Cadillac Lyriq: Ist das Elektro-SUV eine Alternative?

Frontansicht eines fahrenden Cadillac Lyric
Cadillac Lyriq: Elektroauto mit imposanter Front© Cadillac

Die Marke Cadillac feiert mit dem Elektro-SUV Lyriq ihr Comeback auf dem deutschen Markt: Ein Fünf-Meter-Kaliber, das sich als Alternative zur europäischen Premium-Konkurrenz mit hohem Komfort, guter Reichweite und immenser Leistung sieht. Testfahrt.

  • Cadillac Lyriq mit 530 km Reichweite

  • Sehr hohes Ausstattungs- und Komfortniveau

  • Preis: 80.500 Euro

Ist das schon wieder ein neuer Chinese? Auf den ersten Blick kann man dieses SUV keiner Marke so richtig zuordnen, was vielleicht auch daran liegt, dass man Cadillac hierzulande längst vergessen hat. Schon vor einigen Jahren haben sich die Amerikaner vom hiesigen Markt mangels Erfolg verabschiedet. Jetzt ist Cadillac wieder da und feiert das Comeback mit dem interessant gestalteten Lyriq.

Offenbar hat General Motors als Mutterkonzern neidisch auf die Verkaufszahlen von Tesla geblickt und den Schluss gezogen, dass europäische Kundinnen und Kunden doch keinen Bogen mehr um amerikanische Autos machen – zumindest wenn sie elektrisch fahren. So wundert es kaum, dass das Comeback mit einem Elektroauto gelingen soll. Doch kann der Lyriq auch wirklich mithalten? Schließlich sind Tesla Model X, Mercedes EQE SUV und Audi Q8 e-tron sowie der Volvo EX90 scharfe und vor allem etablierte Konkurrenten.

Cadillac Lyriq: Ausstattung und Preis

Heckansicht eines fahrenden Cadillac Lyric
Interessant gestaltetes Heck mit schräger Klappe© Cadillac

Auf den ersten Blick liegt der Amerikaner mit 80.500 Euro preislich auf dem hohen Niveau der Konkurrenz. Das relativiert sich spätestens, wenn man die Preislisten studiert bzw. die Konfiguratoren bemüht. Wo bei Audi und Co. vieles extra bezahlt werden muss, ist beim Cadillac von elektrisch verstellbaren, beheiz- und belüftbaren Ledersitzen über ein Panoramadach bis zur Luftfederung und Navigation einfach alles an Bord, was ein Fortbewegungsmittel zum Luxusfahrzeug macht.

So kommen bei einer vergleichbaren Version mit ähnlich starker Motorleistung locker 15.000 Euro Preisdifferenz und mehr zusammen. Als Extras gibt es nur noch aufpreispflichtige Farben, ein Dachträgersystem und eine Anhängerkupplung. Das war's.

Cadillacs Nobel-Anspruch erfüllt der Lyriq aber nicht nur durch seine umfangreiche Ausstattung. Auch innen wirkt er sehr edel und schmeichelt den bis zu fünf Insassen mit fast durchgängig weichen Oberflächen, akkurat vernähtem Leder und angenehmer Haptik. Selbst Ablagefächer sind mit Leder ausgekleidet.

Viel Platz und großer Kofferraum

Eine dritte Sitzreihe hat der Lyriq trotz seiner stattlichen Länge von mehr als fünf Metern nicht zu bieten, glänzt dafür mit verschwenderischen Platzverhältnissen auf allen Sitzen, einem sehr großen, gut zugänglichen Kofferraum und einer immensen Ladefläche, wenn die Rückenlehnen im Fond umgeklappt sind. Dass dennoch nicht jedes sperrige Teil unterkommt, verhindert einzig die schräg stehende (elektrische) Heckklappe.

Innenraum: Bedienung unkompliziert

Wer moderne Autos kennt, sollte mit der Bedienung des Cadillac klarkommen, im Prinzip unterscheidet sie sich nicht von der Konkurrenz. Heißt: Über einen großen Touchscreen mit guter Auflösung werden so gut wie alle Einstellungen vorgenommen. Was nicht nur (Ex)-BMW-Fahrer freuen dürfte, ist ein zusätzlicher Dreh-Drücksteller an der Mittelkonsole, mit dem sich der Bildschirm zielsicher und komfortabel fernbedienen lässt. BMW und auch andere Marken haben den praktischen Knubbel mittlerweile bei fast allen Modellen abgeschafft.

