VW e-Crafter: Leise und sauber auf der letzten Meile

VW e-Crafter bei Sonnenuntergang von Vorne
Der e-Crafter von VW Nutzfahrzeuge erfüllt die Anforderungen an einen City-Transporter© Volkswagen Nutzfahrzeuge

136 PS und 173 Kilometer Reichweite: Testfahrt im VW e-Crafter, dem ersten großen Elektro-Transporter von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Plus: technische Daten und Preise

  • City-Transporter für den Lieferverkehr 

  • Kein Problem mit künftigen Fahrverboten

  • Ausgelegt auf Zuladungen bis 1,72 Tonnen

  • Der e-Crafter ist nicht mehr als Neufahrzeug zu haben

Ganz klar: Der Diesel wird dank seiner großen Reichweite und hohen Nutzlast im Transportwesen auch in absehbarer Zeit die Antriebsart Nummer eins bleiben – vor allem für die langen Strecken vom Produktions- oder Importort zu den Zwischenlagern. Hier übernehmen dann kleinere Lkw oder Kastenwagen die innerstädtische Belieferung zum Kunden. Und auch diese Fahrzeuge nutzen aktuell meist einen Dieselmotor, weil er hilft, die Betriebskosten niedrig zu halten. 

Elektromobilität schien lange für Handwerker oder Lieferdienste aufgrund der geringen Reichweiten, langen Ladezeiten und viel zu hohen Kosten keine Alternative zu sein. Doch es droht Gefahr: Sollten in den ersten Städten großflächige Fahrverbote für Dieselfahrzeuge tatsächlich Realität werden, kommen die Firmen nicht mehr zu ihren Kunden. 

Und könnte dann nicht – nach einer Analyse der Nutzungszwecke der Fahrzeuge – doch der lokal emissionsfreie und geräuschlose Elektroantrieb Sinn machen? Nicht unbedingt als einziges Fahrzeug im Fuhrpark, aber zumindest als Ergänzung?

Die Mobilitätsanalyse von VW

Die zentrale Frage ist: Wie viele Kilometer am Tag legen Handwerksbetriebe, Paketzusteller, Shuttle-Dienste oder Einzelhändler tatsächlich zurück? Die Nutzfahrzeugsparte von VW führte deshalb im Vorfeld der e-Crafter-Entwicklung eine Mobilitätsanalyse durch, indem sie über 210.000 Fahrprofile von mehr als 1500 Kunden auswertete. Das Ergebnis: Das Gros der Fahrer legt mit einem Transporter täglich zwischen 70 und 100 Kilometer zurück.

Bestes Beispiel für Unternehmen, die bevorzugt im innerstädtischen Bereich unterwegs sind: Paketzusteller wie DHL, UPS oder Hermes, die als "Last-Mile-Zusteller" die Pakete aus einem stadtnahen Zentrallager abholen und zu den Empfängern bringen. 

Laut der Studie sind deren Fahrer und Fahrzeuge im Durchschnitt an sechs Tagen pro Woche jeweils neun Stunden unterwegs, legen überwiegend im innerstädtischen Verkehr pro Tag 70 Kilometer mit 50 bis 100 Stopps zurück und bewegen im Schnitt dabei eine Nutzlast von 875 Kilo. 90 Prozent der Transporter werden über Nacht auf einem Betriebshof abgestellt, könnten also bequem Strom laden.  

Realistische Reichweite: 120 Kilometer

VW e-Crafter wird beladen
Große Klappe: Hier passen vier Euro-Paletten rein© Volkswagen Nutzfahrzeuge

Genau für diese Zielgruppe hat VW den e-Crafter konzipiert: Mit einer Reichweite von bis zu 173 Kilometern gemäß NEFZ (realistisch sind wohl 120 Kilometer) und einer bewusst auf 90 km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit deckt der e-Crafter die realen Anforderungen des täglichen Einsatzes als City-Transporter problemlos ab. Dass die Rechnung aufgeht, bestätigen auch die Auslieferungszahlen 2020: Immerhin konnten die Hannoveraner 1100 der Strom-Kasten ausliefern.

