ADAC Mobilitätsindex: Niedersachsen

Eine Strassenszene in Hannover
Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover ist ein bundesweit bedeutender Verkehrsknotenpunkt© Shutterstock/Alizada Studios

Immer noch zu wenig ÖPNV auf dem Land, doch bei der Nachhaltigkeit geht es stetig aufwärts: Wie Niedersachen bei der Mobilität vorankommt, zeigt der aktuelle Index des ADAC.

  • ÖPNV auf dem Land auf niedrigem Niveau

  • Weite Wege zum nächsten Fernbahnhof

  • Hürden und Chancen für die Elektromobilität

Bei Einwohnerzahl und Fläche liegt Niedersachsen im Bundesländervergleich im oberen Viertel. Weite Landesteile sind ländlich geprägt, die Bevölkerungsdichte ist eher gering.

Lange Fahrzeiten zu den Fernbahnhöfen

Die Metropolregion Hannover umfasst neben der Landeshauptstadt die bedeutenden Wirtschaftsstandorte Braunschweig und Wolfsburg und bildet so den größten niedersächsischen Ballungsraum. Zudem wirken sich die Speckgürtel von Hamburg und Bremen positiv auf die Bevölkerungsentwicklung bestimmter Regionen aus. Besonders dünn besiedelt ist Niedersachsen entlang der Nordseeküste und an der niederländischen Grenze.

Die wichtigsten Zahlen und Fakten

Kein Wunder also, dass der Verkehr unterschiedlich dicht durch das Bundesland fließt: Einerseits sind die Ballungsräume durch Autobahnen nicht nur gut miteinander, sondern auch mit den Metropolregionen Ruhrgebiet, Hamburg und Berlin verbunden. Hannover dient hier als zentraler Schnittpunkt zahlreicher Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen und ist damit ein bundesweit bedeutender Verkehrsknotenpunkt.

Allerdings müssen Niedersachsens Bewohnerinnen und Bewohner durchschnittlich 28 Kilometer bis zum nächsten Fernbahnhof überwinden. In dieser Kategorie reicht es dadurch im Ländervergleich nur fürs untere Drittel.

Landstraßen als Verbindungsadern

Entsprechend hoch ist deshalb die Abhängigkeit vom Auto: Auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner kommen fast 600 Pkw. Bei der Motorisierungsquote liegt Niedersachsen damit auf Platz fünf der Bundesländer. Auch die Fahrleistung der Pkw ist aufgrund weiter Strecken im Ländervergleich hoch.

Der Straßenverkehr spielt sich überwiegend auf Landstraßen ab. Mit negativen Folgen für die Verkehrssicherheit: Nur in Sachsen-Anhalt und Brandenburg sterben relativ zur Bevölkerungszahl mehr Menschen im Verkehr als in Niedersachsen.

Nicht ganz so schlecht sieht es in Niedersachsen dagegen bei den Themen Energieverbrauch, Ausstoß von Treibhausgasen und Belastung durch Luftschadstoffe aus. Hier liegt das Bundesland jeweils nah am Bundesdurchschnitt. Die Stauintensität ist mit 51 Kilometern Stau je Autobahnkilometer eher gering.

ADAC Mobilitätsindex Niedersachsen

Beim Thema Nachhaltigkeit kommt das Windmühlenland Niedersachsen immer weiter voran. Der Landesindexwert steigt 2021 auf 112, satte elf Punkte mehr im Vergleich zu 2019. Das nördliche Bundesland entwickelt sich damit besser als der Bundesdurchschnitt. Ein Erfolg – auch wenn ein Großteil des Fortschritts auf die Auswirkungen der Verkehrs-und Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie zurückzuführen ist.

Zwölf Prozent mehr Fahrplankilometer stehen im ÖPNV im Vergleich zu 2015 zur Verfügung. Eine Verbesserung, die allerdings auch dringend angezeigt ist, denn gerade auf dem Land bleibt das Nahverkehrsangebot noch hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Die Zuverlässigkeit entwickelte sich in Niedersachsen hingegen schlechter als im Bundesdurchschnitt. 107 beträgt hier der aktuelle Indexwert. Zwar gab es weniger Staus, was vor allem an den Mobilitätseinschränkungen während der Pandemie liegt. Die Reduktion war in anderen Bundesländern allerdings stärker.

Während die Verkehrssicherheit bis 2019 in ihrer Entwicklung mehr oder weniger stagnierte, profitierte sie danach von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und stieg auf einen Indexwert von 118 Punkten im Jahr 2021.

Portrait eines jungen Mannes mit dem Nachnamen Kaufmann

Mobilität im Flächenland Niedersachsen sollte weiterhin auf der freien Wahl des Verkehrsmittels beruhen. Gerade weil das Auto auf dem Land weiterhin unverzichtbar ist. Das Deutschlandticket ist zwar eine Chance, muss aber unbedingt von Investitionen in den ÖPNV begleitet werden.

Felix Kaufmann, Leiter Verkehr, Technik und Umwelt, ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt e.V.©ISABELL MASSEL

Ausblick

Besonders die ländlichen Räume stellen die Mobilität in Niedersachsen noch vor Herausforderungen. Ein schnellerer Ausbau des ÖPNV kann und sollte die hohe Abhängigkeit vom Auto zwar etwas lindern, jeder periphere Kilometer kann so aber natürlich nicht erschlossen werden. Umso entscheidender wird es sein, die Förderung der Elektromobilität zu verstärken und auch auf dem Land die nötige Ladeinfrastruktur zu errichten.

