So stark blenden LED-Scheinwerfer wirklich
Viele Autofahrer beklagen zu helles Licht im Gegenverkehr. Doch sind LED-Leuchten schuld daran? Das wollten ADAC Techniker genauer wissen und haben verschiedene LED-Scheinwerfersysteme untersucht. Ergebnis: Manche blenden tatsächlich unnötig stark.
LEDs mit Linsenprojektionssystem blenden unnötig stark
Eine Kombination der unterschiedlichen Systeme könnte das Problem lösen
Hersteller und Autofahrer können viel tun, um Blendung zu vermeiden
Die LED (Licht emittierende Diode) hat Einzug in die Fahrzeugleuchten gehalten. Diese Technik ermöglicht es, dass Scheinwerfer und Rückleuchten immer kleiner gebaut werden können. Doch was den Fahrzeugdesigner freut, ärgert mitunter Autofahrer. Die kleinere Lichtquelle und die daraus resultierende höhere Leuchtdichte wird von vielen Autofahrern als eine Ursache für unangenehme Blendung empfunden. Im ADAC Technikzentrum in Landsberg haben Expertinnen und Experten versucht herauszufinden, warum das so ist.
Unterschied: Gefühlte und reale Blendung
Generell unterscheidet man zwischen zwei Arten von Blendung: der real auftretenden Blendung im Auge (physiologische Blendung) und der psychologischen. Beide Arten sind temporäre Erscheinungen, die das Auge nicht dauerhaft schädigen. Jedoch kann die physiologische Blendung zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen.
Grelle Gefahr: So genervt sind Autofahrer von Blendung
Sie fahren nicht mehr gern im Dunkeln? Sie fühlen sich oft vom Abblendlicht geblendet? Sie sind nicht allein. Eine europaweite Umfrage zeigt erstmals, welche gravierenden Auswirkungen blendende Scheinwerfer auf Autofahrende und die Verkehrssicherheit haben.
Die Rezeptoren der Netzhaut werden durch die plötzliche Helligkeitsänderung und den zu starken Kontrast "übersteuert". Die Folge: Dinge, die sich in der Nähe des Scheinwerfers befinden, werden kaum noch gesehen – die Sehfähigkeit ist in diesem Moment faktisch eingeschränkt. Das Auge zieht zwar die Pupillen zusammen, kann aber den starken Kontrast zwischen dem Licht und den dunkleren Objekten daneben nicht ändern.
Werden wir also durch grelles Licht geblendet, sehen wir für kurze Zeit Dinge außerhalb des Lichtkegels schlechter oder gar nicht.
Vergleich: Die zwei häufigsten LED-Systeme
Um das Phänomen Blendung genauer zu untersuchen, haben unsere Technikexperten die zwei gängigsten LED-Systeme verglichen: LED-Scheinwerfer mit Linsenprojektionssystem (beispielsweise im BMW X5 oder Škoda Karoq) und LED-Scheinwerfer mit Freiflächenreflektor (zum Beispiel im Renault Clio).
Die Unterschiede
Abb. 1: LED mit Freiflächenreflektor
größere Lichtaustrittsflächen
homogenere Lichtverteilung auf der Lichtaustrittsfläche
geringere Leuchtdichte
geringere Blendeffekte
Abb. 2: Linsenprojektionssystem
kleinere Scheinwerfer
geringere Lichtaustrittsflächen
höhere Leuchtdichten
direkter Blick in den Lichtemittenten möglich
An Fahrzeugen, die durch den ADAC Autotest 2019 zur Verfügung standen, wurden Lichtmessungen am Abblendlicht der LED-Scheinwerfer im unmittelbaren Nahfeld durchgeführt. Aus 20 Zentimeter Entfernung zur Scheinwerferabdeckung wurde die Beleuchtungsstärke an möglichst hellen Punkten des Lichtkegels ermittelt (visuelle Abschätzung).
Zur Ermittlung des Lichtspektrums, der Farbtemperatur und der Beleuchtungsstärke diente ein Spektrometer. Über das Verhältnis der Messfläche des Spektrometers zum Abstand der Lichtquelle wurde eine Abschätzung der Leuchtdichte vorgenommen.
Welche Systeme blenden besonders?
