Royal Enfield Scram 411: Solides Naked Bike

Royal Enfield Himalayan Scram 411 Fahraufnahme von der Seite
Die Royal Enfield Scram 411 ist ab rund 5300 Euro zu haben© SPS/fbn

Die Royal Enfield Scram 411 soll ein ganz normales Motorrad mit viel Charakter für alles und jeden sein. Ob das stimmt, klärt der Fahrbericht. Plus: Bilder, Daten, Preis.

  • Easy im Handling, günstiger Preis

  • Zufriedenstellender Motor

  • Ca. 300 Kilometer Reichweite

Im Mittelpunkt eines Textes über ein Motorradmodell steht zumeist dessen Technik. Die ist im Fall der Royal Enfield Scram 411 zwar nicht besonders aufsehenerregend, denn wichtiger erscheinen ihre Konzeption und ihr Preis. Primär stellt sich also die Frage, ob dieses nur 18 kW/24 PS leistende und gerade mal 5300 Euro kostende Universal-Kleinmotorrad eine adäquate Menge an Fahrspaß liefern kann. Oder handelt es sich bei dem Indien-Import um eine so müde Gurke, dass selbst fünf Riesen einer zu viel sind?

Im Test: 24-PS-Motor

Royal Enfield Himalayan Scram 411 stehen von der Seite fotografiert
Gut 300 Kilometer beträgt die Reichweite der Scram, maximal benötigt sie vier Liter Sprit© SPS/fbn

Man sitzt aufrecht auf der sehr erwachsen wirkenden Sitzbank, findet sich auf Anhieb am und hinterm Lenker zurecht – und fühlt sich wohl. Alles passt auf diesem von der Reiseenduro Himalayan abgeleiteten, scramblerartigen Naked Bike, auch wenn sich die Handhebel nicht einstellen lassen, die Spiegelausleger etwas kurz geraten sind und mehr Kupplungshandkraft nötig ist als angesichts der schmalbrüstigen Motorisierung zu erwarten wäre.

Weil der luftgekühlte Zweiventil-Einzylindermotor mit seiner einzelnen oben liegenden Nockenwelle deutlich langhubig ausgelegt ist, liegt seine Stärke nicht in überbordender Drehfreude, sondern im bulligen Durchzug bei mittleren Drehzahlen. Das verrät bereits der Blick aufs Datenblatt, wo das maximale Drehmoment mit 32 Nm bei 4200 U/min angegeben ist.

Mit welchen Drehzahlen der Fahrer unterwegs ist, bleibt ihm verborgen: Es gibt keinen Drehzahlmesser. Als inzwischen tiefenentspannter Scram-Fan sagt der Autor nur "Wozu auch?", schaltet nach Gehör und Gefühl und gibt das Dauergrinsen unterm Helm frei. Unter ihm poltert es gelegentlich, denn der Einzylinder ist von kernigem Charakter. Zieht man bei niedriger Drehzahl das Gas auf, rumpelt es vernehmlich, aber nicht störend.

Im Lauf der fast 1000 Testkilometer ist uns der höheren Drehzahlen abgeneigte Zweiventiler richtig ans Herz gewachsen: ein grundsympathisches Raubein. Das Getriebe ist allerdings ebenfalls von einer gewissen Sperrigkeit; die Gangwechsel erfolgen etwas hakelig.

Ordentliches Fahrwerk, wenig Verbrauch

Fahraufnahme der Royal Enfield Himalayan Scram 411
Das Fahrwerk der Scram meistert auch auf Schotter seinen Weg© SPS/fbn

Auch das Fahrwerk ist von einfacher Machart; gegenüber der Himalayan finden sich bei der Scram leicht reduzierte Federwege und statt eines 21-Zoll-Vorderrads ein 19-Zoll-Rad. Dennoch bekommt das Fahrwerk gute Noten, denn es funktioniert auf kurvigen Landstraßen wie auch auf groben Schotterwegen und Natursträßchen gleichermaßen gut.

Dabei helfen die immer noch langen Federwege wie auch die recht grob profilierten Pneus des chinesischen Herstellers Ceat. Auf Asphalt trauten wir ihnen allerdings nie so recht und wollten die mögliche Schräglage nicht bis zum Letzten ausreizen; sie vermitteln ein leicht hölzernes Gefühl.