Alle Bundesländer in der Übersicht

Der ADAC Mobilitätsindex ist eine Kennzahl, zu der mehrere Kenngrößen verdichtet wurden. Insgesamt wurden dafür 1535 individuelle statistische Merkmale erfasst, das entspricht über 143.000 individuellen Datenreihen. Alle Daten sind zu fünf Bewertungsdimensionen zusammengefasst: Verfügbarkeit, Verkehrssicherheit, Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit sowie Klima und Umwelt. Diese Bewertungsdimensionen bestehen wiederum aus mehreren Leitindikatoren. Sowohl Bewertungsdimensionen als auch die Indikatoren wurden im Juni 2021 vom ADAC Verkehrsausschuss und vom ADAC Arbeitskreis Verkehr und Umwelt in ihrer Bedeutung gewichtet und fließen damit in unterschiedlicher Stärke in den ADAC Mobilitätsindex ein.

Das Ergebnis des ADAC Mobilitätsindex wird in einer einzigen Zahl ausgedrückt. Dieser Wert ermöglicht Rückschlüsse darauf, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität seit dem Index-Basisjahr 2015 verbessert oder verschlechtert hat. Da das Bezugsjahr dieser Veröffentlichung 2021 ist, sind Aussagen darüber möglich, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität im gesamten sowie in den untergeordneten Dimensionen von 2015 bis 2021 verändert hat.

Der Großteil der Daten für den Mobilitätsindex stammt aus öffentlich zugänglichen Statistiken etwa des Bundesamts für Statistik (DESTATIS), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), des Bundes-Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamts. Insgesamt wurden mehr als 1500 Datensätze recherchiert und für die Bildung der Indikatoren sowie die Analyse und die Erläuterung der aufgezeigten Entwicklungen herangezogen.

Die Entwicklung erfolgte in mehreren und aufeinander aufbauenden Schritten. Zunächst wurde definiert, welche Inhalte durch den Index abgebildet und zusammengefasst werden sollen, bevor daraus die notwendigen Bewertungsdimensionen abgeleitet wurden. In den nächsten Schritten wurden Daten recherchiert und ihre Qualität geprüft, bevor über ihre Zusammenstellung und Gewichtung entschieden wurde. Abschließend wurden mehrere Qualitätsprüfungen durchgeführt.

Zwischen den einzelnen Bewertungsdimensionen können Zielkonflikte herrschen. So führen eine hohe Zuverlässigkeit und eine hohe Verfügbarkeit möglicherweise zu erhöhten Schadstoffausstößen, die dann die Entwicklung der Bewertungsdimension Klima und Umwelt negativ beeinflussen. Durch die Gewichtung können die Erwartungen an die Entwicklung der Dimensionen berücksichtigt werden. Das heißt, dass die Relevanz der einzelnen Dimensionen gegeneinander abgewogen wird, um unerwünschte Effekte von einzelnen Entwicklungen zu verringern.

Zur Ermittlung der unterschiedlichen Gewichte wurde ein Kreis von Expertinnen und Experten definiert, der sich aus den Mitgliedern des ADAC Verkehrsausschusses und dem ADAC Arbeitskreis für Verkehr und Umwelt zusammensetzte. Als Ergebnis dieses Prozesses wird die Verkehrssicherheit mit 30 Prozent am stärksten berücksichtigt, darauf folgen mit 25 Prozent Klima und Umwelt sowie mit jeweils 15 Prozent Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit. Alle Infos zu den Methoden bei der Erarbeitung finden Sie auch auf den Seiten des Prognos Instituts.

Zum ersten Mal wurde der ADAC Mobilitätsindex 2022 veröffentlicht. Für die vorliegende Fortschreibung konnten Daten der Jahre 2015 bis 2021 ausgewertet werden, denn für diese Jahre gibt es den vollständigen Datenbestand für alle Index-Indikatoren. Für 2022 aber liegen beispielsweise noch nicht alle Statistiken der Ämter und anderer Datenquellen vor.

Mit dem ADAC Mobilitätsindex gibt es erstmalig eine wissenschaftlich basierte Grundlage, mit der die nachhaltige Entwicklung der Mobilität in Deutschland umfassend beobachtet und analysiert werden kann. Damit soll zur Versachlichung der in Politik und Gesellschaft kontrovers geführten Diskussionen zu diesem Thema beigetragen werden. Zugleich stellt sich der ADAC damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung für Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt sowie für die Zukunft der Mobilität.

Der ADAC ist überzeugt, mit dem Mobilitätsindex ein fundiertes und methodisch innovatives Instrument zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Mobilität entwickelt zu haben. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit gibt es jedoch auch Punkte, die weiter optimiert werden können. Dazu gehören etwa die teilweise ausbaufähige Datenverfügbarkeit insbesondere auf der Kreisebene oder auch im Zeitverlauf. Bei verbesserter Verfügbarkeit der Daten – etwa vom Bundesamt für Statistik – kann der Index künftig potenziell weiter ausgebaut werden.

Mit der Entwicklung des ADAC Mobilitätsindex wurde die Prognos AG beauftragt. Prognos ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsunternehmen mit Hauptsitz in Basel. Ziel war es, zusammen mit den Expertinnen und Experten des ADAC die Veränderung der Mobilität wissenschaftlich gesichert zu ermitteln und verständlich darzustellen.

Alle Ergebnisse des ADAC Mobilitätsindex

Die vollständigen Ergebnisse des ADAC Mobilitätsindex und Details zu seiner Methodik finden Sie in diesem PDF zum Download:

Der ADAC Mobilitätsindex
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