobald man zu einer Ladesäule navigiert. Für die Langstrecke gibt es zudem eine Laderoutenplanung, welche notwendige Ladestopps entlang der Route automatisch hinzufügt.
An AC-Säulen kann der Elektro-Franzose deren volles Potenzial von 22 kW ausschöpfen und den Akku in nur viereinhalb Stunden füllen. Das ist heute längst nicht die Regel, die meisten Autos ziehen dort nur 11 kW – mit entsprechend längeren Ladezeiten.

Erfreulicherweise geht Renault sehr transparent mit den im Alltag erzielbaren Reichweiten um. Der Bordcomputer weist nämlich mehrere Werte für den Fahrer aus. Neben dem oberen WLTP-Wert als Maximum wird die Reichweite entsprechend des Verbrauchs der letzten 70 gefahrenen Kilometer angezeigt und als dritter Wert die Anzahl an Kilometern, die man bei 5 Grad Außentemperatur auf der Autobahn mit Tempo 120 km/h erreichen würde (siehe Foto).
Fahrdynamik eingebremst
Mit 220 PS ist selbst die Topversion vernünftig motorisiert. Wobei man sagen muss, dass sich der Van etwas weniger dynamisch anfühlt als erwartet. Die Kraftentfaltung passt gefühlt nicht zum – für ein E-Auto – geringen Gewicht von lediglich 1,9 Tonnen. Aber sei's drum. Schließlich handelt es sich beim Scenic E-Tech nicht um einen Kompakt-Sportler wie der MG4 oder der Cupra Born.
In einem Familien-Van reichen die Beschleunigung von null auf 100 km/h in 7,9 Sekunden sowie die Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h vollkommen aus. Und im Alltag liefert der Antrieb ordentliche Fahrleistungen.
Vom Stand weg geht es zügig los, von 15 auf 30 km/h vergehen 1,2 Sekunden. Das ist hilfreich beim zügigen Abbiegen und Einfädeln in den fließenden Verkehr. Auch ein Überholmanöver ist schnell erledigt, knapp 3,9 Sekunden dauert die Beschleunigung von 60 auf 100 km/h. Von 80 auf 120 km/h geht es in 5,0 Sekunden.
Konsequenterweise zeigt sich auch das Fahrverhalten wenig auf Sportlichkeit ausgelegt. Und sollten der Fahrer oder die Fahrerin mal in die Nähe des Grenzbereichs einer Kurve geraten, bremst ihn/sie das ESP sanft auf eine verträglichere Geschwindigkeit herunter. Safety first.
Im ADAC Ausweichtest lässt sich die Zielgasse jedenfalls trotz leichtem Untersteuern recht gut treffen, die direkte Lenkung trägt positiv dazu bei. Dabei zeigt der Scenic sogar leicht fahraktive Anleihen: Denn das ESP regelt nicht zu früh, aber effizient und das Heck lenkt leicht mit.
Andererseits würden sich Eltern wie Kinder sicherlich nicht über etwas mehr Federungskomfort beschweren. Ein holpriges Pflaster zum Beispiel bringt die straff reagierende Hinterachse des Crossover-Van doch etwas aus der Ruhe. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Und auf der Autobahn zeigt der Scenic echte Reisequalitäten. Hier liegt der Federungskomfort auf einem wirklich guten Niveau.
Innenraum: Platz und Komfort

Die Entwickler haben sich nach eigenem Bekunden sehr viel Mühe gegeben, den Wagen zu einem Hort der Ruhe zu machen. Und deshalb extra Dämmelemente im Unterboden verbaut. Auch dass die heute leider obligatorischen Warntöne sich sehr dezent zurückhalten, möchte man dem Scenic hoch anrechnen. In vielen Autos neuester Bauart nervt das Gepiepse ziemlich: siehe GWM Ora 03, vormals Ora Funky Cat.
Ein ausgezeichneter Trick ist der Renault-Mannschaft mit der auf Knopfdruck möglichen Deaktivierung von ungewünschten Assistenten gelungen. Der Knopf wechselt von der durch die EU weitgehend vorgeschriebenen Grundeinstellung der Systeme ("all on") in die vom Fahrer selbst konfigurierte Einstellung der Assistenzsysteme ("personal").
Zwar wechselt der Knopf nach jedem Ausschalten des Motors wieder in die Grundeinstellung zurück, aber auf Tastendruck ist wieder Ruhe. Prädikat: zur Nachahmung empfohlen.
Vorne wie hinten sitzen auch größer gewachsene Menschen (1,90 bis 2,0 Meter) mit ausreichend Platz. Mit der Einschränkung, dass Fondpassagiere ihre Füße kaum unter den Vordersitz geschoben bekommen, wenn der in unterer Stellung justiert ist.
Das Kofferraumvolumen beträgt nach ADAC Messmethode (unterhalb der Kofferraumabdeckung, aufgestellte Rücksitzlehnen) 315 Liter. Entfernt man die Kofferraumabdeckung und nutzt den Stauraum bis unters Dach, fasst das Gepäckabteil 420 Liter oder alternativ acht Getränkekisten. Unter Ausnutzung des kompletten Raums hinter den Vordersitzen sind 1310 Liter Stauvolumen verfügbar.
Nicht so gut: Die Ladekante von außen befindet sich hohe 77 Zentimeter über der Straße. Bei umgeklappten Sitzen ist die Ladefläche nicht durchgehend eben, es entsteht ein deutlicher Absatz im Gepäckraum.
Gut: Renault bietet als Zubehör eine Fächereinlagebox für den Kofferraumboden an. Der Ladeboden wird damit um immerhin 14 Zentimeter näher an die innen 25 Zentimeter hohe Ladekante angehoben. Das macht das Beladen deutlich bequemer. Unter dem Boden stehen praktische Fächer für dies und das zur Verfügung.
Besonderheiten: Glasdach und Co

