Test Alfa Romeo Tonale: So sportlich wie erwartet?
Der Alfa Romeo Tonale ist ein wunderschönes Auto, das deutlich an Qualität gewonnen hat. Sein Herz schlägt aber nicht im gewünschten Takt. ADAC Test der 160-PS-Version, Daten, Preis und Video-Fahrbericht der 130-PS-Version.
Gelungen: Optisch ein typischer Alfa
Motoren: Mildhybrid, Plug-in-Hybrid, Diesel
Unharmonischer Antrieb, relativ hoher Verbrauch
Alfa Romeo ist so etwas wie der FC Schalke 04 der Autobauer: eine ewige Liebesgeschichte. Die großen Erfolge liegen schon ein paar Tage zurück, aber in den Herzen der Fans lodert noch immer die Hoffnung auf bessere Tage. Die könnten anbrechen – zumindest für Alfa. Der Hoffnungsträger der Tifosi heißt Tonale, benannt nach einem Pass in den Dolomiten. Der ist zwar kein heißblütiger Stürmer, soll aber bei Alfa endlich wieder für gute Transfersummen sorgen. Schließlich spielt der Tonale in der lukrativen Liga der Kompakt-SUVs mit.
Die taktische Ausrichtung ist unmissverständlich: Der Spielplan steht unter dem Projektnamen "La metamorfosi" – die Verwandlung. Bis 2027 will Alfa komplett unter Strom stehen, 2024 kommt mit dem Mito-Nachfolger namens "Milano" das erste rein elektrische Modell. Alfa-Boss Jean-Philippe Imparato verspricht bis dahin jedes Jahr ein neues Modell.
Der 4,53 Meter lange Tonale läutet die elektrifizierte Zukunft schon mal ein bisschen ein. Weil unter seinem schicken Blechkleid aber leider die schon recht betagte Technik-Plattform des Jeep Compass (seit 2005) steckt, lässt sich auf dieser Basis kein kompletter E-Antrieb mehr realisieren. Demzufolge bietet das Motorenprogramm zwei Mildhybride, einen Plug-in-Hybrid sowie einen Dieselmotor.
Galerie: Alfa Romeo Tonale in Bildern
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Mit Schaltpausen: Mildhybrid mit 160 PS
Laut Imparato steckt im Tonale mehr Alfa als jemals zuvor. Das entspricht aber eher Wunschdenken als der Realität, wie die 160-PS-Mildhybrid-Version beim ADAC Test offenbarte. Zwar vermittelt der Tonale in der Beinarbeit einen durchtrainierten Eindruck, die Lenkung lässt jedoch viel an Sportsgeist vermissen. Sie ist übertrieben direkt übersetzt, gerade um die Mittellage ist sie zu leichtgängig und indifferent, was sich leider auch im Sportprogramm nicht grundlegend ändert. Für die City ist das völlig okay, doch bei schneller Kurvenfahrt fehlt der Lenkung das Zielwasser, mit dem Stelvio oder Giulia so dynamisch um die Ecken biegen.
Der 13,5 Kilo schwere Akku sitzt zwischen den Vordersitzen und soll dem Tonale mit 1,5-Liter-Turbo-Vierzylinder und 48-Volt-Generator einen zusätzlichen Energieschub in unteren Drehzahlen bescheren. Als neues Sturmtalent kann sich der auffällig leise Tonale damit aber nicht positionieren – was in erster Linie am verbauten Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe liegt. Das ist ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch und beantwortet den Kickdown mit einer Atempause, bevor der Wunsch nach zügiger Beschleunigung zum Motor weitergereicht wird.
Das Zusammenspiel wirkt teils unkoordiniert, als wäre die Arbeit des Motors kurz aus dem Takt gekommen. Mit 6,9 l/100 km fällt der Verbrauch im ADAC Ecotest zudem nicht sonderlich gering aus. Immerhin hat der Tonale 1.5 VGT seine Emissionen sehr gut im Griff, auch dank des serienmäßigen Partikelfilters. Die Folge: immerhin vier von fünf möglichen Ecotest-Sternen.
