Lamborghini Urus SE: 800 PS für den Stier als Plug-in-Hybrid
Der Lamborghini Urus mischt den SUV-Markt auf – mit 666 PS, 850 Newtonmetern und 305 km/h Spitze. Dafür muss man mindestens 260.000 Euro übrig haben. Künftig wird das SUV nur noch elektrifiziert angeboten und gewinnt nochmals an Leistung hinzu.
Luxus-SUV mit Sportwagenqualitäten
Technisch ist der Urus mit dem Audi Q8 verwandt
Ende 2024 kommt der Plug-in-Hybrid Urus SE
2023 war mit mehr als 10.000 verkauften Autos das bisher erfolgreichste Jahr für Lamborghini. Auch die Absatzzahlen des Urus können sich gut fünf Jahre nach dessen Einführung sehen lassen. Das Power-SUV war letztes Jahr mit über 50 Prozent der ausgelieferten Fahrzeuge das erfolgreichste Modell der Marke. Die immer noch relativ neue Aufgabe, ein SUV an den Mann zu bringen, meistert der Sportwagenhersteller recht souverän.
Ab Ende 2024 hat der höhergelegte Sportler sogar einen Plug-in-Hybrid unter der Haube. Der hört auf den Beinamen SE und wird den Urus S und den etwas tiefergelegten Urus Performante beerben. Auch Lamborghini muss sich an strengeren Regularien in Sachen Flottenverbrauch orientieren. Allerdings lag der Schwerpunkt bei der Entwicklung eher auf den Fahrleistungen als auf dem Verbrauch.
"Der Urus hat den Anspruch eines Top-SUV, mit Top-Fahrleistungen wie ein Supersportwagen. Wir haben die Nische in der Nische gesehen – das Super-SUV. Über 200.000 Euro teuer, plus Extras selbstverständlich", erklärte der damalige CEO Stefano Domenicali 2018 zum Urus-Start. Inzwischen sind mindestens 260.000 Euro fällig. Doch am Anspruch hat sich auch durch den SE nichts geändert. Der flitzt nämlich in 3,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und ist maximal 312 km/h schnell. Dafür sorgen eine Systemleistung von 588 kW/800 PS und ein maximales Drehmoment von 950 Nm.
Klares Ziel von Lamborghini-Entwicklungsleiter Rouven Mohr und dessen Team waren noch bessere Fahrleistungen. "Das Auto ist in allen Parametern schneller und performanter als der Vorgänger", so Mohr. Und das, obwohl durch Batterie und E-Maschine rund 180 Kilo Mehrgewicht zu verzeichnen sind, also knapp 2,5 Tonnen ums Eck gescheucht werden müssen. Dank des neuen Allradkonzepts mit flexibler Momentenverteilung soll dieser Vorgang sogar noch spaßfördernder und flotter sein als bisher schon.
Auch optisch hat sich durch den Schritt zum Teilzeitstromer – der SE kommt mit der Energie aus seinem 25,9-kWh-Akku rein elektrisch rund 60 Kilometer weit – einiges geändert. Der SE rollt mit Modifikationen an der Motorhaube, einer neuen Lichtsignatur der Matrix-LED-Scheinwerfer und einer neu gestalteten Kofferraumklappe an. Ein neuer Heckspoiler samt Diffusor soll den Anpressdruck bei hohen Geschwindigkeiten noch einmal um 35 Prozent im Vergleich zum Urus S erhöhen. Im Interieur ist unter anderem ein größeres Display mit jetzt 12,3 Zoll zu sehen.
Urus SE: Mehr Leistung dank Strom
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Äußerlich haben der Urus S und der SE zum Glück mit ihrem Namensgeber Auerochse (Lamborghini würde lieber sagen: Urstier) wenig gemeinsam. Das 5,11 Meter lange SUV wirkt mit seinem gegliederten Design wesentlich graziler als es die ersten Fotos vermittelten oder als zum Beispiel ein vergleichbarer X6. Mit ihm lässt sich auch der Innenraum nicht vergleichen: Versucht BMW im Prinzip, Plastik einfach noch ein bisschen schöner zu machen, schöpft der Urus mit Rindsleder, Alcantara und gesteppten Nähten aus dem Vollen.