Das Ergebnis ist eindeutig: Scheinwerfer mit kleinen Linsenprojektionssystemen, bei denen direkt hinter der Linse die LEDs wie durch eine Lupe nach vorne abstrahlen, blenden uns stärker als Systeme mit Freiflächenreflektoren. Das wird auch von Augenärzten bestätigt.
Erklärbar wird das Ganze, wenn wir uns das Licht als Wasser vorstellen. Wasser, das aus einem großen Duschkopf fließt, empfinden wir beim Duschen als angenehm. Strahlt nun dieselbe Menge Wasser durch eine sehr enge Düse, ist die Dichte viel höher und das Wasser träfe hart auf unsere Haut.
So verhält es sich auch mit dem Licht und dem menschlichen Auge: Es trifft zwar die gleiche Lichtmenge auf das Auge, doch die Anzahl der Rezeptoren im Auge ist geringer und deren Belastung um so stärker. Der Autofahrer fühlt sich nicht nur geblendet, sondern er ist es auch.
Und das mit sicherheitsrelevanten Folgen: Nach der Blendung kommt es kurzzeitig zu einer Beeinträchtigung der Sicht, weil das Auge einen Moment braucht, bis es sich wieder auf die geringere Beleuchtung eingestellt hat.
Das verstärkt die Blendung zusätzlich
Auch der Zustand der Scheinwerfer und der Frontscheibe hat Einfluss auf Blendungseffekte. Beschlagene Scheiben, Schmutz und Kratzer führen zur Streuung des Lichts. Zusätzlich altert unser Auge fortwährend, was ebenfalls Blendeffekte verstärken kann. Auch ein harter Übergang der Hell-Dunkel-Grenze kann die Empfindlichkeit des Auges beeinflussen. Bei einem weichen Übergang wird der Entgegenkommende weniger stark geblendet.
Ein Problem der LED-Technik ist auch der hohe Blauanteil im Lichtspektrum. Es ähnelt dem Tageslicht, was wir nachts als "unpassend" empfinden. Zudem reagiert unser Auge überempfindlich, wenn ein einzelner Anteil der Grundfarben des Lichts – in diesem Fall blau – deutlich erhöht wird. Deshalb empfinden viele das kaltweiße Licht der LED-Scheinwerfer als unangenehm.
LED-Scheinwerfer müssen nicht blenden
Tatsächlich gibt es keinen Grund, warum LED-Scheinwerfer blenden müssen. Technisch ist eine Verringerung der Blendwirkung einfach umsetzbar.
Die Gegenüberstellung der beiden LED-Systeme hat gezeigt, dass bei Systemen mit Freiflächenreflektoren die LED nicht direkt sichtbar ist und das Licht über einen größeren Reflektor nach vorne abgegeben wird. Die Lichtquelle ist größer und dadurch angenehmer, ohne dass deshalb das Licht auf der Straße schlechter wird.
Das Linsensystem hat seine Stärken im Fernlichtbereich, wenn hoch aufgelöste Licht-Assistenzfunktionen gefragt sind. Diese dürfen nur genutzt werden, wenn man keinen Entgegenkommenden blendet.
Deshalb empfiehlt der ADAC die Kombination von Linsenprojektions- und Freiflächenreflektorsystem:
Statisches Abblendlicht in Freiflächenreflektortechnik
Fernlicht mittels Linsenprojektionssystem, gesteuert durch ein adaptives Assistenzsystem
Vor allem bei den Rücklichtern sollten Hersteller LED-Leuchten mit geringer Leuchtdichte verwenden. Anders als bei den Leuchten entgegen kommender Fahrzeuge, schauen wir auf die Rücklichter eines Autos deutlich länger. Bei zäh fließendem oder gar stehendem Verkehr kommt hinzu, dass der Abstand zu den vorausfahrenden Autos sehr gering ist. Steht die Ampel auf rot, leuchtet bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe das Bremslicht oft die gesamte Wartezeit.
Tagfahrlicht kann tagsüber blenden
Tagfahrlicht erhöht zwar die Sichtbarkeit am Tag – bei schlechten Sicht- und Lichtverhältnissen blendet es aber mehr als doppelt so stark wie das Abblendlicht am Tage. Das ist vielen Autofahrern nicht bewusst.
