Test Mercedes V-Klasse: Volle Fahrt ins Nobelsegment

Neue Front, bessere digitale Vernetzung und selbstbewusste Preispolitik: Mercedes zielt mit der 2024 aufgemöbelten V-Klasse deutlicher als zuvor auf das Nobelsegment. Auf der Haube feiert sogar ein alter Bekannter sein Comeback. ADAC Test.

  • In drei Längenversionen Platz für bis zu acht Passagiere

  • Drei Diesel-Motoren, ein Benziner verfügbar

  • Bedienung moderner, aber nicht besser

Mercedes tritt mit seiner V-Klasse (elektrisch als EQV) an, um Freizeit und Business zu vereinen. Doch im Gegensatz zum "Bully" VW T7 oder dem Ford Tourneo Custom mit noblerem Anspruch – und eher mit Blick auf die Kundschaft mit dickerem Gelbbeutel.

Die jüngste Überarbeitung des Kleinbusses verstärkt diese Tendenz: Die V-Klasse tendiert weiter in Richtung Noblesse, also eher Champagner im Massagesitz statt profanes Bus-Feeling. Was sich alles geändert hat und wie sich die neue V-Klasse im Test schlägt, lesen Sie hier.

V-Klasse: Bedienung modernisiert

Das Cockpit der neuen Mercedes V-Klasse
Angenehm aufgeräumt und hilfreich digital: Das Cockpit macht in der V-Klasse einen merklichen Sprung nach vorne© Mercedes

Die Veränderungen sieht man gleich vorne im Cockpit. Hier bediente sich die Nutzfahrzeug-Abteilung beim Pkw-Ressort und holte die neueste Version des MBUX-Infotainmentsystems auch in die V-Klasse. Das sieht schon erheblich moderner aus als das angestaubte Cockpit des Vor-Facelift-Modells.

Aber ist die neue Bedienlandschaft auch besser zu handhaben? Leider nicht. Für die manuelle Befehlseingabe gibt es drei Möglichkeiten, allerdings kann keine davon zu 100 Prozent überzeugen.

Die naheliegendste Möglichkeit ist die direkte Eingabe über den Touchscreen. Allerdings ist das berührungsempfindliche Display weit vom Fahrer entfernt, wodurch speziell der rechte Bereich nur schwer zu erreichen ist – das grundsätzliche Cockpit-Layout der inzwischen elf Jahre alten V-Klasse ist nicht auf ein Touchscreen-Bediensystem ausgelegt. Hinzu kommt, dass die Touchflächen recht klein ausfallen und damit schwer zu treffen sind. Fehlbedienungen sind damit an der Tagesordnung.

Zweite Eingabemöglichkeit ist das Touchpad unterhalb der Klimabedieneinheit. Nachdem es aus den kompakten Modellreihen inzwischen verbannt wurde, feiert es in der V-Klasse eine zweite Karriere. Allerdings ist die Befehlseingabe darüber umständlich und langwierig und die rechts davon angeordneten Direktwahltasten sowie der Lautstärkeregler werden verdeckt. Zudem fehlt hier eine Möglichkeit, den Arm auflegen und das Touchpad damit sicherer bedienen zu können.

Dritte Eingabemöglichkeit ist das Touchfeld auf dem Multifunktionslenkrad, das sich allerdings nur sehr unpräzise bedienen lässt. Auch hier sind Fehlbedienungen an der Tagesordnung. Gleiches gilt für die Lautstärkeregelung sowie die Einstellung der Geschwindigkeitsregelung, die ebenfalls über berührungsempfindliche Bedienflächen am Lenkrad erfolgt.

Die Bedienstruktur des Infotainmentsystems wiederum hat sich evolutionär weiterentwickelt und erschließt sich einem recht schnell; für Detaileinstellungen muss man jedoch teils tief in die Menüstruktur abtauchen. Aufgrund des großen Systemumfangs und der zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten ist eine umfangreiche Eingewöhnung erforderlich, um mit der Fahrzeugbedienung vertraut zu werden.