Seit Ende 2022 ist der e-Crafter allerdings nicht mehr als Neufahrzeug konfigurierbar. Man könne sich aber gern beim Volkswagen Nutzfahrzeuge-Händler erkundigen, ob er ein gebrauchtes Exemplar oder einen e‑Crafter-Jahreswagen anzubieten hat. "Nur so lange der Vorrat reicht!", so die Ansage von VW Nutzfahrzeuge.


Die Stromer basieren auf der zweiten Crafter-Generation, die 2017 auf den Markt kam. Hier war eine künftige Elektrifizierung schon angedacht. Deshalb konnte VW die Architektur des großen Lieferwagens schon auf die Integration der elektrischen Antriebskomponenten ausrichten. So wird die Lithium-Ionen-Batterie platzsparend im Unterboden des e-Crafter untergebracht.

Der Vorteil: Das Ladevolumen des 2,59 Meter hohen Hochdach-Kastenwagens kann mit 10,7 Kubikmeter voll genutzt werden. Gleiches gilt für weitere wichtige Maße wie die Durchladebreite zwischen den Radkästen (1,38 Meter) oder die Laderaumhöhe (1,86 Meter). Wichtig für die Logistiker: Im Kastenaufbau ist Platz für vier Europaletten. Die maximale Zuladung beträgt je nach Ausführung zwischen 0,975 und 1,72 Tonnen.

Schnellladung in 45 Minuten 

VW e-Crafter wird geladen
Laden an der Wallbox mit dem Typ-2-Stecker© Volkswagen Nutzfahrzeuge

An einer CCS-Ladestation mit 50 kW (Gleichstrom) wird die Batterie (Energiegehalt 35,8 kWh) unter Idealbedingungen nach nur 45 Minuten wieder zu 80 Prozent geladen. Mit einer AC-Wallbox mit 7,2 kW (Wechselstrom) ist der Akku in gut fünf Stunden wieder zu 100 Prozent mit Energie versorgt. Das wird vermutlich der Normalfall sein, wenn die Autos über Nacht auf dem Betriebshof des Unternehmens geladen werden.

Die Ladung an einer Schuko-Steckdose würde den Betriebsablauf dagegen empfindlich stören: Hier wäre der Transporter erst nach 17 Stunden wieder voll einsatzbereit.

Der Elektromotor ist vorne im e-Crafter integriert und leistet 136 PS mit einem maximalen Drehmoment von 290 Newtonmetern. Der Motor wurde im Konzern auch im VW e-Golf eingesetzt, jetzt aber mit einem einstufigen Automatik-Getriebe gepaart, das speziell für Nutzfahrzeuge ausgelegt ist.   

Produziert wird das Chassis des neuen Modells – wie alle Crafter – im Werk Września in Polen. Die Endmontage der e-Komponenten erfolgt dann im Stammwerk von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover.

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Typisches VW-Cockpit

Weil Elektromotoren ihr maximales Drehmoment praktisch aus dem Stand entwickeln, ist der e-Crafter souverän unterwegs. Zügiger Ampelstart und flinkes Mitschwimmen im Stadtverkehr – kein Problem. Die Lenkung fühlt sich leichtgängig-direkt an, und die Federung ist für das Fahrzeuggewicht erstaunlich feinfühlig.

Nichts auszusetzen gibt es auch an der Innenausstattung des Dreisitzers: Der kantige Look mit den genarbten Plastikverkleidungen passt gut zum robusten Charakter des e-Crafter, und die praktische Bedienung unterscheidet sich kaum von der der letzten VW Golf-Generation.

