112 rufen oder nicht: Was ist ein Notfall?

Sanitäter schieben eine Patientin in die Notaufnahme eines Krankenhauses
Ambulanz für schwere Fälle: Die Notaufnahme ist keine Alternative zur Hausarztpraxis© imago images/Funke Foto Services

Bei welchen Symptomen Sie den Rettungsdienst rufen sollten, wann Haus- oder Fachärzte die richtigen Ansprechpartner sind und an wen Sie sich nachts und am Wochenende wenden können.

  • Bei akuten lebensbedrohlichen Beschwerden zählt jede Sekunde

  • Notruf und Notaufnahmen benötigen Kapazitäten für schwere Fälle

  • Der ärztliche Bereitschaftsdienst hilft außerhalb der Praxiszeiten

Plötzlich schmerzt die linke Brust, fiebert das Baby, klagt der betagte Schwiegervater über Schwindel – es gibt viele Situationen, in denen Menschen verunsichert sind, ob sie direkt den Notruf alarmieren oder auf einen Arzttermin warten sollten. Schließlich kann der Zugang zu schneller Hilfe im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden.

"Damit Schwerkranke und Verletzte best- und schnellstmöglich versorgt werden, müssen die Kapazitäten in den Notaufnahmen gezielt eingesetzt werden", sagt Jens Schwietring, Leiter Medizin der ADAC Luftrettung. Die Ambulanzen vieler Kliniken sind allerdings oft überlastet. "Insbesondere am Wochenende und nachts finden sich dort viele Patientinnen und Patienten ein, deren Anliegen keiner Notfallbehandlung bedürfen", so der Mediziner. Sie benötigen ärztlichen Rat, weil sie Symptome nicht einschätzen können oder andere Versorgungsangebote, z.B. über den ärztlichen Bereitschaftsdienst (Telefon 116 117), nicht kennen.

Was ist ein Notfall?

"Im medizinischen Sinn spricht man bei einer lebensbedrohlichen Störung oder Beschwerden, die schwere und nachhaltige Beeinträchtigungen nach sich ziehen können, von einem Notfall", erklärt Schwietring. "Für medizinische Laien ist diese Beschreibung natürlich abstrakt. Viele sind verunsichert, wann ein Notfall wirklich einer ist."

Bei schweren Verletzungen mit starken Blutungen ist für die meisten klar, dass sie die Rettungskräfte rufen. Anders bei diffusen Krankheitszeichen. "Wenn Sie plötzlich einen starken Druck im Brustkorb verspüren, den sie vorher noch nie gehabt haben, sollten Sie die 112 wählen", so Schwietring. Gleiches gilt, wenn jemand plötzlich merkwürdig spricht oder Lähmungserscheinungen zeigt.

Setzen Sie schnellstmöglich einen Notruf ab und leisten Sie Erste Hilfe,

Kontrollieren Sie Atmung und Bewusstsein, rufen Sie die 112 und machen Sie eine Herzdruckmassage, wenn die Person nicht erweckbar ist oder nicht normal oder gar nicht atmet. "Merken Sie sich: prüfen, rufen, drücken", erklärt Jens Schwietring. "Schauen Sie nicht weg, werden Sie aktiv und bitten Sie Umstehende um Unterstützung." Das Wissen um die richtigen Handgriffe gibt ein sicheres Gefühl für den Ernstfall. Deshalb ist es sinnvoll, Erste-Hilfe-Kenntnisse regelmäßig aufzufrischen.

Anruf bei der 112

Der Rettungsdienst öffnet die Tür des Rettungswagens
Wichtige Kapazitäten: Der Rettungsdienst kommt bei lebensbedrohlichen Erkrankungen und Unfällen© Shutterstock/LE photography Hamburg

Die 112 ist europaweit die Telefonnummer von Rettungsdienst und Feuerwehr. Die Polizei erreichen Sie unter 110. Sie müssen keine Vorwahl wählen, der Anruf ist aus allen Netzen kostenfrei. Die Nummer verbindet Sie mit den lokalen Notrufzentralen (Integrierte Leitstellen). Damit die Verantwortlichen in der Leitstelle entsprechend Rettungskräfte schicken können, klären sie am Telefon wichtige Fragen: Wo ist der Notfall? Wer ruft an? Was ist passiert? Wie viele Personen sind betroffen? Wichtig: Warten Sie auf Rückfragen. Die Disponenten entscheiden auf Basis dieser Informationen, ob Sie zusammen mit dem Rettungsteam einen Notarzt schicken. Außerdem können sie Ersthelfer bei der Reanimation telefonisch anleiten.

Lebensrettende Daten: Der ADAC Notfallpass

Ein Notfallpass kann den Rettungskräften im Ernstfall entscheidende Informationen liefern. Im ADAC Notfallpass liegen alle Daten sicher verschlüsselt in der Wallet-App auf dem Smartphone oder der Smartwatch. Er kann in die Rettungskette integriert und von den Rettungskräften ausgelesen werden.

Rettungskräfte für Notfälle freihalten

"Damit alle Patientinnen und Patienten versorgt werden, müssen die Rettungskräfte dorthin, wo sie dringend gebraucht werden", betont Schwietring. "112 sollten Sie nur im Notfall wählen." Die Notaufnahmen kümmern sich um die Behandlung von schweren Krankheitsfällen. Schon länger anhaltende Rückenschmerzen seien in der Regel kein Einsatz für einen Rettungswagen am Samstagabend, so der Mediziner. Und mit einem grippalen Infekt, Fieber und Husten solle man zum Hausarzt.

Laut einer aktuellen Umfrage des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Versichertenbefragung 2024) werden auf deutschen Notaufnahmen lediglich 40 Prozent der Menschen stationär aufgenommen. 60 Prozent können ambulant behandelt werden. 38 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Notaufnahme aufsuchten, da ihre Arztpraxis bereits geschlossen war.

Krank außerhalb der Praxiszeiten

In diesen Fällen übernimmt der Ärztliche Bereitschaftsdienst, der stellvertretend für die Haus- und Facharztpraxen nachts sowie an Wochenenden oder Feiertagen die Versorgung nicht lebensbedrohlicher Symptome koordiniert. Rund um die Uhr erfahren Sie unter der Telefonnummer 116 117 oder auf https://bereitschaftspraxen.116117.de die Adresse einer nahegelegenen Bereitschaftspraxis. Je nach Region sind unterschiedliche medizinische Fachrichtungen vertreten.

In manchen Fällen besuchen Bereitschaftsärzte die Erkrankten sogar zu Hause. Die Krankenkassen regeln die Kostenübernahme für die Behandlung durch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst. Für die Terminvereinbarung benötigen Sie Ihre Gesundheitskarte der Krankenversicherung.

Wer unsicher ist, welche medizinische Einrichtung für akute Krankheitszeichen die richtige ist, kann sich durch den Patientennavigator der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB) klicken. Ärztlichen Rat können Patientinnen und Patienten auch in Tele- oder Videosprechstunden einholen. Passende Angebote vermitteln unter anderem die regionalen kassenärztlichen Vereinigungen.

Telemedizinische Beratung über die ADAC Medical App

Sie sind erkrankt oder verletzt und benötigen schnellen ärztlichen Rat? Über die Medical App können ADAC Mitglieder eine telemedizinische Beratung einholen – und das weltweit. Den Termin für eine Online-Sprechstunde erhalten Sie in der Regel innerhalb von drei Stunden.