Bildergalerie: Die V-Klasse im Detail

Innenraum: 10.000-Euro-Luxussitze

Die Rücksitzbank des neuen Mercedes EQV
Massagesitze in der ersten Reihe: Gerade für Taxi- und Shuttlefirmen eine gute Option© Mercedes

Die V-Klasse setzte sich von ihrer Minibus-Konkurrenz immer schon vor allem durch den anspruchsvollen Innenraum ab. Der ist nach wie vor hochwertig verarbeitet und verströmt mit viel Holz und gepolsterten Oberflächen alles andere als Nutzfahrzeug-Flair. Hartplastik findet man nur in Bodennähe und an Stellen, an die man sowieso nie mit der Hand kommt.

Vom Facelift profitiert nun unter anderem die Basisversion. Der schwäbische Minibus kommt nun immer mit zwei Schiebetüren, Lederlenkrad, Spurhalte- und Abstandsassistent. Aber abgesehen davon bleibt die V-Klasse ein Fest für Freunde der Extraausstattungen: Automatisch abblendende Seitenspiegel, Lenkrad mit Nappaleder, elektrische Schiebetüren, Dachreling, auf den Boden projiziertes Logo, Multibeam-LED-Licht – als kleine Auswahl.

In insgesamt drei Ausstattungsvarianten können Kundinnen und Kunden munter kombinieren und dazubestellen.

Ein Highlight sind natürlich die optional erhältlichen Luxussitze mit Massage-, Sitzklimatisierungs- und Liegefunktion. Zwei Stück kosten knapp mehr als 10.000 Euro, dafür bekommt man fast einen Dacia Sandero.

Und wer die Exclusive-Ausstattung wählt, wird Zeuge einer echten Daimler-Premiere. Auf diesen Modellen prangt dann der Mercedes-Stern, ein Privileg, das bis jetzt nur den Pkws vorbehalten war. Ein kleines, aber aussagekräftiges Detail, das zeigt, welchen Wert der Hersteller neuerdings auf gehobenen Stil bei seiner V-Klasse legt.

Mercedes-Bus: Vorn ist alles neu

Frontdetail der neuen Mercedes V-Klasse
Kleine Sterne umschwirren den großen in der Mitte: Nur eines der insgesamt drei Frontdesigns© Mercedes

Bei all dieser Ausstattungsvielfalt überrascht es da kaum, dass auch die Front nicht für jeden Besitzer gleich aussieht. Drei Kühler-Gestaltungen haben sich die Designer ausgedacht, die Basis muss mit zwei Querstreben vorliebnehmen, während bei Avantgarde viele kleine Sterne rund um das zentrale Logo aufgestickt wurden. Vorne ist das Facelift also unschwer zu erkennen, hinten muss man aufs Detail achten. Unter dem Rückfenster prangt dort neuerdings ein Schriftzug mit dem Markennamen.

Die V-Klasse ist wie gehabt in drei Längen von 4,90 bis 5,37 Meter und mit zwei Radständen, 3,20 und 3,43 Meter, erhältlich. Bis zu acht Personen passen also hinein, ob man eine dritte Sitzreihe einbaut oder den Platz für Koffer und Gepäck nutzt, bleibt jedem selbst überlassen.

Platz und Kofferraum satt

Das Platzangebot ist gerade bei der getesteten Langversion immens, das war schon vor dem Facelift so und hat sich selbstredend nicht geändert. Die V-Klasse zeigt sich hier sehr variabel: Beine ausstrecken, Sitze verschieben, Vis-à-vis-Stellung, damit man seinen Mitfahrern in die Augen schauen kann – all das ist möglich. Allerdings bringen die massigen Sitze auch ein ordentliches Gewicht mit, so dass man sich jegliche Umbauten im Innenraum sehr genau überlegen dürfte.

Dass bei voller Besetzung das Gepäck zu Hause bleiben muss, ist bei der Langversion auszuschließen. Hinter der dritten Sitzreihe passen bis zur Fensterunterkante stolze 755 Liter in den Bus, bis zum Dach sind es 1330. Und werden alle Sitze bis auf die erste Reihe ausgebaut, lassen sich mit gemessenen 4785 Litern Fassungsvermögen sogar kleine Umzüge stemmen.

Aufgrund der Fahrzeuglänge von 5,14 Metern und der stattlichen Breite von 2,26 Metern (inkl. der Außenspiegel) kann sich die Parkplatzsuche schwierig gestalten. Die Handlichkeit wird durch den großen Wendekreis von 12,2 Metern zusätzlich geschmälert.

