KTM 1290 Super Adventure S: Komfortabler Koloss

Fahraufnahme einer KTM 1290 Super Adventure S
Die KTM 1290 Super Adventure S ist technisch absolut top© KTM

Die KTM 1290 Super Adventure S ist – dank Elektronik auf Spitzenniveau – wendig, äußerst agil und sehr sportlich. Aber die High-Performance-Reiseenduro zeigt auch Schwächen. Fahrbericht, Bilder, Daten, Preis.

  • Gut im Handling

  • Sparsam und sehr große Reichweite

  • Mehr Hightech geht kaum

Blickte man auf die deutsche Zulassungsstatistik im Segment der Edel-Reiseenduros, zeigte sich auch 2022 das gewohnte Bild: Die BMW R 1250 GS führte mit deutlichem Vorsprung (8528 Stück), gefolgt von der KTM 1290 Super Adventure (781 Stück). Auf der Straße ist der Abstand zwischen der GS und der Verfolgerin aus Österreich freilich wesentlich geringer, als es die Zahlen suggerieren. Nie in den fast 20 Jahren, in denen KTM in diesem Segment aktiv ist, war man dem weltweiten Marktführer so dicht auf den Fersen wie zurzeit.

Einfaches Handling der Reiseenduro

Fahraufnahme einer KTM 1290 Super Adventure S
Die KTM 1290 Super Adventure S ist in jeder Fahrsituation beherrschbar© KTM

Das Handling der KTM fällt insgesamt leicht. Dass sie ohne die gut nutzbaren Koffer 246 Kilogramm wiegt, ist nur beim Rangieren zu spüren – da erscheint sie lästig groß und schwer. Wobei sie sich übrigens ausgezeichnet auf den Hauptständer hieven lässt. In Fahrt verliert der Koloss seinen anfänglichen Schrecken rapide. Die KTM lenkt in Kurven leicht ein und gehorcht dem kleinsten Druck an der ideal breiten sowie bestens geformten Lenkstange.

Der in der Höhe um zwei Zentimeter verstellbare Fahrersitz ist bequem gepolstert, sodass sich zusammen mit den gut platzierten Fußrasten auch lange Strecken entspannt absolvieren lassen. Die semiaktiv arbeitenden Radaufhängungen – vorn federt und dämpft eine Upside-down-Telegabel, hinten ein Zentralfederbein mit Vorspannungs-Einstellautomatik – gewährleisten in allen Situationen guten Fahrkomfort und sicheres Fahrverhalten.

Bei starkem Verzögern taucht die Front aber trotz Anti-Dive-System relativ stark ein. Die drei Scheibenbremsen samt dem von Bosch bezogenen Kurven-ABS sind über jeden Zweifel erhaben. Selbst mit montierten Seitenkoffern flitzt die KTM dank eines schwingungsentkoppelten Trägersystems auch mit 180 km/h oder noch mehr pfeilgerade über die Autobahn. Sehr wirksam ist der stufenlos in der Höhe einstellbare Windschild.

Bildergalerie

Im Test: 160-PS-Motor

Fahraufnahme einer KTM 1290 Super Adventure S
Die KTM 1290 Super Adventure S hat Kraft im Übermaß und für jeden Untergrund passende Fahrmodi© KTM

Bedeutsamer als die außergewöhnliche Motorleistung von 118 kW/160 PS – Kraft steht ab gut 3000 Touren jederzeit im Übermaß zur Verfügung – ist in diesem Segment mittlerweile die Elektronikausstattung. Bei den Fahrsicherheits- und Fahrassistenzsystemen fährt KTM in der ersten Reihe mit. Zusammen mit der Ducati Multistrada V4 ist sie eine Reiseenduro, die mit einem adaptiven Tempomat (ACC) ausgestattet ist.

Das System funktioniert nach einiger Eingewöhnung auch auf dicht befahrenen Landstraßen bestens. Abstände und Regelungsintensität können nach eigenem Gusto vorgewählt werden. Dank Sechsachsen-Sensor und enorm schneller Steuerungselektronik gibt es eine breite Auswahl an Fahr-, Federungs-, ABS- und Motorsteuerungsprogrammen.

Die Bedienung des sehr umfangreich bestückten Bordcomputers über eine Sechstasten-Einheit links am Lenker ist insgesamt logisch, aber aufgrund der Vielfalt der Einstellmöglichkeiten und der Vielzahl der Knöpfe gewöhnungsbedürftig. Ein Segen sind die zwei Tasten rechts am Lenker für die individuelle Belegung, sodass ein Direktzugriff auf die hinterlegten Funktionen, zum Beispiel die Fahrmodusauswahl, möglich ist.

