Gefahr durch Blendung: Viele Autofahrer sind betroffen
Eine europaweite Umfrage zeigt erstmals, welche gravierenden Auswirkungen blendende Scheinwerfer auf Autofahrende und die Verkehrssicherheit haben. Die Ergebnisse sind alarmierend.
Blendung im Verkehr: Die Mehrheit fühlt sich betroffen
Manche Fahrer und Fahrerinnen zeitweise im Blindflug unterwegs
Hohes Risiko für die Verkehrssicherheit
Jeder kennt das: Man ist abends unterwegs und fühlt sich durch den entgegenkommenden Verkehr geblendet. Nur ein subjektives Missempfinden? Nein. Gemeinsam mit zehn weiteren Automobilclubs hat der ADAC Autofahrende befragt, wie sehr sie sich im Verkehr geblendet fühlen. Die Umfrage der europäischen Autoclubs zeigt: Wer sich von blendenden Lichtquellen gestört fühlt, ist nicht allein.
Blendung: Kein Problem Einzelner
Immer mehr Menschen beschweren sich über Blendungsempfindungen im Straßenverkehr. Zwar ist die Zahl der diesbezüglichen Nachrichteneingänge im ADAC noch handhabbar, doch führt man Einzelgespräche mit Autofahrerinnen und -fahrern, berichtet ein recht hoher Anteil davon, durch Scheinwerfer und Leuchten gestört zu werden. So werde beispielsweise die Sicht beeinträchtigt, die Wahrnehmbarkeit von Objekten erschwert und das Unbehagen, nachts zu fahren, steige.
Jetzt wollten es die europäischen Automobilclubs genau wissen. Die Clubs der Niederlande (ANWB), Englands (IAM), Bosnien-Herzegowinas (BIHAMK), Sloweniens (AMZS), Norwegens (NAF) haben ihre Mitglieder befragt, in Deutschland, Österreich (ÖAMTC), der Schweiz (TCS), Belgien (TCB) und Luxemburg (ACL) wurden generell Verbraucher mit Führerschein gefragt (repräsentative Umfrage).
Die repräsentative Umfrage der ADAC Marktforschung hat damit erstmals eine belastbare Datenbasis für Deutschland geschaffen.
Die Mehrheit fühlt sich betroffen
In Deutschland fühlen sich über 90 Prozent der Autofahrenden geblendet. Einige zwar nur selten (15,2 Prozent) oder fast nie (5,5), aber immerhin fast 50 Prozent manchmal, regelmäßig (21,7 Prozent) oder gar fast immer (5 Prozent). Das bedeutet: Für rund drei Viertel der Befragten ist Blendung im Straßenverkehr demnach ein wichtiges Thema.
Man steht also nicht alleine da, wenn man das Gefühl hat, die Scheinwerfer des Gegenverkehrs oder die Rückscheinwerfer des vorausfahrenden Wagens sind zu grell. Verstärkt wird dies durch schwierige Sichtverhältnisse wie Dunkelheit, Nebel, starker Regen oder Schneefall.
Bemerkenswert: 32 Prozent der Befragten bis 35 Jahre fühlen sich fast immer oder regelmäßig geblendet, bei den über 50-Jährigen sind es nur knapp 23 Prozent. Die Umfrage hat also nicht bestätigt, dass Blendung hauptsächlich ein Problem der älteren Autofahrerinnen und -fahrer ist – und das auch in den anderen europäischen Ländern.
Verursacher: Fernlicht Nummer eins
Was blendet die Menschen im Straßenverkehr am meisten? Um das herauszufinden, hat der ADAC gefragt: Von welcher Lichtquelle geht die stärkste Blendwirkung aus? Das Ergebnis ist eindeutig:
Als besonders negativ wird das Fernlicht empfunden: 82,1 Prozent der Befragten sehen darin das größte Problem.
Auch das Abblendlicht wird von vielen (41 Prozent) als eine stark blendende Lichtquelle empfunden.
Jeder Vierte (26,7 Prozent) fühlt sich von der Nebelschlussleuchte geblendet.
Das Tagfahrlicht hingegen fällt mit 6,9 Prozent weniger ins Gewicht. Auffällig: Zunehmend wird auch die Beleuchtung von Fahrrädern als störend empfunden. Hier gaben 8,8 Prozent an, dass sie sich dadurch geblendet fühlen.
Grelles Licht: Störend bis unerträglich
Während der Fahrt geblendet zu werden, ist für Autofahrende oftmals eine ernst zu nehmende Belastung.
Sechs von zehn Autofahrerinnen und -fahrern (61,7 Prozent) geben bei der ADAC Umfrage an, die Blendung als störend zu empfinden.
25,9 Prozent der Befragten stufen die Belastung als noch tolerierbar ein.
4,8 Prozent erleben sie als unerträglich.
