Yamaha Tricity 300: Dreirad-Roller im Fahrbericht
Der Yamaha Tricity 300 ist ein Dreirad-Roller, der auch von einem Teil der Autoführerschein-Inhabern gefahren werden kann. Die Testfahrt klärt, wie gut Motor, Kurvenverhalten und Komfort sind. Plus: Technische Daten, Bilder, Preis.
Großzügiges Platzangebot, einfach in der Handhabung
Aggressives Design, hochwertige Verarbeitung
Fahrbar mit Führerschein Kl. 3 und B
Der Tricity 300 ist Yamahas drittes Dreirad. Die Japaner kreuzten dafür ihr Dreirad-Konzept des 125er-Tricity-Rollers (aktuell nicht in Deutschland erhältlich) mit dem aufsehenerregenden Dreirad-Motorrad Niken. Herausgekommen ist ein mächtiges Fahrzeug mit einer voluminösen Frontverkleidung, die mit luftigen Radausschnitten, kleinen LED-Tagfahrlichtern und mittigem LED-Scheinwerfer sehr aggressiv auftritt.
Es reicht der Autoführerschein
Anders als beim Tricity 125 hat Yamaha beim 300er Wert darauf gelegt, diesen auch für Autoführerschein-Besitzer fahrbar zu machen. Wer den Pkw-Führerschein der Klasse B oder Klasse 3 vor dem 19. Januar 2013 erworben hat, darf nämlich alle dreirädrigen Kraftfahrzeuge fahren, auch mit Anhänger. Beim Umtausch in die Scheckkarte wird dies durch die Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 zu A1 und A ausgedrückt. Es handelt sich um Schlüsselzahlen der Europäischen Union, das heißt die Fahrberechtigung gilt in allen EU-Ländern.
Die ab dem 19. Januar 2013 erworbene Klasse B umfasst ebenfalls das Führen von dreirädrigen Kraftfahrzeugen, jedoch nur in Deutschland (Schlüsselziffer 194). Sofern das Kraftfahrzeug eine Motorleistung von mehr als 15 kW aufweist, ist zu beachten, dass die Fahrberechtigung für Dreiräder nur gilt, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis mindestens 21 Jahre alt ist.
Die dafür geforderte Spurweite von 46 Zentimetern übertrifft der Tricity um einen Zentimeter, auch das vorgeschriebene Fußpedal, das alle Bremsen gleichzeitig betätigt, ist an Bord.
Ergonomisch nicht ideal
Der Tricity ist großräumig: Die geräumige Sitzbank erfüllt alle Komfortansprüche und bietet vorn wie hinten jede Menge Platz. Der Lenker liegt vielleicht eine Spur zu tief für das mit 79,5 Zentimetern Höhe recht niedrige Polster, das Trittbrett dagegen für Langbeinige etwas zu hoch, auch wenn der Kniewinkel grundsätzlich in Ordnung geht. Gestartet wird mittels schlüssellosem Transponder-System: Mit dem Sender in der Tasche lassen sich über einen Drehknauf das Lenkschloss, die Zündung und über darunterliegende Tasten die Sitzbank und der Tankverschluss öffnen.
Im Test: 28-PS-Motor
Für den Vortrieb ist der 300er-BlueCore-Motor zuständig, der auch den Yamaha XMAX 300 antreibt. Der flüssigkeitsgekühlte Einzylinder mit 292 Kubikzentimetern Hubraum zählt zu den modernsten Aggregaten des Segments mit einteiliger geschmiedeter Kurbelwelle und Semi-Trockensumpfschmierung. So stehen dem Tricity-Treiber ebenfalls 28 PS und ein Drehmoment von 29 Newtonmetern zur Verfügung, die mit dem Gewicht von 239 Kilogramm akzeptabel zurechtkommen. Ein Sprintkönig ist der Tricity aber nicht, er erfreut eher mit seiner gleichmäßigen Leistung, die ihn maximal bis auf 126 km/h beschleunigt.
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Das hohe Gewicht kommt durch die Yamaha-eigene Neigetechnik Leaning Multi Wheel (LMW) an der Front zustande. Hier führen Tandem-Telegabeln die beiden Räder unabhängig voneinander. Während die hinteren Gabelholme die Führungsarbeit übernehmen, besorgen die vorderen die Dämpfung. Die Gabeln sind wie üblich über ein quer zur Fahrtrichtung angeordnetes Parallelogramm-Gestänge miteinander verbunden. Das zeigt Wirkung: Weil diese Strebe kürzer als der Abstand zwischen den Schwenkachsen der beiden Doppelgabeln ist, entstehen beim Lenken ungleich lange Hebelarme.