Auch träge: Der Plug-in-Hybrid mit 280 PS
Als zweites Fahrzeug konnte die Redaktion den Plug-in-Hybrid mit einer Leistung von 280 PS probieren. Alfa-typischer Fahrspaß stellte sich jedoch weder auf den italienischen Landstraßen noch auf der Rennstrecke von Balocco ein. Der Eindruck resultiert auch hier aus der unglücklichen Schaltlogik der Automatik. Welches Fahrprogramm der Fahrer auch wählt: Er hat stets das Gefühl, irgendwie im falschen Gang unterwegs zu sein. Und nicht nur das: Die Reaktionen der Automatik sind so träge, dass sie die Nerven eines jeden sportlich ambitionierten Autofahrers über Gebühr strapazieren. Man muss es so hart sagen: Der Antrieb wirkt absolut unharmonisch und fühlt sich mehr nach 180 als nach 280 PS an. Cuore Sportivo? No.
Positiv fällt das vorläufige Fazit zum Elektromodus des Tonale mit Plug-in-Hybrid aus. Sehr zurückhaltend und vorausschauend gefahren, wies der Bordcomputer immerhin knapp 50 Kilometer elektrischen Anteils aus, bis sich der Verbrenner dauerhaft zuschaltete. Ein durchaus vorzeigbares Ergebnis, auch wenn die elektrische Reichweite für den Tonale PHEV vom Hersteller mit 69 bis 80 Kilometer angegeben wird.
Die Federung ist unnötig straff
Auch bei der Fahrwerksabstimmung hatten die Entwickler kein glückliches Händchen: Die Federung ist unnötig straff und sorgt dafür, dass der Aufbau nur bei topfebener Fahrbahn ruhig liegt. Vor allem innerorts wirken sich zudem die großen 19- Zoll-Räder mit niedriger Reifenflanke negativ auf den Abrollkomfort aus. Doch auch auf der Landstraße und der Autobahn gelingt es dem straffen Fahrwerk nur bedingt, Unebenheiten zu verarbeiten und Bodenwellen auszugleichen. Die Karosserie und somit auch die Insassen sind permanent in Bewegung. Dies ist besonders auf langen Strecken strapaziös.
Im ADAC Ausweichtest schneidet der Tonale dafür gut ab. Das Ausweichmanöver mit 90 km/h besteht er problemlos, hier zahlen sich die üppige 19-Zoll-Bereifung, die effektive ESP-Regelung sowie die direkte Lenkung positiv aus. Das Eigenlenkverhalten des SUV ist untersteuernd ausgelegt, zu schnell angegangene Kurven quittiert er mit sicherem Schieben über die Vorderräder. Auf Lastwechsel reagiert er mit einem leicht nach außen drängenden Heck, insgesamt ist die Hinterachse aber sehr spurstabil.
Der Geradeauslauf wird durch Spurrinnen und seitlich
abfallende Fahrbahnen deutlich beeinflusst. Zudem führt die
sehr direkte Lenkübersetzung dazu, dass der Tonale speziell bei
flotter Autobahnfahrt nervös wirkt. Selbst kleine
Lenkbewegungen um die Mittellage führen zu einer
Richtungsänderung, was in Kombination mit der straffen
Fahrwerksabstimmung zur Folge hat, dass der Italiener auf der
Autobahn unnötig aufgekratzt wirkt anstatt Gelassenheit zu
vermitteln.
NFT-Technologie: Daten für die Ewigkeit
Ein interessanter Baustein im Gesamtpaket des Tonale ist die sogenannte NFT-Technologie (Non-Fungible Token). Dahinter steckt ein weltweit erstmals in einem Serienmodell angebotenes digitales Scheckheft, das – mit Erlaubnis des Eigentümers – alle Fahrzeug- und Werkstattdaten über das gesamte Autoleben speichert. Es basiert auf dem nicht manipulierbaren Blockchain-Konzept, einer kontinuierlich erweiterbaren Liste von Datensätzen. Alfa erhofft sich von der neuen Technik vor allem einen stabileren Wiederverkaufswert.