Zwischen den Vordersitzen dominiert eine massive Mittelkonsole, die mit zwei lederbesetzten Streben optisch das flache Armaturenbrett hält. Erkannt? Nein, das ist wirklich Insiderwissen: Diese Architektur stammt aus dem LM002, einem martialischen Geländewagen, den Lamborghini schon 1986 für das US-Militär entwickelt hat. Mit dem Zwölfzylinder aus dem Sportwagen Countach spurtete der 3,5 Tonnen schwere Pick-up damals in nur zehn Sekunden auf 100! Die Amerikaner nahmen ihn trotzdem nicht, aber immerhin 300 gut betuchte Zivilisten – meist Wüstenscheichs zum Driften im Sand.
Im Innenraum blitzt Audi durch
Eher konventionell interpretiert der Urus das Thema Bedienung: In der Mittelkonsole ein etwas überladenes Touchpad für die Klimafunktionen, ein eher kleiner zentraler Touchscreen fürs Navi sowie Entertainment und digitale Instrumente, die aber nur rudimentär konfigurierbar sind. Nicht nur in den Schriftelementen oder bei so manchem Hebel und Knopf blitzen die Audi-Gene auf, auch auf kompletten Elementen wie dem Kofferraum-Unterbau kleben noch die Ingolstädter Kontrollsticker. Aber rein technisch gesehen gibt es natürlich Schlimmeres.
Viel Platz: Das Lamborghini-SUV für Familien
Dank dem drei Meter langen Radstand haben vier oder fünf Passagiere (es gibt zwei Konfigurationen) komfortabel Platz: Vorn sitzen Personen bis 2,05 Meter Größe auf den prima konturierten Sitzen bequem und fühlen sich durch die flankierende Mittelkonsole gut im Auto integriert. Und hinten stoßen auch 1,90 Meter große Fondinsassen nicht mit dem Kopf an.
Doch spätestens das Gepäck muss dem schnittigen Design Tribut zollen. Offiziell hat der Urus-Kofferraum zwar üppige 616 Liter Packvolumen, bei umgeklappten Rücksitzlehnen sogar 1600. Wegen der hohen Ladekante und der abfallenden Dachlinie lässt er sich aber nur schlecht beladen. Das Los der Crossover-Modelle: In Form und Funktion müssen sie einfach Kompromisse schließen.
Das SUV lässt sich spielerisch fahren
Den größtmöglichen fahrdynamischen Crossover-Spagat, den man sich vorstellen kann, versucht Lamborghini mit dem Urus: anfangs 650 und mittlerweile 666 PS und 850 Newtonmeter Drehmoment für den Fahrer beherrschbar auf die asphaltierte Straße zu bringen und das Auto dabei gleichzeitig für Offroad-Erfordernisse mit Schlamm, Sand, Geröll, Steigungen und Wasserdurchfahrten zu ertüchtigen.
Lamborghini-Cheftechniker Maurizio Reggiani: "Zu den großen Herausforderungen gehörte, das größere Gewicht und den höheren Schwerpunkt eines SUV zu minimieren. Der Urus wiegt trotz Leichtbau rund 2,2 Tonnen. Also haben wir geschaut, wie wir die Agilität verbessern können."
Dazu gehören die Hinterachslenkung, die adaptive Luftfederung und das System der Wankstabilisierung. Und tatsächlich: Dieser Spagat ist den Italienern aus St. Agatha Bolognese perfekt gelungen.
Auf den renovierungsbedürftigen Straßen rund um Rom brilliert vom ersten Kilometer an die im Ur-Urus mit 650 PS perfekt abgestimmte adaptive Luftfederung, die die zahlreichen Schlaglöcher stoisch wegbügelt. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil auf dem Test-Urus mächtige 23-Zoll-Reifen montiert waren, die solche Straßen normalerweise mit ihrem mangelnden Federungskomfort zur Tortur machen.
Mit der leichtgängigen und trotzdem zielgenauen Lenkungsabstimmung sowie der punktgenau schaltenden Wandlerautomatik lässt sich der schwere Urus fast spielerisch bewegen.
Zeigt auf der Rennstrecke sein Potenzial
Bevor es auf die Rennstrecke in Vallelunga geht, die schlechte Nachricht für alle Lamborghini-Fans, die auf den guten alten Saugmotor mit seinem linearen Drehmoment setzen: Der Urus wird von einem 4-Liter-V8-Biturbo befeuert, der im Konzern schon bei Bentley und Porsche Dienste leistet. Doch dann kommt schon die gute Nachricht: Lamborghini wäre nicht Lamborghini, hätten sie das Triebwerk nicht für ihre Zwecke stark optimiert. Mit anfangs 650 PS, 850 Newtonmetern und einer Beschleunigung von ursprünglich 3,6 Sekunden auf 100 stößt es in neue Leistungssphären vor.