Der Bildschirm reagiert schnell auf Eingaben, Navigation über Google Maps ist Serie und funktioniert gewohnt gut. Dass bei der Routenplanung Ladestopps vorgeschlagen werden, ist ebenfalls lobenswert.

Zum guten Ton gehören wie bei jedem neuen Modell digitale Instrumente hinter dem Lenkrad, die sich gut ablesen und mithilfe einer übersichtlichen Touchfläche links davon invidualisieren lassen. Dort kann man sich auch den Bordcomputer anzeigen lassen.

22,5 kWh/100 km: Kein Verbrauchswunder

Umständlich in Untermenüs auf dem großen Bildschirm in der Cockpitmitte muss man dafür also nicht gehen. Wünschenswert wäre allerdings noch, dass der Verbrauch in der in Europa üblichen Art, also in kWh/100 km angezeigt wird und nicht in km/kWh. Oder wüssten Sie auf Anhieb, ob vier Kilometer pro kWh viel oder wenig sind?

Dass der Lyriq kein neuer Verbrauchschampion wird, lässt sich bei knapp 2,8 Tonnen Leergewicht und 388 kW/528 PS Motorleistung allerdings auch so vermuten. Die WLTP-Werksangabe weist zumindest einen Durchschnittsverbrauch von 22,5 kWh/100 km aus. Zum Vergleich: Der neue Volvo EX90 kommt auf 20,8.

Hoher Fahrkomfort im Elektro-Cadillac

Frontansicht eines fahrenden Cadillac Lyric
Leise und komfortabel: Der Lyriq fährt so, wie man es sich bei einem Cadillac vorstellt© Cadillac

Auf Mini-Verbräuche dürfte es Lyriq-Fahrern aber in erster Linie ohnehin nicht ankommen. Entscheidender ist da die Frage: Fährt sich der Elektrowagen wie ein echter Cadillac? Ja, das macht er, denn gerade der Fahrkomfort des Lyriq ist beeindruckend. Nahezu lautlos setzt sich das Fahrzeug in Bewegung, und auch bei steigendem Tempo ist so gut wie nichts im gut gedämmten Innenraum zu hören.

Was zum Teil an einem Trick liegt: Aus den Lautsprechern der Kopfstützen kommt (nicht hörbarer) Gegenschall, der jede noch so kleine Frequenz eliminiert. Sogar Reifenabrollgeräusche glänzen durch Abwesenheit. Erst ab 150 km/h merkt man, dass der Wind leicht um die A-Säule säuselt.

Der Federungskomfort liegt ebenfalls auf hohem Niveau, trotz großer 21-Zoll-Räder rollt das SUV sehr sanft und geschmeidig ab. Keine Frage: Der Lyriq scheint gemacht zu sein für die große Reise.

102-kWh-Batterie für 530 km Reichweite

Damit die nicht allzu schnell an der nächsten Ladesäule endet, verbaut Cadillac eine entsprechend große Batterie mit 102 kWh. Nach Werksangabe sollen damit 530 Kilometer zu schaffen sein, was wohl für die deutsche Autobahn eher nicht gilt und schon gar nicht, wenn man sich nicht mit 130 km/h begnügt und auch mal schneller fährt. Theoretisch könnte der Lyriq mit 210 km/h mit den TDIs um die Wette fahren – doch die haben dann den längeren Atem, sprich die bessere Reichweite. Wie sich die Reichweite in etwa in Bezug auf Temperatur und Geschwindigkeit verändert, können Sie mit dem ADAC Reichweitenrechner ermitteln:

ADAC Reichweitenrechner

Cadillac Lyriq 600 E4 Luxury AWD 388 kW (528 PS)

-10

30

50

130

Berechnete Reichweite

514km

(Reichweite laut Hersteller: 530 km)

Zwar lässt sich mit dem Lyriq auch ganz sanft und gemütlich cruisen, doch wer das Fahrpedal stärker nach unten tritt, spürt die immense Kraft der beiden Motoren. 528 PS und pressen die Insassen förmlich in die Ledersitze, und das Dickschiff schießt in 5,3 Sekunden auf 100 km/h.