Insgesamt kann die Nutzbarkeit des Kofferraums als sehr gut bezeichnet werden. Aufgrund der Heckklappengröße ist allerdings viel Platz hinter dem Fahrzeug erforderlich, damit diese aufschwingen kann. Personen bis zu einer Größe von 1,95 Metern können aufrecht unter ihr stehen.

Die Ladeöffnung ist großzügig dimensioniert, sodass sich selbst sperrige Gegenstände problemlos verstauen lassen. Das Ladegut muss beim Verladen nicht weit angehoben werden, da die Ladekante lediglich 55 Zentimeter über der Fahrbahn liegt.

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Motoren: Drei Diesel, ein Benziner

Die neue Mercedes V-Klasse fahrend von hinten fotografiert
Sparfüchse sehen bei der neu aufgelegten V-Klasse nur die Rücklichter© Mercedes

Als Antrieb dienen der V-Klasse neben drei Dieselmotoren auch ein Benzin-Motor. Bei den Selbstzündern setzt Mercedes auf einen Zweiliter-Vierzylinder-Diesel, der in drei Leistungsstufen als 220 d, 250 d und 300 d mit 163, 190 und 237 PS angeboten wird. Allrad ist optional. Hier hat sich mit dem Facelift nichts geändert.

Wer lieber Super tankt, der greift beim Mercedes-Van zum V 300 mit 231 PS. Auch hier arbeitet ein Zweilitermotor unter der kurzen Haube. Der Benziner ist immer an eine Neungang-Automatik gekoppelt.

Mercedes V 300 d im ADAC Test

Frontansicht einer fahrenden Mercedes V-Klasse
Macht sich gut, der neue Stern auf der Haube der V-Klasse© Mercedes

Beim Verbrauch kann der Dieselmotor keine Wunder vollbringen. Im ADAC Ecotest konnten die Testingenieure 8,0 Liter Diesel auf 100 Kilometer messen, was einer Well-to-Wheel-CO₂-Bilanz (also mit den Emissionen bei der Kraftstoffherstellung) von 247 g/km entspricht. Ein mäßiger Wert, der sich aber angesichts des hohen Nutzwerts der V-Klasse wieder ein wenig relativiert.

Positiv: Die Schadstoffbilanz fällt wegen der umfangreichen Abgasreinigung sehr gut aus. Beides zusammengenommen, also CO₂ und Schadstoffe, ergibt drei von fünf Sternen im ADAC Ecotest.

Der Motor des V 300 d kann sich sehr gut in Szene setzen. Die 237 PS bringen den 2,5-Tonner erstaunlich zügig in Schwung. Wer es darauf anlegt, zeigt mit dem V 300 d den meisten Verkehrsteilnehmern die Rücklichter: 7,4 Sekunden für den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h sowie eine Höchstgeschwindigkeit 220 km/h sind durchaus als sportlich zu bezeichnen.

Weil das maximale Drehmoment von 500 Nm bereits bei 1600 Touren anliegt, braucht der Motor keine hohen Drehzahlen, was einer entspannten Fahrweise entgegenkommt.

Der simulierte Überholvorgang (Beschleunigung von 60 auf 100 km/h) wird so in flotten 5,3 Sekunden absolviert – damit braucht sich die V-Klasse wirklich nicht zu verstecken. Angesichts einer Beschleunigung von unter acht Sekunden auf Tempo 100 und einer Spitze von 220 km/h stellt sich allerdings schon die Frage, ob so viel Leistung bei einem Van überhaupt sein muss oder ob es nicht die etwas schwächere (190 PS) und günstigere Variante 250 d auch tut.

Auf allerhöchstem Niveau arbeitet auch die Neungang-Automatik, die ein völlig übergangs- und ruckelfreies Beschleunigen zulässt und das ruhige, aber kraftvolle Fahrgefühl unterfüttert.

Ausweichtest: Ein Bus ist kein Sportwagen

Die neue Mercedes V-Klasse fahrend von vorne fotografiert
Schwungvoll, sicher und diskrete Geräuschentwicklung: Der Fahreindruck der V-Klasse lässt kaum Wünsche offen© Mercedes

Auch wenn der starke Motor zum sportlichen Fahren verleitet: Ein Sportwagen wird aus der kastigen V-Klasse nicht. Das zeigt sich insbesondere beim ADAC Ausweichtest, der ein plötzliches Ausscheren vor einem Hindernis simuliert. Das Heck drängt beim ersten Anlenken nach außen und beim Gegenlenken schiebt die V-Klasse deutlich über die Vorderräder.