In der Folge wird das kurveninnere Rad stärker geneigt und legt einen kleineren Radius als das äußere zurück – das macht die Kurvenfahrt deutlich zielgenauer und homogener als bei anderen Dreirädern.
Relativ einfach im Handling
Schon unmittelbar nach dem Losfahren stellt sich ein vertrauenerweckendes Fahrgefühl ein. Trotz der Fahrzeugmasse macht der Tricity keinen unbeweglichen Eindruck. Angenehm präzise folgt er der vorgegebenen Linie und lässt sich auch von Bodenunebenheiten nicht von dieser abbringen – die Telegabeln dämpfen und federn so manche Unannehmlichkeit weg. Die mit 14 Zoll vergleichsweise großen Räder sorgen für viel Fahrstabilität und guten Abrollkomfort, die Fahrwerksabstimmung bietet insgesamt ein hohes Komfortniveau.
Erstmals bei Yamaha lassen sich die beiden Vorderräder arretieren. Das "Standing Assist-System", über eine Taste an der Vorderseite der linken Lenkerarmatur aktiviert, blockiert das Parallelogramm-Gestänge und hält den Roller beim Anhalten aufrecht – sofern die Geschwindigkeit unter zehn km/h gesunken ist. Allerdings bleibt die Feder- und Dämpfungsfunktion der beiden Doppelgabeln erhalten, dadurch kann die Front flexibel auf Bodenunebenheiten reagieren.
Das erhöht den Komfort, die Sicherheit und macht das Rangieren leichter. Befinden sich die Räder nicht in perfekter Nulllage, vermittelt das System allerdings ein nicht sonderlich stabiles Gefühl. Zum Wiederanfahren sollte man nicht zu zögerlich Gas geben, damit sich ausreichend stabilisierende Kreiselkräfte für eine sichere Geradeausfahrt ergeben.
Hoher Preis: Viel Platz für viel Geld
Apropos Sicherheit: Das Fußbremspedal als notwendiges Übel für die Pkw-Führerscheineignung ist so geschickt integriert, dass es fast nicht stört, sich aber auch kaum betätigen lässt. Die beiden Bremshebel am Lenker lassen sich wesentlich virtuoser bedienen, auch wenn sie für eine gute Wirkung kräftig gezogen werden wollen.
Zu so viel technischer Raffinesse gesellen sich gute Tourentugenden in Gestalt eines riesigen Staufachs unterm Sitz sowie bestem Wind- und Wetterschutz hinter der etwas zu hohen Scheibe. Alles kommt in hochwertiger Verarbeitung, und doch ist der Preis von fast 9400 Euro für Yamahas Tricity im Autofahrerland alles andere als günstig.
Yamaha Tricity 300: Technische Daten, Preis
Herstellerangaben | |
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Motor/Getriebe | Flüssigkeitsgekühlter Viertakt-Einzylinder, 292 cm³ Hubraum, 20,6 kW/28 PS bei 7250 U/min 29 Nm bei 5750 U/min; vier Ventile/Zylinder, ohc, Einspritzung, CVT-Automatik, Fliehkraftkupplung, Riemen-Sekundärantrieb |
Fahrleistungen und Verbrauch | Höchstgeschwindigkeit 126 km/h, 3,7 l/100 km |
Fahrwerk | Stahlrohrrahmen; zwei 330-mm-Doppel-Telegabeln vorn (nicht einstellbar), 100 mm Federweg; Triebsatzschwinge hinten, zwei Federbeine (Vorspannung einstellbar), 84 mm Federweg; Leichtmetall-Gussräder; Reifen 2x120/70-14 (vorn) und 140/70-14 (hinten). 267-mm-Zweischeibenbremse vorn, 267-mm-Einscheibenbremse hinten |
Assistenzsysteme | ABS, Traktionskontrolle abschaltbar |
Maße und Gewichte | Radstand 1590 mm, Sitzhöhe 795 mm, Gewicht fahrfertig 239 kg, Zuladung 172 kg; Tankinhalt 13 l |
Preis | 9399 Euro |
Text: Thilo Kozik/SP-X