Runderneuerte Reifen: Eine gute Alternative zu Neureifen?

Mechaniker rollt Reifen durch eine Werkstatt
Kein Unterschied: Runderneuerte sehen wie Neureifen aus© Shutterstock/Standret

Sie wollen für Ihr Auto runderneuerte Reifen kaufen? Der Umweltaspekt und der Preis sprechen dafür. Doch sind sie auch gut und sicher? Die wichtigsten Fakten und Infos.

Wer seine abgefahrenen Winter- oder Sommerreifen ersetzen muss, will natürlich möglichst Geld sparen. Neben den billigen Neureifen aus Fernost und Gebrauchtreifen gibt es noch eine weitere preiswerte Alternative: Runderneuerte Altreifen, die mit einer neuen Lauffläche wie frisch aus der Fabrik aussehen.

Was sind runderneuerte Reifen?

Runderneuerte Reifen sind neuwertige Pneus, die aus Gebrauchtreifen hergestellt werden. Dafür kaufen Firmen, die auf die Runderneuerung spezialisiert sind, abgefahrene Reifen auf und tragen auf deren Unterbau, der sogenannten Karkasse, eine neue Lauffläche auf.

Die Mischung kann für Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen ausgelegt sein. Haben Letztere das offizielle Alpine-Symbol (Schneeflocke im dreizackigen Berg), genügen sie der deutschen Winterreifenpflicht.

Wie werden Runderneuerte produziert?

Runderneuerte Reifen werden bearbeitet
Die gebrauchten Karkassen werden auf Defekte überprüft© King Meiler

Der Arbeitsprozess: Per Lasertechnologie werden die Karkassen durchleuchtet und vorgeschädigte Reifen aussortiert. Spezielle Maschinen (Raumaschinen) entfernen den alten Laufflächengummi bis auf die Karkasse, auf die dann mit einem sogenannten Belege-Extruder eine Rohgummimischung aufgebracht wird. Der Reifenrohling kommt nun in eine Heizpresse, wo unter einem Druck von rund 15 bar und bei einer Temperatur von 160 Grad das neue Profil aufgebracht wird und der Gummi durch Vulkanisation vom plastischen in den elastischen Zustand übergeht.

Sind Runderneuerte umweltfreundlich?

Runderneuerte Reifen. Alte Reifen werden abgefräst
In der Raumaschine: Der alte Gummi muss runter© King Meiler

Auf alle Fälle. Allein in Deutschland fallen jedes Jahr knapp 60 Millionen Altreifen an. Und nur etwa die Hälfte der ausgedienten Pneus wird zum Beispiel zu Gummigranulat verarbeitet, das in Sportparks als Kunstrasen und Laufbahn zum Einsatz kommt oder für Dämmmatten gemischt wird.

Da bei der Runderneuerung ein Großteil der Karkasse wiederverwendet wird, ist der Verbrauch von wertvollen Rohmaterialien wie Gummi oder Stahl geringer. So spart man zum Beispiel bei einem schweren Lkw-Reifen etwa 50 Kilo Material ein. Generell verbrauchen Runderneuerer nach eigenen Angaben auch 80 Prozent weniger Wasser wie bei der Neureifenherstellung, 70 Prozent weniger Rohöl und insgesamt 70 Prozent weniger Energie.

Runderneuerte im ADAC Reifentest

Im Verlauf der letzten 50 Jahre wurden vom ADAC 97 runderneuerte Reifen in 29 Tests geprüft. In den meisten Fällen schneiden die getesteten Runderneuerten mit Ergebnissen ab, die sie ins hintere Mittelfeld des Rankings der Vergleichstests bringt. Seit dem Sommerreifentest 2023 erhalten runderneuerte Reifen im Rahmen der Bewertung der Nachhaltigkeit einen Bonus von einem ganzen Notenpunkt. Damit wird der besonderen Bedeutung der Runderneuerung für die positive Umweltbilanz Rechnung getragen.

Sind Runderneuerte sicher?

Runderneuerte Reifen. Alte Reifen werden aufgerauht
Wie beim Neureifen: Der Auftrag der Laufflächenmischung © King Meiler

Die industrielle Runderneuerung ist eine bewährte Technik, die schon lange im Nutzfahrzeugbereich, für Landmaschinen und sogar im Motor-Rennsport zur Anwendung kommt. Auch jeder dritte Flugzeugreifen ist runderneuert, manche Karkassen werden bis zu siebenmal genutzt.

Für runderneuerte Pkw-Reifen gelten strenge gesetzliche Vorgaben. So darf eine Karkasse nur einmal runderneuert werden. Seit 2006 dürfen zudem nur runderneuerte Reifen verkauft werden, die nach der EU-Norm ECE R 108 gefertigt und geprüft wurden. Wie komplett neu gefertigte Reifen müssen sie mit einem E-Prüfzeichen versehen sein, das mit einem Zahlencode für das Land, das die Zulassung erteilt hat, kombiniert ist. Für Deutschland ist dies "E1".