Wertiger Innenraum, fünf Jahre Garantie
Überhaupt ist Vertrauen die neue Währung, mit der die Traditionsmarke überzeugen möchte. Imparato: "Der Tonale ist ein Ruf an alle Alfa-Romeo-Fans, die wir verloren haben." Damit dieser erhört wird, erhält das SUV als erster und bislang einziger Alfa eine Fünfjahres-Garantie. Zudem versprechen die Italiener ein ganz neues Qualitätslevel – einen "Meilenstein" nennt Alfa den Tonale.
Tatsächlich schneidet der Tonale im ADAC Test in puncto Verarbeitung bemerkenswert gut ab. Man hat nicht den Eindruck, dass der Italiener zusammengespart wurde, wie es inzwischen bei vielen Neuerscheinungen der Fall ist. Die Materialauswahl im Innenraum verdient das Prädikat "wertig", zudem wirkt alles solide zusammengebaut. Auch auf schlechtem Fahrbahnuntergrund verkneift sich der Alfa unschöne Klappergeräusche. Bemerkenswert: Mit Stoff überzogene A-Säulen, Türrahmenverkleidungen und Gasdruckfedern zum Öffnen und Halten der Motorhaube findet man in diesem Segment allenfalls im Premiumbereich.
Auch am Finish der Karosserie gibt es nur wenig zu mäkeln: Die Spaltmaße verlaufen gleichmäßig und schmal, der Unterboden ist überwiegend verkleidet sowie gut geschützt und selbst der Bereich des Reserverads unter dem Ladeboden ist mit Teppich verkleidet. Alles scheint aus einer neuen (Stellantis-)Truhe entnommen, zu der die Italiener bislang keinen Schlüssel hatten. Als Beweis hat der Tonale kürzlich in den USA (von JD Power) eine Auszeichnung für Kundenzufriedenheit bekommen. Höchste Qualität in einem Alfa – das hätte man früher kaum für möglich gehalten.
Und das Platzangebot? Der Fahrersitz lässt sich für Personen bis zu einer Körpergröße von 1,95 Metern zurück schieben, was für ein Kompakt- SUV ein ordentlicher Wert ist. Die Kopffreiheit fällt sogar noch ein Stück großzügiger aus. Das Raumangebot im Fond ist passabel, vor allem die Beinfreiheit fällt großzügig aus, sie reicht selbst für 2,05 Meter große Mitfahrer aus, sofern die Vordersitze für 1,85 Meter große Menschen eingestellt sind. Die Kopffreiheit ist weniger groß bemessen, sie genügt für bis zu 1,90 Meter große Insassen.
Der Gepäckraum fasst laut ADAC Messmethode unter der Kofferraumabdeckung 410 Liter. Entfernt man die Laderaumabdeckung und nutzt den Stauraum bis zum Dach hoch, erweitert sich das Volumen auf 505 Liter oder bis zu elf Getränkekisten. Unter Ausnutzung des kompletten Raums hinter den Vordersitzen sind bis zu 1305 Liter Volumen verfügbar.
Anknüpfung an historische Vorbilder
Trotz aller Neuerungen fährt die Markenhistorie immer mit. Schon die Namen der vier Ausstattungsvarianten klingen herrlich nach gestern: Super, Sprint, Veloce und TI (Tributo Italiano). An der Front sowie am Heck erkennen wir das 3-Augen-Design eines Alfa Zagato RZ oder eines Alfa Brera. Die ansteigende Seitenlinie zitiert den Alfa GT, und in den angedeuteten Tuben oberhalb des neuen Digitaltachos glauben wir sogar die feine Jäger-Grafik aus dem Duetto-Spider auszumachen.