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Zu den Besonderheiten gehört die ausgeklügelte Mittelarmlehne hinten. Die bietet neben zwei Becherhaltern und Ablagen nämlich die Möglichkeit, ein Handy oder Tablet so zu befestigen, dass die hinten Sitzenden freihändig lesen oder einen Film anschauen können. Dazu muss man die Geräte allerdings umständlich in die vorhandenen Gummischlitze hineinfummeln. Wertig wirkt das drehbare Kunststoffgestell nicht.
Das Prädikat Premium verdient hingegen das Panoramaglasdach. Durch eine spezielle Beschichtung wird das Glas wahlweise blickdicht oder transparent. Beim Verlassen des Autos wechselt es automatisch auf blickdicht. Ein Feature mit rein praktischem Nutzwert ist der Fahrradträger für drei Bikes auf der Anhängerkupplung.
Nicht unerwähnt bleiben darf die serienmäßige Wärmepumpe, die das Wärmemanagement von Batterie, Motor und Innenraumklimatisierung übernimmt. Außerdem nutzt der Scenic die Abwärme von Batterie und Antriebsstrang, um den Innenraum zu beheizen, so Renault.
Die Bedienung über das Android-Betriebssystem gelingt ordentlich, allerdings ist die Menüführung hier und dort etwas unübersichtlich geraten. Mitunter verliert man sich in Untermenüs und wird von der "Überinformation" herausgefordert.
Für einige Funktionen kann auch die Sprachbedienung herangezogen werden. Der Google Assistant funktioniert tadellos und erleichtert beispielsweise die Aktivierung des gewünschten Radiosenders. Das Navigationssystem basiert auf Google Maps, arbeitet reaktionsschnell und äußerst zuverlässig.
Unter dem Strich ist der neue Elektro-Scenic ein interessantes Angebot. Bleibt die Frage, ob sich eine junge Familie das Auto auch leisten kann bzw. will. Der Testwagen kam beispielsweise auf einen Preis von stattlichen 56.750 Euro. Mit 60-kWh-Akku und entsprechend weniger Reichweite gibt es den Scenic ab 41.890 Euro.
Daten und Preise des Testmodells
Technische Daten (Herstellerangaben) | Renault Scénic E-Tech Electric 220 Long Range Iconic (03/24 - 04/25) |
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Motorart | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 160 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 220 |
Drehmoment (Systemleistung) | 300 Nm |
Antriebsart | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 598 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 17,6 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 87,0 |
Ladeleistung (kW) | AC:2,3-22,0 DC:150,0 |
Kofferraumvolumen normal | 545 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.670 l |
Leergewicht (EU) | 1.927 kg |
Zuladung | 514 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 1.100 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 2 Jahre |
Länge x Breite x Höhe | 4.470 mm x 1.864 mm x 1.571 mm |
Grundpreis | 52.100 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Renault Scénic E-Tech Electric 220 Long Range Iconic |
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Überholvorgang 60 – 100 km/h | 3,9 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 36,1 m |
Wendekreis | 11,1 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 20,6 kWh/100 km, 103 g CO₂/km (well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | **** |
Reichweite | 490 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 66,2 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 1916 / 525 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 315 / 735 / 1310 l |
ADAC Testergebnis
ADAC Testergebnis | Renault Scénic E-Tech Electric 220 Long Range Iconic (03/24 - 04/25) |
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Karosserie/Kofferraum | 2,6 |
Innenraum | 2,4 |
Komfort | 2,3 |
Motor/Antrieb | 1,1 |
Fahreigenschaften | 2,5 |
Sicherheit | 1,9 |
Umwelt/EcoTest | 1,6 |
Gesamtnote | 2,0 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
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