Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: ADAC Umfrage zum Leben im Alter
Wie blicken Menschen in Deutschland auf das Leben im Alter? Was sind ihre Bedürfnisse, und wie steht es aktuell um die Versorgung? Eine ADAC Umfrage zeigt ein Stimmungsbild zu Pflege, Vorsorge und Mobilität.
Wunsch nach selbstbestimmtem Leben, am liebsten zu Hause
Nachbarschaftshilfe: Hohe Relevanz und Bereitschaft
Im Straßenverkehr spielt Sicherheit eine große Rolle
Rund 22 Millionen Menschen sind hierzulande über 60 Jahre alt. Das ist mehr als jeder Vierte – Tendenz steigend. Auch die Gruppe der sogenannten Hochbetagten über 85 Jahre nimmt zu. Analog dazu wächst die Zahl der Pflegebedürftigen. Aktuell liegt sie bei etwa fünf Millionen, die zu einem großen Teil zu Hause von Angehörigen gepflegt werden.
Elderly Care, also die Versorgung im Alter, rückt damit ins Zentrum der Gesellschaft. Doch wie gut fühlen sich die Menschen dazu abgeholt? Welche Vorstellungen und Vorbehalte gibt es? Wie kann man vorsorgen? Und was wünschen sich Betroffene in einer Pflegesituation? Der ADAC hat bei zwei repräsentativen Personengruppen im Alter ab 50 Jahren nachfragt: allgemein bei Menschen ab der Lebensmitte sowie konkret bei pflegenden Angehörigen.
Sorgenvoller Blick in die Zukunft
Der Großteil der Befragten (71 Prozent) blickt mit Skepsis auf das Leben im Alter. Insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen sowie Frauen hegen Zukunftsängste. Sie fürchten gesundheitliche Einschränkungen, finanzielle Probleme und den Verlust der Selbstständigkeit. Lediglich 7 Prozent gaben an, keinerlei Bedenken zu haben. Dabei fällt auf: Je höher das Einkommen sowie das Alter, desto optimistischer die Einstellung.
Thema Pflege steckt in Tabuzone
Die meisten Befragten machen sich wenig oder keine Gedanken darüber, wie das Leben im Alter konkret aussehen könnte. Lediglich die Hälfte hat eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung ausgefüllt. Fast 40 Prozent gaben an, sich bislang noch nicht darüber informiert zu haben, was zu tun wäre, wenn man selbst Pflege braucht oder Angehörige sie benötigen. Dennoch haben viele (57 Prozent) Sorge, den Angehörigen mit einer Pflegebedürftigkeit zur Last zu fallen.
"Man kann nicht früh genug damit anfangen, sich mit dem Alter zu befassen", rät die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Claudia Moll. "Es ist wichtig, sich rechtzeitig zu informieren und zu planen. Der ambulante Pflegedienst kommt zu jedem, und einen Anspruch auf eine gute Pflegeeinrichtung hat auch jeder. Aber auch hier gilt es, sich rechtzeitig um zusätzliche individuelle Unterstützungsformen zu kümmern."
Selbstbestimmt zu Hause leben
Im Fall einer Pflegebedürftigkeit würden 18 Prozent der Befragten in ein betreutes Wohnen ziehen, 7 Prozent zu Familienmitgliedern und lediglich 1 Prozent in ein Pflege- oder Altenheim. Zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) wünschen sich, auch im Alter im eigenen Zuhause zu wohnen. Und zwar mit Unterstützung durch die Familie, einen Pflegedienst oder die Nachbarschaftshilfe. "Eine lebendige Nachbarschaft oder ein guter Freundeskreis hilft jedem – ob mit oder ohne Pflegebedarf", unterstreicht auch Claudia Moll. "Ein solches Miteinander-Füreinander verhindert Einsamkeit und kann dabei helfen, Ängste abzubauen."
Lebensrettende Daten: Der ADAC Notfallpass
Ein Notfallpass kann den Rettungskräften im Ernstfall entscheidende Informationen liefern. Im ADAC Notfallpass liegen alle Daten sicher verschlüsselt in der Wallet-App auf dem Smartphone oder der Smartwatch. Er kann in die Rettungskette integriert und von den Rettungskräften ausgelesen werden.
