Abgasskandal: Diese Rechte haben Diesel-Besitzer

Rauch kommt aus Auspuff
Dieselskandal: Hintergründe, Rechte und betroffene Autos© Fotolia/fotohansel

Käufer eines nachweislich von Manipulationen betroffenen Diesel-Autos können gegen Verkäufer und Hersteller vorgehen. ADAC Juristen erklären, welche Rechte Verbraucher im Dieselskandal haben.

  • Chancen steigen, dass Verbraucher ihre Ansprüche durchsetzen können

  • Spielraum für Thermofenster wird kleiner

  • Auto mit unzulässiger Abschalteinrichtung ist mangelhaft

Dieselskandal und kein Ende: Wer einen Diesel kauft, hat unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz. Bisher ist das aber ein zähes Ringen für betroffene Dieselfahrer. Durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bekommen Verbraucherrechte noch einmal Aufwind.

Dieselskandal VW, Audi, Mercedes: BGH vereinfacht Schadenersatz für Fahrzeuge mit Thermofenster

Der Bundesgerichtshof (BGH) erleichtert Schadenersatz wegen der Verwendung von Thermofenstern. Das bedeutet für Besitzerinnen und Besitzer betroffener Fahrzeuge von VW, Audi und Mercedes:

  • Anspruch auf Schadenersatz nicht nur bei Vorsatz, sondern auch bei fahrlässigem Verhalten des Herstellers

  • vereinfachte Berechnung der Schadensersatzhöhe: 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises

Alle Informationen zum aktuellen Urteil

Was ist ein Thermofenster?

In modernen Dieselmotoren sind verschiedene Techniken verbaut, um den Schadstoffausstoß im Betrieb zu senken. Eines der obersten Ziele dabei ist die Reduktion von Stickoxiden, die im Dieselmotor bei der Verbrennung unter hohen Temperaturen entstehen. Damit die Menge an Stickoxiden reduziert wird, verbauen die Hersteller eine Abgasrückführung (AGR). Ein Teil des Abgases wird unter bestimmten Betriebsbedingungen vor oder nach dem Turbolader entnommen und zurück zur Ansaugung geführt und erneut in den Motor geleitet. Die Verbrennungstemperatur wird dadurch gesenkt und die Entstehung von Stickoxiden gemindert.

Bei besonders hohen und niedrigen Außentemperaturen könnte diese Betriebsstrategie dem Motor schaden. Deshalb hat der Gesetzgeber den Motorenherstellern gestattet, unter den genannten Bedingungen auf die Abgasrückführung ausnahmsweise zu verzichten. Der Temperaturbereich, in dem Abgas zur Verbrennung zurückgeführt wird, wird als Thermofenster bezeichnet. Gemeint ist damit das Temperaturfenster, in dem die Abgasrückführung tatsächlich aktiv ist. Wie hoch die Ober- und Untergrenze dieses Thermofensters liegt, wird vom Gesetzgeber nicht eindeutig bestimmt.

Da sich die Abgasrückführung negativ auf die Lebensdauer der Motoren auswirkt, versuchen die Hersteller dieses Thermofenster, in dem die AGR aktiv ist, möglichst klein zu halten. Kritisiert wird dabei vor allem die Untergrenze des Thermofensters. Oftmals wird bereits unterhalb von etwa 10 °C die AGR deaktiviert. In Mitteleuropa sind Temperaturen von unter 10 °C in weiten Teilen des Jahres allerdings normal. Somit wird die aktive Reduzierung von Stickoxiden über die AGR in einem Großteil der Gesamtzeit nicht angewandt. Das wird den Motorenherstellern nun vorgehalten.

Dieselskandal: Ansprüche schon verjährt?

Ansprüche gegen den Händler und den Hersteller kann man nur innerhalb der sogenannten Verjährungsfrist stellen. Ist diese abgelaufen, können betroffene Dieselbesitzer keine Entschädigung mehr geltend machen:

  • Frist gegenüber Autohändler: Bei Neuwagen gilt eine Sachmängelhaftungsfrist von zwei Jahren ab der Übergabe des Autos. Bei Gebrauchten kann diese Frist auf ein Jahr verkürzt werden. Eine darüberhinausgehende Verkürzung der Frist beim Gebrauchtwagenkauf gegenüber Privatpersonen ist unzulässig.

  • Frist gegenüber dem Hersteller: Sie beträgt drei Jahre und beginnt, sobald der Geschädigte Kenntnis darüber hat bzw. hätte erlangen können, dass sein Auto vom Abgasskandal betroffen ist. Die Verjährung muss für jedes Modell bzw. jede Bauart geprüft werden.