2,2 Tonnen Leergewicht? Ist auf der Rennstrecke kein Thema. Im "Corsa"-Modus, der alle Systeme vom Ansprechverhalten von Lenkung, Bremse und Fahrwerk über die Schlupfregelung bis zum Stabilitätsprogramm schärft, legt der Urus eine Renndynamik an den Tag, mit der er so manchen Supersportwagen abhängt.
Lamborghini hat ihm dazu alles gegeben, was pistentauglich ist: permanenten Allradantrieb mit Allradlenkung, adaptive Luftfederung mit 48-Volt-Wankstabilisierung und vor allem mächtige Carbon-Keramik-Bremsen, die ihn in jeder Kurve gefühlt eine Tonne leichter machen.
Mit dem Fahrdynamikschalter "Tambour" kann der Wagen in sechs Stufen oder frei konfigurierbar auf den persönlichen Geschmack des Fahrers oder auf die aktuellen Erfordernisse abgestimmt werden. Damit lassen sich die Motorkennung, die Schaltung des Getriebes, die Kraftverteilung an den Rädern, das Ansprechen der Lenkung sowie die Feder-Dämpfer-Arbeit des Fahrwerks ändern.
Wer will, kann sogar eine auftretende Untersteuerneigung reduzieren oder ein kontrolliertes Übersteuern zulassen. Und natürlich verändert sich je nach Einstellung der Sound: bei "Sport" oder "Corsa" lambomäßig kernig, bei "Strada" aber für längere Strecken angenehm zurückhaltend.
Taugt der Lamborghini Urus fürs Gelände?
Aber taugt so ein Rennsportler auch fürs Gelände? Jein. Ja, weil sein Allradantrieb mit dem zentralen Sperrdifferenzial und dem Torque-Vectoring in den Fahrmodi "Terra" (Offroad), "Sabbia" (Sand) oder "Neve" (Schnee) für erstaunlich präzise Traktion und Fahrbarkeit sorgt. Und nein, weil dem Urus natürlich die Geländewagen-spezifischen Hilfsmittel wie ausgeklügelte Achsverschränkungen oder steile Rampenwinkel fürs schwere Geläuf fehlen.
Trotzdem: Wie der Urus sich bei unseren Offroad-Testfahrten mit hohem Tempo durch den Parcours treiben ließ, war schon erstaunlich.
Auf der Straße leichtfüßig, auf der Rennstrecke souverän und fürs Gelände nicht zu schade: Ich kenne keinen SUV, der fahrdynamisch besser ist als der Urus. Deshalb würde ich mir dieses Auto auch als Familienwagen für jeden Tag und jeden Einsatz zulegen. Zwischen mir und dem italienischen Luxus-SUV liegt allerdings die kleine Differenz von mittlerweile 260.000 Euro. Und beim künftigen SE, so ist bei Lamborghini zu hören, sollen es sogar noch mal zehn Prozent mehr sein.
Lamborghini Urus: Technische Daten
Technische Daten (Herstellerangaben) | Lamborghini Urus S (ab 01/23) | Lamborghini Urus Performante (ab 08/22) | Lamborghini Urus SE (ab 12/24) |
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Motorart | Otto | Otto | PlugIn-Hybrid |
Hubraum (Verbrennungsmotor) | 3.996 ccm | 3.996 ccm | 3.996 ccm |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 490 | 490 | 588 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 666 | 666 | 800 |
Drehmoment (Systemleistung) | 850 Nm | 850 Nm | 950 Nm |
Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor) | 6.000 U/min | 6.000 U/min | 6.000 U/min |
Antriebsart | Allrad | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 3,5 s | 3,3 s | 3,4 s |
Höchstgeschwindigkeit | 305 km/h | 306 km/h | 312 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | - | - | 60 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 320 g/km | 320 g/km | 51 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 14,1 l/100 km | 14,1 l/100 km | 2,1 l/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | - | - | 25,9 |
Kofferraumvolumen normal | 616 l | 616 l | 454 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.596 l | 1.596 l | n.b. |
Leergewicht (EU) | 2.197 kg | 2.150 kg | 2.405 kg |
Zuladung | 303 kg | 350 kg | 100 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 3 Jahre | 3 Jahre | 3 Jahre |
Länge x Breite x Höhe | 5.112 mm x 2.018 mm x 1.638 mm | 5.137 mm x 2.026 mm x 1.618 mm | 5.123 mm x 2.022 mm x 1.638 mm |
Grundpreis | 232.690 Euro | 265.200 Euro | 300.000 Euro |
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