Trotzdem sollte man eines nicht tun: Den Cadillac mit einem Sportwagen verwechseln. Denn spätestens in der nächsten Kurve macht sich nicht nur das hohe Gewicht durch frühzeitig quietschende Reifen bemerkbar, es ist vor allem die Lenkung, die absolut kein Quell der Freude ist. Sie ist vergleichsweise schwergängig und dazu noch überaus indirekt ausgelegt, sodass man ganz schön zupacken muss, um den gewünschten Kurs in einer flotten Kurve einzuschlagen oder die nächste Parkhaussäule ohne Schramme zu umschiffen.

Da helfen selbst diverse Einstellmöglichkeiten nichts: Die verschiedenen Fahrmodi von Normal bis Sport sind eigentlich nur an der Gasannahme zu unterscheiden, wenn es in Sport einfach noch hurtiger vorwärts geht.

Anhängelast und Ladetempo

Heckansicht eines stehenden Cadillac Lyric
Als Extra gibt es eine Anhängerkupplung für knapp 1600 Kilo Anhängelast© Cadillac

Gespannfahrer dürfen 1,6 Tonnen Anhängelast an den Haken nehmen – doch hier bieten E-Autos anderer Marken mittlerweile mehr. Der Mercedes EQE SUV schafft 1800 Kilogramm, der Audi Q6 e-tron bis zu 2400 und der BMW iX sogar 2500 Kilogramm. Immerhin gibt es die Möglichkeit, einen Anhänger zu ziehen, das ist noch nicht bei allen E-Autos so (siehe auch Artikel zu Anhängelasten bei Elektroautos).

Und wie schnell lädt der Lyriq? An DC-Schnellladesäulen lädt der Cadillac mit maximal 190 kW. Das ist brauchbar, um nicht allzu lange Pausen einlegen zu müssen, aber die Konkurrenz ist hier meist besser aufgestellt und fährt ein paar Minuten früher wieder weiter. Eine halbe Stunde, um auf 80 Prozent zu kommen, sollte aber auch dem Lyriq reichen. Gut: An den AC-Säulen im städtischen Bereich nimmt sich der Amerikaner die vollen 22 kW, sodass der leere Akku dort nach viereinhalb Stunden wieder gefüllt ist.

Fazit

Der Cadillac Lyriq ist eine interessante und auch gute Alternative im Segment der Oberklasse-SUVs. Einer weiteren Verbreitung könnte nur das dünne Händlernetz im Wege stehen: Momentan gibt es gerade mal ein halbes Dutzend Anlaufstellen vornehmlich im Großstadtbereich. Zwar kann man den Lyriq auch online kaufen – doch die Wartung funktioniert noch nicht "over the air".

Vier Jahre Fahrzeuggarantie und acht Jahre auf die Batterie sollen zumindest Vertrauen schaffen. Und ob es die Marke hierzulande noch in ein paar Jahren geben wird oder ob GM wieder aufgibt? "Wir haben einen langen Atem", heißt es bei Cadillac. Es bleibt spannend.

Cadillac Lyriq: Technische Daten und Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

Cadillac Lyriq 600 E4 Luxury AWD (ab 05/24)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

388

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

528

Drehmoment (Systemleistung)

610 Nm

Antriebsart

Allrad

Beschleunigung 0-100km/h

5,3 s

Höchstgeschwindigkeit

210 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

530 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

22,5 kWh/100 km

Batteriekapazität (Netto) in kWh

102,0

Kofferraumvolumen normal

588 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.687 l

Leergewicht (EU)

2.774 kg

Zuladung

426 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg

Anhängelast gebremst 12%

1.587 kg

Garantie (Fahrzeug)

4 Jahre / 100.000 km

Länge x Breite x Höhe

5.005 mm x 1.977 mm x 1.623 mm

Grundpreis

80.500 Euro

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