Insgesamt ist der Van dadurch sehr behäbig und kurzzeitig kaum lenkbar. Kipp- oder Schleudergefahr besteht zwar nicht. Aber eine allzu flotte Fahrweise führt schnell zur Überforderung des Fahrwerks – in zu flott angefahrenen Kurven neigt der Bus schnell zum Untersteuern.

Der Testwagen war mit der optionalen Luftfederung (Airmatic) samt Niveauregulierung ausgestattet. Für einen Bus bietet die V-Klasse damit einen bemerkenswert guten Federungskomfort, vom Komfortniveau der Mercedes-Modelle mit Luftfederung ist die V-Klasse jedoch ein gutes Stück entfernt. Insbesondere innerorts spricht die Federung erstaunlich herb an, Unebenheiten dringen etwas zu deutlich zu den Insassen durch. Mit höheren Geschwindigkeiten bessert sich das Ansprechverhalten.

Für eine Vollbremsung aus 100 km/h bis zum Stillstand benötigt der V 300 d 38,2 m (Mittel aus zehn Einzelmessungen) – das ist selbst für einen Bus vergleichsweise viel.

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Preis: Das kostet die V-Klasse

Mercedes verlangt für den Topdiesel in der gut ausgestatteten Ausführung Avantgarde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung über 70.000 Euro. Zweifelsohne viel Geld, allerdings wurde die Ausstattung im Zuge der Modellüberarbeitung deutlich aufgewertet. So zählen nun unter anderem eine zweite Schiebetür und eine adaptive Geschwindigkeitsregelung zur Serienausstattung, praktische Funktionen wie eine induktive Ladeschale und ein schlüsselloses Start-Stopp-System sind neu hinzugekommen.

Stattet man den Bus wie im Falle des Testwagens noch luxuriöser aus, durchbricht man rasch die 90.000-Euro-Grenze. Auch die Fixkosten fallen recht hoch aus. Allein die Kfz-Steuer schlägt hier mit 443 Euro pro Jahr zu Buche. Für Camper interessant: Die geliftete V-Klasse wird auch als Campingfahrzeug "Marco Polo" angeboten.

Technische Daten Mercedes V 300 d

Technische Daten (Herstellerangaben)

Mercedes-Benz V 300 d lang Avantgarde 9G-TRONIC (ab 01/24)

Motorart

Diesel

Hubraum (Verbrennungsmotor)

1.950 ccm

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

174

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

237

Drehmoment (Systemleistung)

500 Nm

Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor)

4.200 U/min

Antriebsart

Hinterrad

Beschleunigung 0-100km/h

7,4 s

Höchstgeschwindigkeit

220 km/h

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

193 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

7,3 l/100 km

Kofferraumvolumen normal

1.030 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

4.630 l

Leergewicht (EU)

2.284 kg

Zuladung

816 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg

Anhängelast gebremst 12%

2.000 kg

Garantie (Fahrzeug)

2 Jahre

Länge x Breite x Höhe

5.140 mm x 1.928 mm x 1.901 mm

Grundpreis

70.528 Euro

ADAC Messwerte

ADAC Messwerte (Auszug)Mercedes-Benz V 300 d lang Avantgarde 9G-Trronic

Überholvorgang 60-100 km/h

5,3 s

Bremsweg aus 100 km/h

38,2 m

Wendekreis

12,2 m

Verbrauch / CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest

8,0 l Diesel/100 km, 247 g CO₂/km (well-to-wheel)

Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)

***

Reichweite

875 km

Innengeräusch bei 130 km/h

68,5 dB(A)

Leergewicht / Zuladung

2416 / 684 kg

Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch

1220 / 2620 / 4785 l

ADAC Testergebnis

ADAC Testergebnis

Mercedes-Benz V 300 d lang Avantgarde 9G-TRONIC (ab 01/24)

Karosserie/Kofferraum

2,0

Innenraum

2,0

Komfort

2,2

Motor/Antrieb

1,9

Fahreigenschaften

3,2

Sicherheit

1,5

Umwelt/EcoTest

3,3

Gesamtnote

2,3
Sicherheit und Umwelt werden doppelt gewertet

sehr gut

0,6 - 1,5

gut

1,6 - 2,5

befriedigend

2,6 - 3,5

ausreichend

3,6 - 4,5

mangelhaft

4,6 - 5,5

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