Der Effekt wird verstärkt durch nicht homogene, kleine Austrittsflächen. Daher ist es wichtig, möglichst früh auf das Abblendlicht zu wechseln, um den Gegenverkehr nicht unnötig stark zu blenden. Das Umschalten auf Abblendlicht ist bei schlechter Sicht (Nebel, Regen, Schneefall, Dämmerung) ohnehin vorgeschrieben.
Denken Sie daran: Nebelschlussleuchten dürfen nur bei Sichtweiten unter 50 Meter eingeschaltet werden. Dann gilt zudem Tempo 50. Verbessert sich die Sicht, schalten Sie die Nebelschlussleuchte umgehend wieder aus.
So vermindern Sie Blendung
Vermeiden Sie den direkten Blick ins Licht und schauen Sie stattdessen auf die Fahrbahn vor Ihnen oder an den rechten Fahrbahnrand
Sorgen Sie für saubere Fahrzeugscheiben
Tragen Sie entspiegelte, saubere Brillengläser
Überprüfen Sie regelmäßig die Lichteinstellung und die Leuchtweite
Korrigieren Sie die Leuchtweite bei Beladung
Fahren Sie bei schlechter Sicht auch am Tag mit Abblendlicht statt mit Tagfahrlicht. Nur so leuchten auch die Rücklichter
Lassen Sie Ihre Sehfähigkeit freiwillig regelmäßig überprüfen
ADAC Empfehlungen an die Hersteller
Scheinwerfer und Leuchten sollten mit großen, möglichst homogenen Lichtaustrittsflächen gestaltet werden
Der direkte Blick in die Lichtquelle sollte nicht möglich sein
Die Lichtautomatik sollte schon bei leichter Dämmerung und bei schlechter Sicht am Tag auf Abblendlicht umschalten
Hohe Leuchtdichten sollten im langsam fließenden oder stockenden Verkehr vermieden werden
Der Kontrast an der Hell-Dunkel-Grenze sollte weniger hart ausgelegt sein
Ausstattung mit weniger starkem Stadtlicht mit automatischem Umschalten bei geringen Fahrgeschwindigkeiten sollte Serie sein
Wichtig für den ADAC: Die Leuchtdichte der Scheinwerfer und Signalleuchten sollte gesetzlich beschränkt werden, denn LEDs können in Zukunft immer noch kleiner und effektiver werden.
An ausgewählten, neuwertigen Fahrzeugen, die durch den ADAC Autotest 2019 im Laufe der Untersuchung zur Verfügung standen, wurden Lichtmessungen am Abblendlicht der LED-Scheinwerfer im unmittelbaren Nahfeld durchgeführt. Aus 20 Zentimeter Entfernung zur Scheinwerferabdeckung wurde die Beleuchtungsstärke an möglichst hellen Punkten des Lichtkegels ermittelt (visuelle Abschätzung).
Zum Einsatz gekommen ist für die Ermittlung des Lichtspektrums, der Farbtemperatur und der Beleuchtungsstärke ein Spektrometer von Asense: Die Toleranz in der Bestimmung der Beleuchtungsstärke liegt bei etwa fünf Prozent, was ausreichend ist für eine Abschätzung im Rahmen der ADAC Untersuchung.
Da die Messwerte im Nahfeld des Scheinwerfers oberhalb des Messbereichs des Geräts von 50.000 Lux lagen, wurde ein Filter vor das Messgerät montiert, bestehend aus einer optisch hochwertigen, gesputterten Scheibentönungsfolie der Firma Bruxsafol. Das Gerät wurde vor jeder Messung mit und ohne Filter im gültigen Messbereich mit einer Entfernung von 70 Zentimetern vor dem zu messenden Scheinwerfer eingemessen, um die Abweichungen (Verminderung Beleuchtungsstärke, Veränderung Farbspektrum) durch den Filter zu dokumentieren.
Über das Verhältnis der Messfläche des Spektrometers zum Abstand der Lichtquelle wurde eine Abschätzung der Leuchtdichte vorgenommen.
Video: Ergebnisse der ADAC Untersuchung
Fachliche Beratung: Burkhard Böttcher, ADAC Technik Zentrum