Ebenfalls einfach gestrickt ist die Bremsanlage; an ihrer Funktion wollen wir dennoch nicht herummeckern, auch wenn sie keinen rechten Biss zeigt. Ihre Wirkung ist vollkommen ausreichend. Das ABS sorgt für einwandfreie Stabilität beim brutalen Griff in die Eisen. Auch auf langen Überlandstrecken von Niederbayern bis ins bayerische Voralpenland zeigte die Scram ihre Reise- und Schlechtwege-Talente.

Dabei fiel die Möglichkeit der Etappenlänge auf: Gut 300 Kilometer beträgt die Reichweite selbst dann, wenn man den Motor gnadenlos malträtiert; maximal benötigten wir vier Liter, bei zurückhaltenderer Fahrweise sank der Verbrauch bis auf den Normwert von 3,2 Litern pro 100 Kilometer. Die Tankwarnleuchte und der Reserve-Wegstreckenzähler springen extrem früh an.

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Display inklusive Navigation

Detailaufnahme vom Tacho der Royal Enfield Himalayan Scram 411
Die Anzeigen sind immer gut ablesbar© SPS/fbn

Der Blick ins halbdigitale Cockpit ist grundsätzlich erfreulich: Die Anzeigen sind gut ablesbar, es gibt eine Ganganzeige, die schon erwähnte Tankuhr, zwei Tageskilometerzähler sowie Warnblinker. Zudem existiert ein kleines Digital-Rundinstrument, in dem eine Pfeilnavigation den rechten Weg weist, sofern man die entsprechende kostenlose App aufs Smartphone heruntergeladen und für das nötige Pairing gesorgt hat.

Die Ergonomie der Scram ist gut, der Sitz ordentlich gepolstert, und Sozius oder Sozia findet stabile, gut greifbare Stahlhandgriffe. An denen lässt sich bei Solofahrt bestens ein Gepäckstück fixieren. Was will man mehr?

Scram 411: Technische Daten, Preis

HerstellerangabenRoyal Enfield Scram 411
Motor1 Zylinder, 1-Zylinder, 411 ccm Hubraum, 18,0 kW bei 6500/min, max.Drehmoment 32,0 bei 4250 U/min, 2 Ventile/Zylinder, Einspritzanlage, Luftkühlung
Assistenzsystemek.A.
FahrwerkDoppelschleifenrohrrahmen; 41 mm Teleskopgabel, 190 mm Federweg; Zweiarmschwinge hinten, 180 mm Federweg;
MaßeLeergewicht ca. 185 kg, zul. Gesamtgewicht 375 kg; Länge/Breite/Höhe 2210 / 840 / 1165 mm, Sitzhöhe 795 mm; Tankinhalt 15,0 l
Bremseneinzeln betätigt, vorne Scheibe, 300 mm, hinten Scheibe, 240 mm
Fahrleistungen / VerbrauchHöchstgeschwindigkeit k.A. km/h, 3,2 l/100 km
Preis4990 Euro

Bei Tempo 120 ist Schluss

Im Datenblatt steht zwar eine Höchstgeschwindigkeit von 127 km/h, doch dieses Tempo erreichten wir – sitzend – mit unserem Testfahrzeug nicht. Bei maximal 120 war Schluss, wobei der Tempozuwachs oberhalb von 110 km/h nur sehr zögerlich verläuft. Das erleichtert das Überholen von Lkw auf großen Überland-Bundesstraßen nicht wirklich.

Zudem scheint der fünfte Gang ein reiner Overdrive zu sein; die 120 erreichten wir nämlich sowohl im vierten wie im fünften Gang. Dennoch war es möglich, über Land mehr als respektable Durchschnitte von 75 bis 80 km/h zu erreichen. Freilich muss man dazu die alte 125er-Grundregel parat haben: immer laufen lassen.

Fazit

Nach den Testfahrten haben wir die Royal Enfield Scram 411 nur sehr ungern wieder aus der Hand gegeben: Sie hat sich nicht nur einen Platz in unserem Herzen eingefahren, sondern eigentlich auch einen Platz in unserer Garage verdient.

Motorrad und Roller: Neuheiten, Tests, Fahrberichte

Text: Ulf Böhringer/SP-X