Das Cockpit des Tonale sieht nicht nur schick aus, es lässt sich
zudem ordentlich bedienen. Die meisten Fahrzeugfunktionen
werden über den 10,25 Zoll großen Touchscreen gesteuert,
der mit hoher Auflösung und Reaktionsschnelligkeit
punktet, leicht zum Fahrer geneigt und ordentlich erreichbar
ist. Leider sind die Touchflächen teils sehr klein geraten, was
gerade in Verbindung mit den in Folge des straffen Fahrwerks
starken Karosseriebewegungen häufig zu Fehlbedienungen
führt. Die Menüstruktur ist weitgehend logisch aufgebaut,
auch wenn die einzelnen Menüs teils recht umfangreich sind
und man für manche Funktion lange scrollen muss. Positiv:
Alfa spendiert dem Tonale eine separate Klimabedieneinheit.
Fazit: Das Herz des Tonale schlägt nicht im Takt
Als neues Teammitglied im Stellantis-Konzern hat der Tonale deutlich an Qualität gewonnen. Die typischen Alfa-Tugenden in puncto Sportlichkeit bleiben jedoch auf der Strecke, was vor allem am trägen Automatikgetriebe, am Fahrwerk und an der Lenkung liegt. Im Gegensatz zu Alfa Giulia und Stelvio, die nicht nur betörend aussehen, sondern auch überzeugend fahren, kann man dies vom Tonale nicht behaupten.
Lesen Sie hier den ausführlichen Testbericht des Alfa Romeo Tonale 1.5 VGT 48V-Hybrid Ti TCT als PDF
Alfa Romeo Tonale: Technische Daten, Preis*
Technische Daten (Herstellerangaben) | Alfa Romeo Tonale 1.5 VGT 48V-Hybrid Ti TCT (06/22 - 10/23) | Alfa Romeo Tonale 1.5 VGT 48V-Hybrid Tributo Italiano TCT (10/23 - 01/24) |
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Motorart | Otto (Mild-Hybrid) | Otto (Mild-Hybrid) |
Hubraum (Verbrennungsmotor) | 1.469 ccm | 1.469 ccm |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 118 | 118 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 160 | 160 |
Drehmoment (Systemleistung) | 240 Nm | 240 Nm |
Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor) | 5.750 U/min | 5.750 U/min |
Antriebsart | Vorderrad | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 8,8 s | 8,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 212 km/h | 212 km/h |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 127 g/km | 127 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 5,6 l/100 km | 5,6 l/100 km |
Kofferraumvolumen normal | 500 l | 500 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.550 l | 1.550 l |
Leergewicht (EU) | 1.600 kg | 1.600 kg |
Zuladung | 535 kg | 535 kg |
Anhängelast ungebremst | 700 kg | 700 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 1.500 kg | 1.500 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 2 Jahre plus 3 Jahre Anschlußgarantie Maximum Care über FCA Germany AG | 2 Jahre plus 3 Jahre Anschlußgarantie Maximum Care über FCA Germany AG |
Länge x Breite x Höhe | 4.528 mm x 1.835 mm x 1.614 mm | 4.528 mm x 1.835 mm x 1.614 mm |
Grundpreis | 43.300 Euro | 49.800 Euro |
* links: getestetes Modell; rechts: aktuelles Modell
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Fazit zum Alfa Romeo Tonale 1.5 VGT 48V-Hybrid Ti TCT |
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Überholvorgang 60 – 100 km/h | 5,2 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 36,0 m |
Wendekreis | 12,2 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 6,9 l Super/100 km, 180 g CO₂/km (Well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | **** |
Reichweite | 795 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 69,6 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 1590 / 545 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 410 / 860 / 1305 l |
ADAC Testurteil
ADAC Testergebnis | Alfa Romeo Tonale 1.5 VGT 48V-Hybrid Ti TCT (06/22 - 10/23) |
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Karosserie/Kofferraum | 2,8 |
Innenraum | 2,5 |
Komfort | 3,1 |
Motor/Antrieb | 2,5 |
Fahreigenschaften | 3,2 |
Sicherheit | 2,1 |
Umwelt/EcoTest | 2,4 |
Gesamtnote | 2,6 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
Video-Fahrbericht: So fährt die 130-PS-Version
Reichen 130 PS im Tonale? Das klärt der Video-Fahrbericht:
Text: Tomas Hirschberger/SP-X, Wolfgang Rudschies
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