Bedeutsame Nachbarschaftshilfe
Die ADAC Umfrage zeigt, dass der Nachbarschaftshilfe eine wichtige Rolle für das Leben im gewohnten Umfeld zukommt. Mit 52 Prozent würde mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Unterstützung im Haushalt annehmen, wenn dies aufgrund von Einschränkungen im Alter nicht mehr aus eigener Kraft möglich wäre. Auch Einkaufs- und Fahrdienste für ältere Menschen halten viele für sinnvoll.
Erfreulicherweise ist die Mehrzahl auch selbst bereit, pflegebedürftigen Mitmenschen zu helfen – ob beim Einkaufen (62 Prozent), beim Ausfüllen von Anträgen (57 Prozent), als Begleitung oder Fahrdienst zu Arztterminen (51 Prozent) oder bei der Bedienung von technischen Geräten (50 Prozent). "Oft sind es die kleinen Tätigkeiten, die den Alltag erleichtern und ein selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld weiterhin ermöglichen", berichtet Moll aus ihrer Erfahrung. "Die Nachbarschaftshilfe muss deshalb stärker gefördert und mit professionellen Angeboten verzahnt werden. Hier ist wichtig, dass sich jemand um die Strukturen kümmert und die Menschen zusammenbringt. Digitale Plattformen sind dafür natürlich klasse."
Pflegende brauchen Unterstützung
Wer Angehörige pflegt, sieht sich mit Belastungen auf unterschiedlichsten Ebenen konfrontiert. Die Aufgabe nimmt in vielen Fällen so viel Raum ein, dass Pflegende ihre Arbeitszeit reduzieren müssen. Laut ADAC Umfrage schränkt sich jeder vierte pflegende Angehörige in Hinblick auf den Job stark ein oder gibt ihn ganz auf. Im Pflegealltag profitieren die meisten von einer Hilfe im Haushalt, insbesondere von der Übernahme der Kosten. Die Vermittlung einer Kurzzeitpflege, beispielsweise für die Überbrückung eines Urlaubs, betrachten 68 Prozent ebenfalls als hilfreich.
Pflegende Angehörige sind mit diversen administrativen Aufgaben belastet. Viele wünschen sich mehr Digitalisierung in Hinblick auf die Anträge bei Kranken- und Pflegekassen sowie einfache Zugänge zu den notwendigen Informationen, beispielsweise über digitale Angebote wie Apps. Die wichtigste Anlaufstelle ist für die meisten zunächst die Hausarztpraxis. "Es gibt in Deutschland aber viele weitere Beratungsangebote", betont die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung. "Pflegestützpunkte sind ein guter Anlaufpunkt. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass die Pflegeversicherung ab Pflegegrad 1 Zuschüsse bis 4000 Euro für den pflegegerechten Umbau zum Beispiel des Badezimmers gibt oder einen Hausnotruf erstattet."
Digitale Angebote häufig unbekannt
Nach der Einführung des E-Rezepts folgt Anfang 2025 der Zugang zur elektronischen Patientenakte. Viele weitere digitale Gesundheitsangebote konnten sich laut ADAC Umfrage in der befragten Zielgruppe der über 50-Jährigen allerdings noch nicht etablieren. Unabhängig von einem persönlichen Pflegeauftrag zeigt sich die Mehrzahl jedoch aufgeschlossen und kann sich vorstellen, künftig digitale Assistenzleistungen, z.B. zur Vereinbarung von Arztterminen oder auch einen digitalen Notfallpass zu nutzen. Jeder Vierte würde sich in einer telemedizinischen Sprechstunde beraten lassen.
Apothekenservice, Arztsuche und Telemedizin in der ADAC Medical App
Symptome checken, Fachärzte in der Nähe finden, von überall auf der Welt telemedizinische Beratung in Anspruch nehmen, Medikamente online vorbestellen und liefern lassen: Die ADAC Medical App vereint viele Services in einer Anwendung. Kostenfrei herunterladen, mit ADAC Mitgliedsnummer einloggen und datensicher Gesundheitsdienstleistungen nutzen.