Billig kann ein solch leistungsstarker Technologiebomber wie die KTM nicht sein: Ein paar Zusatzausstattungs-Positionen ließen den Basispreis des Testbikes auf ca. 25.000 Euro klettern. Der größte Brocken für den ansehnlichen und angenehm tönenden Akrapovic-Auspuff ist nicht zwingend erforderlich, das Abstandsradar ist übrigens serienmäßig.

Reichweite 400 Kilometer

Fahraufnahme einer KTM 1290 Super Adventure S
Je nach Fahrweise und Straßen- oder Geländeart kommt die KTM bis zu 400 km weit © KTM

Im Test fiel positiv auf, dass der Tankdeckel in das schlüssellose Start- und Schließsystem integriert ist. Auch das Anhängen und Abnehmen der Koffer ist einfach, die Spiegel lassen sich bestens ein- und verstellen. Überzeugt haben auch die Ablesbarkeit des in der Neigung verstellbaren Displays und seine Informationsaufbereitung.

Eine integrierte Navigationsmöglichkeit besteht über die KTM-App und die Smartphone-Integration. Sehr gut gefallen haben die hinterleuchteten Lenkerschalter und das füllige LED-Licht, das serienmäßige Kurvenlicht ist bei Dunkelheit eine Hilfe.

Die Erwartungen übertroffen haben Benzinverbrauch und Reichweite: Der WMTC-Normverbrauch von 5,7 l/100 km wurde beim Test ein wenig unterschritten, allerdings war der Autobahnanteil gering. Mit durchschnittlich 5,5 l/100 km waren angesichts des 23-Liter-Tanks 400 Landstraßenkilometer ohne Nachtanken möglich.

Technische Daten und Preis

Herstellerangaben


Motor/Getriebe

Flüssigkeitsgekühlter 75°-Zweizylinder-V-Motor, 1301 ccm Hubraum, 118 kW/160 PS bei 9000 U/min, max. Drehmoment 138 Nm bei 6500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette

Fahrleistungen

0 – 100 km/h ca. 3,2 s, Höchstgeschwindigkeit 250 km/h

Fahrwerk

Stahl-Gitterrohrrahmen; vorn semiaktive USD-Telegabel, Ø 48 mm, 200 mm Federweg; hinten Aluminiumguss-Zweiarmschwinge, semiaktives Zentralfederbein mit aut. Vorspannungseinstellung, 200 mm Federweg; Leichtmetallgussräder, Reifen 120/70 ZR19 (vorn) und 170/60 ZR 17 (hinten). 320 mm Doppelscheibenbremse vorn, 267 mm Einscheibenbremse hinten

Maße und Gewichte

Radstand 156 mm, Sitzhöhe 849/869 mm, Gewicht fahrfertig o. Koffer (11,5 kg) ca. 246 kg, Zuladung 214 kg; Tankinhalt 23 Liter

Assistenzsysteme

Teilintegrales, kurvenfähiges ABS mit Offroad-Modus, fünf Fahrmodi, semiaktives Fahrwerkssystem, einstellbare Traktionskontrolle, LED-Haupt und -Kurvenlicht sowie LED-Tagfahrlicht, adaptiver Tempomat, Reifendruckkontrolle, Antihopping-Kupplung, automat. Blinkerrückstellung, dazu optionales Tech-Pack mit Zweiwege-Schaltassistent, Berganfahrhilfe, variierbare Motorschleppmomentregelung, Keyless Ride

Verbrauch

Normverbrauch lt. EU5 (WMTC) 5,7 l/100 km, Testverbrauch 5,2 bis 5,9 l/100 km, im Mix 5,5 l/100 km. Wartungsintervalle 15.000 km

Preis

20.549 Euro

Potenzial für Verbesserungen

Freilich finden sich auch bei diesem insgesamt überzeugenden Motorrad noch Möglichkeiten zur Optimierung: So gibt sich der Schließmechanismus der Kunststoff-Touringkoffer hakelig, nicht alle Lenkertasten sind hinterleuchtet. Zudem dürfte die Rückstellautomatik der Blinker schneller reagieren.

Trotz einer wahrnehmbaren Domestizierung gibt sich das federleicht hochdrehende V2-Triebwerk als Raubein, niedrige Drehzahlen sind nicht sein Ding. Auch der pflegeintensive Kettenantrieb ist für ein Fernreisemotorrad nicht ideal.

Fazit: Überzeugendes Top-Modell

Unterm Strich legt die KTM 1290 Super Adventure S einen kessen und zugleich soliden Auftritt hin. Der hat allerdings seinen Preis.

Text: Ulf Böhringer/SP-X

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