Mercedes-Benz – Fahrzeuge von Manipulationssoftware betroffen

Mercedes-Benz wird immer wieder zu Rückrufen verpflichtet
Mercedes-Benz wird immer wieder zu Rückrufen verpflichtet© Shutterstock [M]

In Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal hat das Kraftfahrtbundesamt Mercedes-Benz zu Rückrufen verpflichtet. Jetzt klagen Verbraucherschützer. Welche Modelle betroffen sind und was ADAC Juristen raten.

  • Zahlreiche Rückrufe in den vergangenen Jahren

  • BGH sieht Klagen auf Schadenersatz bislang kritisch

  • Musterfeststellungsklage von Verbraucherschützern läuft

Seit 2018 führt Mercedes-Benz auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) verpflichtende Rückrufe durch, bei denen Software-Updates aufgespielt werden müssen. Im Juni 2019 ordnete das KBA auch Rückrufe für 60.000 Fahrzeuge des Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic wegen illegaler Abschalteinrichtungen an. Ein Jahr zuvor hatte den Vito ein ähnliches Schicksal ereilt.

Verbraucherverband verklagt Mercedes-Benz

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat am 7.7.2021 beim Oberlandesgericht Stuttgart eine Musterfeststellungsklage gegen die Mercedes-Benz AG eingereicht. Der vzbv wirft dem Hersteller vor, in verschiedenen Motoren unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut und Abgaswerte manipuliert zu haben. In der Musterfeststellungsklage geht es um den Diesel-Motortyp OM651. Eine Anmeldung ist aber nicht mehr möglich.

Mercedes-Benz sagte zu, die angeordneten Rückrufe zunächst umzusetzen, der Konzern geht seither jedoch juristisch gegen die Anordnung vor. Aus Sicht der Behörden hat Mercedes-Benz in den Fahrzeugen von Mercedes-Benz unzulässige Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung verwendet. So werde eine Software eingesetzt, die zu wenig AdBlue einspritzt. Diese Harnstofflösung wird verwendet, um die in den Abgasen enthaltenen gesundheitsschädlichen Stickoxide abzubauen.

Verhindert eine Software, dass genug AdBlue bereitgestellt wird, funktioniert die Abgasreinigung nicht bzw. nur eingeschränkt. Mercedes-Benz hält die Technik allerdings für zulässig und hat Widerspruch gegen die Bescheide des KBA eingelegt, das Verfahren läuft noch.

BGH: Erste Entscheidung zu Thermofenster

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am 19.1.2021 erstmals zu möglichen Schadenersatzansprüchen von Diesel-Käufern gegen Mercedes-Benz geäußert. Die Kläger werfen dem Autobauer vor, in der Abgastechnik mit einem sogenannten Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet zu haben.

Nach Ansicht der obersten deutschen Zivilrichter begründet allein die Entwicklung und der Einsatz eines Thermofensters noch keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Dafür müsste eine unzulässige Abschalteinrichtung bewusst verwendet und der darin liegende Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen werden. Der BGH hat diese Einschätzung in mehreren folgenden Entscheidungen bestätigt.

Diese Mercedes-Modelle sind vom Rückruf betroffen

Inzwischen sind mehrere Hunderttausend Diesel-Fahrzeuge in Deutschland betroffen.  Die meisten stammen aus den Modellreihen A-, B-, C-, E- und S-Klasse. Auch die Geländewagen-Reihen GLC, GLE, ML, G-Klasse, der Transporter Vito sowie der Roadster SLK/SLC müssen in die Werkstatt. Hier finden Sie die komplette Übersicht als pdf.*

Bei vielen Fahrzeugmodellen ist nur ein bestimmter Produktionszeitraum betroffen. Allein von der Modell- und Motorbezeichnung lässt sich daher nicht verlässlich ablesen, ob ein Fahrzeug Teil des Rückrufs ist.

Wie erfahre ich, ob mein Fahrzeug betroffen ist?

Mercedes-Benz hat auf seiner Homepage ein Online-Tool eingerichtet*, mit dem Sie nach Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) überprüfen können, ob Ihr Fahrzeug von einem freiwilligen oder verpflichtenden Rückruf betroffen ist. Bei verpflichtenden Rückrufen gibt das KBA die Halterdaten an den Hersteller weiter, in diesem Fall an Mercedes-Benz. Anschließend muss das jeweilige Unternehmen die betroffenen Fahrzeughalter anschreiben.

Muss ich dem Rückruf Folge leisten?

Hier muss man zwischen freiwilliger Kundendienstmaßnahme und verpflichtendem Rückruf unterscheiden. Die freiwilligen Kundendienstmaßnahmen werden nicht vom Kraftfahrt-Bundesamt überwacht. Sie sind nicht zur Durchführung verpflichtet. Bei einem verpflichtenden Rückruf hingegen droht die Stilllegung Ihres Autos, wenn Sie nicht reagieren. 

Mercedes-Benz hat rechtliche Schritte gegen die Anordnungen des KBA eingeleitet, die Verfahren laufen noch. Derzeit kann nicht beurteilt werden, welche Auswirkungen ein erfolgreicher Widerspruch auf die jetzt vom Hersteller angebotenen Umrüstungen hat. Wer ein betroffenes Auto fährt, kann sich immer noch an Mercedes-Benz wenden.

Schaden nach dem Update - was nun?

Unabhängig davon, ob es sich um eine freiwillige Servicemaßnahme oder einen angeordneten Rückruf handelt, bestehen grundsätzlich keine Sachmängelhaftungsrechte für die durchgeführten Arbeiten.

Nur wenn der Kunde für die Arbeiten (teilweise) bezahlen müsste, würde ein Werkvertrag vorliegen, aus dem sich die Sachmängelhaftungsrechte nach dem Gesetz ergeben. Geht man aber davon aus, dass – wie angekündigt – die vom Hersteller veranlassten Arbeiten für Kunden kostenlos erfolgen, entstehen keine Sachmängelhaftungsansprüche.

Denkbar wäre eine Haftung, wenn die nachrüstende Werkstatt fehlerhaft arbeitet oder wenn die vom Hersteller entwickelte Nachrüst-Software sich nachteilig auswirkt. Allerdings muss grundsätzlich der Kunde den Beweis dafür antreten, dass Nachteile, wie etwa technische Defekte, auf das Update bzw. ein fehlerhaftes Aufspielen zurückzuführen sind.

Dies ist leider nur mit einem kostenintensiven Gutachten möglich. Da es sich zumeist um ältere Fahrzeuge mit einiger Laufleistung handelt, sind auch alternative Fehlerquellen denkbar, was die Beweisführung sehr erschwert.

Ohne gesicherten Rechtsanspruch bleibt dem Verbraucher nur die Option, sich bei Reparaturkosten mit der Bitte um Kulanz an den Hersteller zu wenden. Ob und in welchem Umfang dieser bereit ist, sich an möglichen Kosten zu beteiligen, ist in Sachen Mercedes-Benz völlig offen.

Wichtig zu wissen: Hersteller gewähren Kulanz meist nur dann, wenn das Fahrzeug im Herstellernetz (Vertragswerkstätten) gewartet wurde und auch die erforderlichen Reparaturarbeiten bei einem Markenbetrieb vorgenommen werden.

Fachliche Beratung: Juristische Zentrale und ADAC Fahrzeugtechnik

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