Rechtzeitig vorsorgen
"Selbstbestimmung endet nicht mit Pflegebedürftigkeit", erklärt Claudia Moll. "Ich kann bestimmen, wo ich wohne, wer mich pflegt. Wichtig ist, dass man sich frühzeitig mit solchen Fragen auseinandersetzt und ihnen nicht aus dem Weg geht." Ein möglichst selbstständiges Leben im Alter kann umso besser gelingen, je eher man sich der eigenen Wünsche und Bedürfnisse bewusst wird:
Nehmen Sie das Thema Altern und Pflegebedürftigkeit in die Lebensplanung auf, idealerweise im offenen Gespräch mit Angehörigen.
Füllen Sie eine Vorsorgevollmacht aus, die möglichst über den Tod hinaus gilt (transmortale Vollmacht). Der Vorteil: Eine bevollmächtigte Vertrauensperson kann sich um Ihren Nachlass kümmern.
Erstellen Sie eine (elektronische) Patientenverfügung sowie gegebenenfalls ein Testament und einen Organspendeausweis. Hinterlegen Sie die Dokumente so, dass sie für Vertrauenspersonen zugänglich sind.
Denken Sie frühzeitig an mögliche Umbaumaßnahmen für ein barrierefreies Zuhause. Für vieles gibt es finanzielle Unterstützung. "Denken Sie bei einem Hausbau oder Wohnungsausbau direkt an mehr Barrierefreiheit. Das macht bereits das Leben mit Kinderwagen einfacher, aber eben auch im Alter", so Claudia Moll.
Holen Sie sich bei Bedarf fachkundigen Rat. Beratungsstellen der Kommunen, Kranken- und Pflegekassen sowie digitale Apps unterstützen mit Informationen sowie bei der Antragstellung.
Sicher mobil im Alter
Für 86 Prozent der Befragten ist das Auto das wichtigste Verkehrsmittel, sowohl auf dem Fahrer- wie auch auf dem Beifahrersitz. Das Thema Sicherheit hat für ältere Verkehrsteilnehmer höchste Relevanz. 75 Prozent wünschen sich in Hinblick darauf mehr Rücksichtnahme von allen Beteiligten. Laut Umfrage stehen viele regelmäßigen Fahrsicherheitstrainings und Gesundheitschecks für Ältere aufgeschlossen gegenüber.
Insbesondere Pflegebedürftige sind auf das Auto angewiesen. Laut Befragung fahren 15 Prozent selbst, 42 Prozent in Begleitung. Pflegende Angehörige beklagen fehlende Parkmöglichkeiten in der Nähe von Arzt- und Krankenhäusern. Im Vergleich zur mobilen Gruppe nutzen überdurchschnittlich viele Befragte mit Einschränkungen Fahrdienste wie etwa Taxis. Im städtischen Raum spielt auch der öffentliche Nahverkehr eine Rolle. Hier wünschen sich Pflegebedürftige mehr Barrierefreiheit beim Ein- und Ausstieg in Busse und Bahnen sowie auf Gehwegen.
Medikamente und Cannabis: Risiken für den Straßenverkehr
Für mehr als die Hälfte der Befragten ist klar: Die Einnahme von Medikamenten kann sich auf die Fahrsicherheit auswirken. Was die Anwendung von Cannabis aus medizinischen Gründen anbelangt, herrscht Skepsis. Gut drei Viertel können sich nicht vorstellen, Medizinalcannabis einzunehmen. Der Teil-Legalisierung von Cannabis stehen die meisten kritisch gegenüber; für 84 Prozent ist der Konsum tabu.
Mehr Infos zur Umfrage
Gemeinsam mit der Forschungs- und Beratungsgesellschaft komma befragte der ADAC im August und September 2024 eine repräsentative Gruppe von 1097 Personen ab 50 Jahren. Zusätzlich gaben 535 pflegende Angehörige aus derselben Altersgruppe Feedback zu ihrer persönlichen Pflegesituation. Beide Gruppen teilten ihre Einschätzung zu den derzeitigen Rahmenbedingungen für die Mobilität und das Leben im Alter sowie die Pflege von älteren Menschen.