Fiat: Verdacht der Dieselmanipulation

Hat Fiat bei Dieselfahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verbaut?
Hat Fiat bei Dieselfahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verbaut? © Shutterstock [M]

Fiat und die Schwesterfirma Iveco werden verdächtigt, illegale Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen zu verwenden. Alles Wissenswerte im Überblick.

  • Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt

  • Fahrzeuge der Baujahre 2014 bis 2019, mit Abgasnorm Euro 5 und 6 betroffen

  • Neuere Fahrzeuge mit Euro 6d temp sind nicht Bestandteil der Ermittlungen

Nach VW, Mercedes und anderen Herstellern steht jetzt auch Fiat unter dem Verdacht der Manipulation von Dieselfahrzeugen. Betroffen sein sollen unter anderem Wohnmobile, die als Basis den bei Campern sehr beliebten Fiat Ducato haben.

Erste Urteile zu Fiat

Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt

Im Juli 2020 haben Ermittler der Frankfurter Staatsanwaltschaft den Sitz von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) Deutschland in Frankfurt durchsucht. Im Visier waren auch die Schwesterfirma Iveco in Ulm sowie weitere Objekte in Italien und der Schweiz.

Ermittelt wird wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs gegen Verantwortliche der Autokonzerne Fiat Chrysler Automobiles N.V., Case New Holland Industrial N.V. und Iveco Magirus AG. Es geht um den Vorwurf, dass unzulässige Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeuge eingebaut wurden. Wenn dies technisch nachgewiesen werden sollte, müssten auch noch rechtlich die Voraussetzungen eines Betrugs vorliegen.

Bislang liegen laut Frankfurter Staatsanwaltschaft Anzeigen von mehreren Hundert Fahrzeugkäufern vor. Rund 90 Prozent der Anzeigen stammten von Wohnmobilkäufern.

Es muss ein konkreter Schaden vorliegen

Die ADAC Juristen weisen darauf hin, dass diese oft langwierigen strafrechtlichen Ermittlungen von möglichen zivilrechtlichen Ansprüchen zu trennen sind. Bei zivilrechtlichen Ansprüchen geht es um Schadenersatz oder Rückgabe des Fahrzeugs.

Voraussetzung, um zivilrechtliche Schritte einzuleiten, ist eine konkrete Betroffenheit des jeweiligen Fahrzeugs. Für Schadenersatzansprüche ist außerdem der Nachweis erforderlich, dass der Fahrzeughersteller bewusst getäuscht hat und damit einen Schaden verursacht hat.

Diese Modelle sollen betroffen sein

Gegenstand der Ermittlungen sind Modelle der Marken Fiat, Jeep, Alfa Romeo und Iveco mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6. Neuere Fahrzeuge, die die Abgasnorm EUR 6d temp erfüllen, sind nicht Bestandteil der geführten Ermittlungen.

Um diese Motorisierung geht es:

  • 1,3 Liter Multijet; 1,3 Liter 16V Multijet

  • 1,6 Liter Multijet; 1,6 Liter

  • 2,0 Liter Multijet; 2,0 Liter

  • 2,2 Liter Multijet II

  • 2,3 Liter; 2,3 Liter Multijet

  • 3,0 Liter

Gegenstand der Ermittlungen sind laut dem Merkblatt der Polizei Hessen in der Regel die Baujahre/Erstzulassung 2014 bis 2019. Um welche Modelle es konkret geht, hat die Staatsanwaltschaft nicht mitgeteilt. Die genannten Motoren sind in einer ganzen Reihe von Fiat-, Jeep- und Alfa-Romeo-Fahrzeugen vom Kleinwagen bis zum Transporter und zudem in Modellen von Iveco verbaut. Nach Angaben der Ermittler sind in Deutschland bei FCA mehr als 200.000 Fahrzeuge betroffen, darunter viele Wohnmobile.

Weiß der ADAC, ob mein Fahrzeug betroffen ist?

Lediglich der Hersteller und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verfügen über die notwendigen Informationen zur Einschätzung, ob und in welchen Fahrzeugen eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. Software vorhanden ist. Deutlichster Hinweis ist ein verpflichtender Rückruf des KBA – den es hier aber bislang nicht gibt.

Droht meinem Fahrzeug die Stilllegung?

Einige Medien berichten, dass Fahrverbote oder Stilllegungen drohen, weil sie laut Staatsanwaltschaft nicht genehmigungsfähig seien. Dies kann derzeit nicht bestätigt werden. Eine Untersagung des Betriebs wäre möglich, wenn aufgrund eines verpflichtenden Rückrufs Änderungen am Fahrzeug vorgenommen werden müssten und der Halter diese nicht durchführen lässt. Bislang sind jedoch keine verpflichtenden Rückrufe bekannt.

Was können Fiat-Kunden jetzt tun?

Tätig werden sollten jetzt Fiat-Besitzer von Neufahrzeugen, deren Diesel nicht älter als 24 Monate ist und die Euro-6-Norm erfüllt (Euro 6d oder Euro 6dtemp sind nicht betroffen). Denn diese Fahrzeuge befinden sich noch innerhalb der Sachmängelhaftungsfrist. Es empfiehlt sich hier, anwaltlichen Rat einzuholen, inwieweit Sachmängelhaftungsansprüche im Raum stehen.

Gleiches gilt für Käufer von gebrauchten Fahrzeugen, die sich noch innerhalb der Sachmängelhaftungsfrist befinden. Bei Gebrauchtfahrzeugen ist die Sachmängelhaftung beim Kauf vom Händler in der Regel auf ein Jahr ab Übergabe an den Käufer (Verbraucher) verkürzt.

Bei Fahrzeugen, die bereits älter als 24 Monate sind und sich damit außerhalb der Sachmängelhaftungsfrist befinden, droht aktuell nach derzeitigem Kenntnisstand noch kein Risiko, durch Zeitablauf Rechte zu verlieren. Die Verjährungsfrist beträgt für diese Verstöße drei Jahre ab Kenntnis (d.h. ab dem öffentlichen Bekanntwerden der Manipulationen). Geht man davon aus, dass die Manipulationsvorwürfe einer breiten Öffentlichkeit erst 2020 bekannt geworden sind, wird die Verjährungsfrist daher voraussichtlich erst Ende des Jahres 2020 zu laufen beginnen. Sie endet dann frühestens am 31.12.2023.

Derzeit sind noch keine Gutachten veröffentlicht, die eine (vorsätzliche) Manipulation eindeutig belegen. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft. Sollten die Ermittlungen den Vorwurf der betrügerischen Manipulation bestätigen, kann das Ergebnis im Zivilverfahren verwendet werden. Dies vereinfacht die Beweisführung für Betroffene erheblich und dient auch der Beschleunigung im Zivilprozess.

Hohe Anforderungen an Schadenersatzklagen

Am 19. Januar 2021 hat der BGH zum Hersteller Daimler entschieden, dass die Entwicklung und der Einsatz eines Thermofensters allein noch keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründet. Dafür müsse festgestellt sein, dass Personen beim Hersteller in dem Bewusstsein gehandelt hätten, "eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen". Diese Entscheidung kann auch Auswirkungen auf Dieselfahrzeuge anderer Hersteller, z.B. Fiat, haben, bei denen der Einsatz unzulässiger Abgastechnik behauptet wird.

Alle Infos zum BGH Urteil lesen Sie hier