Fahrzeuge aus dem VW-Konzern: EA189-Motor

Bei Fahrzeugen aus dem VW-Konzern, die mit einem EA189-Motor ausgestattet sind und sich noch in Erstbesitz befinden, besteht unter Umständen ein Anspruch auf Restschadensersatz. Dieser kann bis zu zehn Jahre ab Kauf geltend gemacht werden.

Ist mein Auto betroffen?

Auf den Internetseiten mancher Hersteller kann man mit der Fahrgestellnummer abfragen, ob das eigene Auto betroffen ist. Nach mehreren Urteilen des EuGH zum Thermofenster erweitert sich der Kreis betroffener Fahrzeuge möglicherweise.

Wichtig zu wissen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinen Grundsatzurteilen vom 26.6.2023 nicht entschieden, ob die in den Fahrzeugen verbaute Abgastechnik illegal ist! Jedes Auto muss dafür auf unzulässige Technik untersucht werden.

Nur der Hersteller und das Kraftfahrtbundesamt haben die notwendigen Informationen, um prüfen zu können, ob und in welchen Fahrzeugen eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. Software verbaut ist. Der ADAC kann diese Prüfung nicht vornehmen.

Informationen zu einzelnen Herstellern

Mehr Informationen für Käufer betroffener Fahrzeuge folgender Hersteller:

Was gilt gegenüber dem Händler?

Ist ein Auto mangelhaft (zum Beispiel bei nachgewiesener Verwendung unzulässiger Abgastechnik), kann der Käufer die gesetzlichen Sachmängelrechte gegen den Verkäufer geltend machen. Das sind Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung), Minderung des Kaufpreises oder Rücktritt vom Kaufvertrag.

Haben Sie einen neuen Diesel bestellt, sollten Sie ihn vorsorglich nur unter Vorbehalt abnehmen. Damit können Sie sich mögliche Sachmängelrechte wegen erhöhter Abgas- oder Verbrauchswerte offenhalten.

Kann man den Hersteller verklagen?

Wenn sich der Manipulationsverdacht für das konkrete Fahrzeug bestätigt, kommt auch Schadensersatz vom Hersteller in Betracht. Die Ansprüche gegen den Hersteller verjähren drei Jahre nachdem man von den Abgasmanipulationen an dem konkreten Automodell Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.

Um erfolgreich einen Anspruch auf Schadensersatz durchzusetzen, muss ein Verschulden des Herstellers nachgewiesen werden. War die Klage erfolgreich, werden bei der Berechnung des Schadensersatzes unter Umständen die gefahrenen Kilometer abgezogen.

Wichtig für Klagen gegen den Hersteller

Klagen gegen der Hersteller richten sich meist auf Rückgabe des Autos gegen Erstattung des Kaufpreises. Bei der Rückgabe wird der Kaufpreis mit einer sogenannten Nutzungsentschädigung für die Zeit, in der das Auto gefahren wurde, verrechnet. Je älter das Fahrzeug, desto höher ist der Abzug.

Die Preise für neue und gebrauchte Autos oder Wohnmobile sind hoch. Vor einer Klage sollten Sie daher bedenken, dass die Entschädigungssumme eventuell nicht ausreicht, um ein gleichwertiges Ersatzauto zu kaufen.

Sollte im Fahrzeug ein illegales Thermofenster nachgewiesen werden, kann der sog. Differenzschaden geltend gemacht werden. Dieser beläuft sich auf maximal 5 bis 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. Das Fahrzeug kann der Kläger aber behalten und muss es nicht zurückgeben.

Was ist, wenn von Privat gekauft wurde?

Beim Kauf von einer Privatperson ist die Sachmängelhaftung in der Regel vertraglich ausgeschlossen. Daher bleibt nur die Möglichkeit, gegen den Hersteller vorzugehen.

Tipp der ADAC Juristen: Kaufen Sie ein vom Abgasskandal betroffenes Auto von einer Privatperson, sollten Sie sich noch bestehende Ansprüche gegen Händler und Hersteller schriftlich abtreten lassen. So können Sie bei Bedarf gegen den Händler oder den Hersteller vorgehen.

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Was, wenn Verjährung droht?

Vor allem Dieselbesitzer, deren Sachmängelhaftungsfrist demnächst abläuft, sollten tätig werden. Zur Sicherung ihrer Rechte sollten sich Betroffene direkt an ihren Händler wenden und die schriftliche Zusage einholen, dass er bereit ist, auf die Einrede der Verjährung (auch für bereits verjährte Ansprüche) zu verzichten.

Sie können für die Vereinbarung mit dem Händler das ADAC Musterformular verwenden:

Bestätigung über Verzicht der Verjährungseinrede
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Rückrufe oder Stilllegung für Diesel?

Seit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig (Urteil vom 20.2.2023, Az.: 3 A 113/18) sind Rückrufe durch das Kraftfahrtbundesamt theoretisch möglich. Bisher sind aber keine Rückrufe oder Stilllegungen geplant.

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