Runderneuerte tragen als Kennzeichnung "runderneuert", "retread" oder – in den meisten Fällen – "retreaded". In der üblichen Reifenkennzeichnung ist neben Reifengröße, Geschwindigkeitsklasse und Lastindex das Datum der Runderneuerung als DOT-Zahl (steht bei Neureifen für das Herstellungsdatum) angegeben.

Sind runderneuerte Pkw-Reifen gut?

Runderneuerte Reifen werden hergestellt
Auch die Seitenwand erhält eine Deckschicht© King Meiler

Der ADAC hat von 2003 bis 2011 und seit 2020 mehrfach runderneuerte Reifen in sein normales Reifentestprogramm integriert. Während sich die recycelten Winterreifen der ersten Testjahre mit Schwächen auf Schnee, Nässe und trockener Fahrbahn noch sehr unausgewogen präsentierten, wurde das Niveau in den Folgejahren vor allem beim Grip auf Schnee etwas besser. Im Sommerreifentest der Dimension 205/55 R 16 (2023) konnte ein runderneuerter Reifen der Marke King Meiler mit dem ADAC Urteil "ausreichend" deutlich besser abschneiden als manche Neureifen.

Wie wichtig ist die Karkasse?

Doch es gibt eine prinzipielle Schwäche: Kauft der Kunde einen Reifensatz, ist nicht garantiert, dass alle vier Reifen auf einer identischen Karkasse aufbauen. Das Profil ist zwar identisch, aber der Unterbau stammt möglicherweise von verschiedenen Herstellern – und dann kann jedes Rad völlig unterschiedliche Fahreigenschaften aufweisen.

Das kann nicht nur bei unerfahrenen Autofahrern in Extremsituationen gefährlich werden. Nicht umsonst raten Experten bei Neureifen, für eine bessere Fahrzeugbeherrschung rundum den gleichen Typ zu montieren.

Allerdings: Reifenrunderneuerungsbetriebe mit hohem Anspruch an die eigene Qualität sorgen in ihrer Logistik dafür, dass die einzelnen Reifensätze möglichst aus Karkassen gleicher Herkunft bestehen.

Wo kann man Runderneuerte kaufen?

Runderneuerte Reifen werden verpackt
Ab in den Versand: Bestellt wird meist im Internet© King Meiler

Waren Runderneuerungen in den Nachkriegsjahren wegen Materialknappheit noch weit verbreitet, werden inzwischen Pkw- und Leicht-Lkw-Reifen in Deutschland nur noch im Werk von Reifen Hinghaus in Dissen/Niedersachsen (Markenname: King Meiler) hergestellt. Der Hauptvertriebsweg für runderneuerte Pkw-Größen sind die Reifenportale im Internet. Aber natürlich kann auch jeder Reifenhändler vor Ort solche Reifen in sein Angebot aufnehmen.

Durch das Verwenden einer vorhandenen Karkasse sind runderneuerte Reifen meist günstiger: Gegenüber einem neuen Satz Premiumreifen spart man schon mal 50 und gegenüber Billigreifen aus Fernost immer noch 20 Prozent. Preiswerte Gebrauchtreifen sind ohnehin keine Alternative: Oft sind diese vorgeschädigt, wobei man sogar Schäden, die zu schweren Unfällen führen können, mit bloßem Auge nicht sieht.

Doch auch wenn runderneuerte Reifen aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht wieder interessanter werden: In den kommenden Jahren werden weiterhin Billigreifen aus Asien den europäischen Markt überschwemmen. Und selbst wenn Runderneuerte noch ein wenig günstiger sind, greifen viele Autofahrer dann doch lieber zum Neureifen, deren Herkunft sich – anders als bei Runderneuerten – eindeutig nachverfolgen lässt.

Welche Marktbedeutung haben sie?

Trotz ihres Sparpotenzials haben runderneuerte Pkw-Reifen in den letzten 25 Jahren immer größere Marktanteile verloren. Lag ihr Anteil am Pkw-Ersatzmarkt 1995 noch bei etwa zehn Prozent, sind es aktuell wohl weniger als ein Prozent. Manche Besitzer älterer Allrad-Fahrzeuge jedoch berichten, dass sie im Internet ihre benötigte, aber inzwischen nicht mehr produzierte Reifengröße noch als Runderneuerte gefunden hätten.

Ganz anders sieht es im Nutzfahrzeug- und Baumaschinen-Bereich aus, wo der Materialeinsatz bei den großen Reifen besonders hoch ist. Hier reklamieren Runderneuerte im Reifenersatzgeschäft einen Marktanteil von immerhin rund einem Drittel.