Über 27 Prozent der Befragten fühlen sich gestresst, werden müde oder empfinden andere körperliche Probleme. 21,8 Prozent fahren weniger bei Dunkelheit, 3,7 Prozent haben sogar aufgehört, im Dunkeln Auto zu fahren.
Reaktion: Oft im Blindflug unterwegs
Was aber sind die Folgen, wenn sich Autofahrende geblendet fühlen? Welche Auswirkungen hat das auf ihr Verhalten im Verkehrsgeschehen? Die ADAC Umfrage zeigt erstmals das Ausmaß der Konsequenzen für die Verkehrssicherheit, wenn Menschen während der Fahrt geblendet werden:
Jeder Zweite kneift die Augen zusammen oder schaut weg.
Manch einer ist sogar zeitweise im Blindflug unterwegs: 2,4 Prozent der Befragten schließen ihre Augen.
Einige wenige (3,1 Prozent) schauen direkt in die Lichtquelle und folgen damit einem Schutzreflex für das Auge.
Nur 14,1 Prozent der Autofahrenden reagieren nicht oder können es ignorieren, wenn sie mit einem blendenden Licht konfrontiert werden.
Empfindung: Irritation und Schmerzen
Die Automobilclubs haben ihre Mitglieder und Verbraucher gebeten, zu beschreiben, welche Wirkung sie empfinden, wenn sie von Lichtern geblendet werden. Auch hier wird deutlich: Blendung stellt ein echtes Problem für die Verkehrssicherheit dar.
In Deutschland geben sechs von zehn Autofahrerinnen und -fahrern an, dass alles rund um die Lichtquelle schwer zu erkennen ist. Jeder Dritte ist irritiert, und 23,3 Prozent erleben einen Lichtfleck im Blickfeld, der nur langsam verschwindet. 4,3 Prozent der Befragten geben sogar an, dass blendendes Licht schmerzt. Damit sind es fast 27 Prozent der Befragten, die über Nachbilder oder Schmerzen klagen.
Egal ob Irritation, Lichtvorhang (21 Prozent) oder Schmerzen – all das hat gravierende Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit und das Wohlbefinden im Straßenverkehr. Damit ist es nicht das Problem einer Minderheit, sondern geht alle an.
Wie viel Schuld tragen LED-Scheinwerfer an der Blendung?
Weil so viele Autofahrerinnen und -fahrer ein zu helles Licht im Gegenverkehr beklagen, hat der ADAC LED-Leuchten untersucht. Könnte die neue Technik an den zunehmenden Beschwerden schuld sein? Das wollten die ADAC Techniker genauer wissen und haben verschiedene LED-Scheinwerfersysteme untersucht. Ergebnis: Manche blenden tatsächlich unnötig stark.
Fazit: Blendung ist verkehrsgefährdend
Die Ergebnisse der Umfrage haben gezeigt, dass Blendung im Straßenverkehr kein Phänomen einzelner Überempfindlicher ist, sondern dass sich die Mehrzahl der Autofahrenden im Straßenverkehr geblendet fühlt.
Weiter zeigen die Antworten, dass es sich nicht nur um eine rein psychologische Blendung handelt, sondern längst eine physiologische Blendung vorliegt. Nachbilder, Lichtschleier und Schmerzempfindungen sind Anzeichen einer Reaktion des Sinnesorgans Auge auf eine (zu) starke Lichtimmission mit hoher Leuchtdichte im Auge und auf der Netzhaut.
Intuitive Reaktionen wie das Zusammenkneifen oder sogar das kurzzeitige Schließen der Augen, häufiges Blinzeln wie auch das direkte Hineinsehen in die blendende Lichtquelle sind als verkehrsgefährdend einzustufen. Ebenso die häufige Angabe, dass Objekte rund um die blendende Lichtquelle nur schwer zu erkennen sind.
Die Ergebnisse der Umfrage wurden Prof. Dr. Dr. Bernhard Lachenmayr, Facharzt für Augenheilkunde, vorgelegt: "Die Ergebnisse der Umfrage verwundern mich nicht. Durch die immer kleiner werdende Lichtaustrittsfläche und die zunehmend höhere Leuchtdichte erhöhen sich psychologische und physiologische Blendung." Es ist also an der Zeit, etwas zu ändern.
Das können Sie gegen Blendung tun
Autofahrende können auch selbst einen Beitrag leisten, unnötige Blendung so gering wie möglich zu halten.
So schützen Sie andere Verkehrsteilnehmer:
Schalten Sie rechtzeitig die Nebelschlussleuchte aus, wenn es die Sicht wieder zulässt.
Verwenden Sie die Feststellbremse bei längeren Wartezeiten an Ampelanlagen, damit die Bremsleuchten den Dahinterstehenden nicht unnötig lang blenden.
Überprüfen Sie regelmäßig die Lichteinstellung und die Leuchtweite.