Obwohl der e-Crafter, der übrigens baugleich als MAN eTGE angeboten wird, schon leer fast 2,5 Tonnen wiegt, ist er relativ sparsam unterwegs: Der Stromverbrauch soll laut VW mit 0,975 Tonnen Zuladung kombiniert bei 21,54 kWh/100 km liegen.

Die überaus üppige Serienausstattung des e-Crafter verblüfft, denn bei Nutzfahrzeugen dieser Klasse übernimmt üblicherweise der Rotstift das Ausfüllen des Bestellformulars. Der e-Crafter kommt mit fast allen modernen Assistenzsystemen auf den Markt, die VW auch für die Pkw anbietet.

Im Komfortbereich wird der Fahrer ebenfalls verwöhnt. LED-Scheinwerfer, Klimaautomatik, Sitzheizung, Wärmepumpe, beheizte Frontscheibe, Komfortsitze und das Navigationssystem "Discover Media" mit Sprachbedienung und Mobiltelefon-Schnittstelle – alles serienmäßig.

Womit wir auch schon beim Preis für den e-Crafter wären. Zur Markteinführung Anfang 2019 rief VW die stolze Summe von 69.500 Euro auf – netto! Klar: Das Preis-Leistungs-Verhältnis war bei dieser Ausstattung gar nicht so schlecht. Doch beim Fuhrpark einer Firma wird eben in der Regel zuerst gespart – und VW reagierte: Seit dem Modelljahr 2020 bis zum Neuwagen-Bestellstopp 2022 war der e-Crafter ab 53.900 Euro netto zu haben.

E-Modelle von Renault, Mercedes und Fiat 

VW e-Crafter von der Seite
Ohne lokale Emissionen: Der VW e-Crafter© Volkswagen Nutzfahrzeuge

Und was macht die Konkurrenz? Kleinere E-Transporter wie Renault Kangoo oder Nissan E-NV200 fahren schon einige. Doch in der e-Crafter-Klasse gab es lange nur den Iveco Daily zu kaufen, der schon 2009 auf den Markt kam und mit unterschiedlichen Batterie-Modulen bestellbar ist. So kann er mit kleiner Batterie zwar 1300 Kilo laden, fährt dann aber nur 80 Kilometer weit, bietet also kaum Reserven. Mit drei Modulen sollen im urbanen Bereich bis zu 200 Kilometer möglich sein – dann reduziert sich aber die Nutzlast auf magere 600 Kilo. Eine Nummer kleiner ist der elektrische T6 von ABT e-Line.

Inzwischen haben sich aber weitere Konkurrenten in Position gebracht. Renault etwa ist mit dem Master Z.E. und Mercedes mit dem elektrischen Vito und Sprinter ins Rennen gestartet. Dazu bietet Stellantis (Opel, Peugeot, Citroën, Fiat) seine Nutz-Flotte weitgehend auch elektrifiziert an, Fiat etwa ist mit dem E-Ducato eingestiegen. Ford peilt mit den E-Transit Bestwerte bei Reichweite und Fracht an. Und nicht zuletzt möchte auch der chinesische Hersteller Maxus sein Stück vom Umsatzkuchen abhaben. Keine Frage: Das Segment der Strom-Transporter hat noch einiges zu bieten. Und vielleicht auch mal einen neuen e-Crafter.

Technische Daten (Herstellerangaben)

VW e-crafter L3/H3

Motor

Elektromotor, 100 kW/136 PS, 1-Gang-Automatikgetriebe, Frontantrieb

Fahrleistungen

Spitze 90 km/h (abgeregelt), 173 km Reichweite (NEFZ)

Verbrauch

21,54 kWh/100 km (mit 975 kg Zuladung), CO₂-Ausstoß: 0 g/km

Maße

L 5,99 / B 2,03 / H 2,59 m

Zuladung / Laderaumvolumen

970 – 1720 kg / 10,7 m³

Preis

53.900 € (netto), 64.141 € (brutto)*

* Der e-Crafter ist nicht mehr als Neufahrzeug konfigurierbar

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