Lucid Gravity: Elektro-SUV ohne Kompromisse. Und ohne Chance?
Bei Reichweite und Batterietechnik macht dem Start-up Lucid Motors kaum einer etwas vor. Doch vom Massenmarkt sind die Amerikaner noch meilenweit weg. Das erste SUV der Marke, der Lucid Gravity, soll das nun ändern.
Luxus-SUV mit Elektroantrieb und sieben Sitzen
Großzügige Platzverhältnisse und hochwertige Ausstattung versprochen
Reichweiten der Spitzenklasse
Mit dem Lucid Air gelang der Firma Lucid Motors aus den USA fraglos ein aufsehenerregendes Debüt: 900 Kilometer Reichweite kombinierte die Limousine mit unglaublichen 1111 PS und einer Beschleunigung in 2,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Lucid ließ damit dem von vielen Herstellern geäußerten Anspruch, Tesla-Jäger zu sein, auch Taten folgen.
Allerdings nur auf technischer Ebene. Denn der Lucid Air bleibt ein Nischenphänomen, im dritten Quartal 2023 wurde noch einmal ein ganzes Drittel weniger als vor einem Jahr verkauft, die Verluste allein für dieses Jahr belaufen sich beim Konzern auf über zwei Milliarden US-Dollar. Ohne den saudischen Staatsfond, der Mehrheitseigner ist, stünde das Unternehmen wohl vor dem Aus.
Auf dem neuen Projekt Lucid Gravity lastet also erheblicher Erfolgsdruck. Und tatsächlich hat man das zweite Modell etwas zugänglicher gemacht. Und erneut nicht mit technischer Performance gegeizt.
Lucid Gravity: Gigantische Reichweite
Bei der ersten Vorstellung des Gravity im Jahr 2022 war noch vom Reichweitenrekord die Rede, den dürfte das SUV allerdings nicht brechen. Die angepeilten 708 Kilometer wären allerdings trotzdem beeindruckend und ein industrieübergreifender Spitzenwert. Das Tesla Model X, mit dem Lucid vor allem konkurrieren möchte, schafft nur 576 Kilometer, und selbst das Mercedes EQS SUV wäre damit erreichbar. Allerdings: Lucids Werte sind noch mit Vorsicht zu genießen, sie müssen sich erst im genormten WLTP-Testzyklus beweisen.
Bei der Ladetechnik setzt Lucid noch einen drauf. 900-Volt-Technik bieten aktuell nur die Kalifornier, und selbst die 800 Volt-Technik, die zum Beispiel der Kia EV9 nutzt, ist nicht einmal in der Oberklasse State of the Art. 400 Volt sind meist Standard bei der Konkurrenz. In 15 Minuten soll man so 322 Kilometer nachladen können, ein Spitzenwert.
Die Motorleistung ist, wie von Lucid schon gewohnt, brachial: Über 800 PS soll das SUV bieten. In weniger als 3,5 Sekunden wird man so von 0 auf 100 km/h gebeamt, schafft es damit aber nur in den Rückspiegel des Model X Plaid, der ist nochmal 900 Millisekunden schneller – nur zur Info für alle Autoquartett-Liebhaber.
Elektro-SUV Gravity: Völlig losgelöst
Außen sieht man dem Gravity seine Verwandtschaft mit dem Lucid Air durchaus an: Die Schnauze wirkt ein wenig wie eine nach oben erhöhte Front der Limousine, und auch hinten setzt sich das kantenlose und glatte Design des Air fort. Allzu große Kunst am Bau konnten sich die Designer aber ohnehin nicht erlauben, den sehr niedrigen Luftwiderstandskoeffizienten von 0,24 erreicht man nur durch glatte Flächen.
Das Innendesign nimmt den glatten Schwung der Außenfläche gekonnt auf. Auffällig ist das konkave 34-Zoll-6k-Display, das sich dem Fahrer oder der Fahrerin zuneigt. Eine Lösung, die etwas an die neueren BMW-Modelle erinnert, dort sind es aber zwei voneinander abgetrennte Bildschirme. Das Lenkrad ist deutlich ovaler geformt als gewohnt, spannend, wie sich das in der Realität anfühlen wird.
Luftig, hochwertig und etwas praktisch
In dem knapp über 5 Meter langen Oberklasse-SUV dürfte luxuriöse Oppulenz herrschen. Dafür sollen nicht nur das Panoramadach und die optionale dritte Sitzreihe sorgen, sondern die ganze Auswahl der Materialen. Lucid reizt das Promotion-Vokabular voll aus und verspricht eine "holistische Erfahrung für Körper und Seele". Durch eine integrierte geführte Meditation soll man den Alltagsstress vergessen können, verschiedene Ambiente-Programme sollen etwa die Ruhe des Lake Tahoe ins Auto zaubern – während man im tristen Gewerbegebiet seinen Strom zapft.
Geradezu erschreckend praktisch wirkt da die optionale dritte Sitzreihe, die den Gravity auch zu einem nützlichen Familien-SUV machen könnte. Umgeklappt soll jede Menge Stauraum für sämtliches Alltags- und Urlaubsgepäck zur Verfügung stehen. Viele E-SUVS mit diesen Familienvan-Anleihen gibt es nicht, der Gravity holt sich hier also fast ein Alleinstellungsmerkmal.
Lucid Gravity 2024: Preis und Auslieferung
Im europäischen Markt steht Lucid noch ganz am Anfang. Tesla will man hauptsächlich im US-Mutterland Konkurrenz machen und hat sich dafür preislich sogar in für Lucid-Verhältnisse bodenständige Regionen bewegt. Den Gravity soll es für weniger als 80.000 US-Dollar geben. Wie beim Air, der in der vollausgestatteten Version mit über 1000 PS knapp eine Viertel Million wert war, dürfte es es auch für den Gravity hochpreisigere Editionen geben.
Ein anvisierter Markt wird wohl auch auch der arabische Raum sein, der saudi-arabische Staat war schon ein Großabnehmer für den Lucid Air. Dort betreibt das kalifornische Unternehmen inzwischen auch eine Fabrik.
Kundinnen und Kunden müssen sich aber noch bis Ende 2024 gedulden, erst dann startet die Produktion des SUV. Auch vorbestellen kann man den Gravity entgegen früherer Ankündigungen noch nicht. Dem ursprünglichen Zeitplan hängt das Unternehmen damit jetzt schon hinterher. Entscheidend für den Erfolg dürfte sein, ob Lucid es schafft, sein neues Modell nicht nur bei den Superreichen interessant zu machen.
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