Deaktivieren Sie das automatische oder adaptive Fernlichtsystem, wenn es nicht rechtzeitig abblendet, wie beispielsweise im Kreuzungsverkehr oder innerorts.
Reinigen Sie die Scheinwerferabdeckung.
Korrigieren Sie die Leuchtweite bei Beladung manuell, wenn dies nicht automatisch erfolgt.
In Untersuchungen fällt immer wieder auf, dass viele Fahrzeuge mit defekten oder falsch eingestellten Scheinwerfern unterwegs sind, deshalb bietet der ADAC für seine Mitglieder eine kostenlose Überprüfung der Fahrzeugbeleuchtung an.
So schützen Sie sich selbst:
Vermeiden Sie den direkten Blick ins Licht und schauen Sie stattdessen auf die Fahrbahn vor Ihnen oder an den rechten Fahrbahnrand.
Sorgen Sie für saubere Fahrzeugscheiben.
Tragen Sie entspiegelte, saubere Brillengläser.
Lassen Sie Ihre Sehfähigkeit freiwillig regelmäßig überprüfen.
73 Prozent der Umfrageteilnehmenden sind der Ansicht, dass die Gesetzgebung angepasst werden muss, damit die Blendung auf der Straße reduziert wird; 39 Prozent halten es sogar für sehr wichtig.
Mit der Umfrage hat der ADAC somit ein klares Mandat seiner Mitglieder und von Verbrauchern erhalten, ihre Interessen zu vertreten und mehr Schutz vor unnötiger Blendung zu verlangen. Geltende Zulassungsvoraussetzungen im Rahmen des EU-Typgenehmigungsverfahrens sind unzureichend. Sie schützen die Autofahrenden nicht genug. Deshalb geht der ADAC aktiv auf Behörden und Organisationen wie beispielsweise UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) oder der Europäischen Kommission zu.
Kampagne #mehrAchtung
Der ADAC ist Partner der Kampagne #mehrAchtung, die ein besseres Miteinander auf Deutschlands Straßen erreichen möchte. Diese Verkehrssicherheits-Initiative des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates setzt auch auf Plakate. Diese fordern zum Beispiel dazu auf, am Steuer nicht das Smartphone zu benutzen, Rücksicht auf die Nutzer anderer Verkehrsmittel zu nehmen und beim Abbiegen das Blinken nicht zu vergessen. Kernbotschaft ist, dass sich Achtsamkeit lohnt und selbstverstärkend wirken kann: Je achtsamer, desto entspannter ist man unterwegs – und umgekehrt.
Im Rahmen der Kampagne empfiehlt ADAC Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino allen, die sich über das Verhalten anderer im Straßenverkehr aufregen, gelassen zu reagieren:
„Wir sollten über mehr Achtung im Straßenverkehr nachdenken. Sorgloses Verhalten betrifft nicht nur mich, sondern immer auch die anderen. Mehr Rücksicht bedeutet mehr Sicherheit für alle. Und Emotionen gehören dazu. Niemand ist perfekt. Aber auch hier gilt: Mehr Achtung ist der Schlüssel zur Konfliktvermeidung. Einfach ausprobieren.“
ADAC Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino©ADAC/Beate Blank
Das tut der ADAC gegen die Blendung
Folgende Maßnahmen empfiehlt der ADAC, um Blendung im Straßenverkehr zu reduzieren:
Die Leuchtdichte von Lichtquellen ist zu beschränken. Das gilt sowohl in der Ferne, wie auch im Nahfeld, um die Blendung im Straßenverkehr zu verringern und eine Verletzungsgefahr für das Auge im Nahfeld auszuschließen.
Adaptive Fernlichtsysteme müssen so ausgelegt sein, dass Verkehrsteilnehmer aller Art, also auch Fahrerinnen und Fahrer von einbiegenden und kreuzenden Fahrzeugen, Radfahrende und Fußgänger erkannt und nicht geblendet werden.
Die Vorgaben zur Auslegung von Leuchten und Scheinwerfern, die im Straßenverkehr zum Einsatz kommen, müssen die Blendungsgefahr für Verkehrsteilnehmer stärker berücksichtigen.
Die Grenzen zwischen "Hell" und "Dunkel" sind weich zu gestalten, um dem Auge mehr Zeit zur Reaktion auf den Wechsel beim Eintauchen in den Lichtkegel zu geben.
Scheinwerferreinigungsanlagen und automatische Leuchtweitenregulierungssysteme sollten grundsätzlich vorgeschrieben sein; zumindest bei Überschreiten einer vorzugebenden Leuchtdichte im Bereich der Scheinwerferabdeckung.
Es müssen Grenzwerte hinsichtlich Beleuchtungsstärke und Leuchtdichte ermittelt und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Humanbiologie begründet werden.
Technische Beratung: Burkhard Böttcher, ADAC Technik Zentrum