Nio ES 6: Testfahrt im chinesischen Elektro-SUV

Ein Nio ES6 fährt auf einer Straße
Kommt vorerst nicht nach Deutschland: Nio ES6 aus China© Nio

Der Nio ES6 kommt zumindest vorerst nicht nach Deutschland – aber er beeindruckt ungemein. Fahrbericht, technische Daten, Fotos, Infos zu Batterie und Reichweite.

  • Der Nio ES6 ist ein Elektro-SUV mit 4,85 Metern Länge und 510 km Reichweite

  • Fahrzeug ist nur in China erhältlich 

  • Konkurrenten: Audi e-tron quattro und Mercedes EQC

Manchmal kommt es anders, als man denkt. So wollte der chinesische Hersteller Nio seinen Elektro-SUV ES6 ursprünglich im Jahr 2020 oder 2021 auf den deutschen Markt bringen. Damit wird es erst einmal nichts. Begründung: Das Auto würde beim Euro NCAP Crashtest nicht sonderlich gut abschneiden. Also brauche man auf dem deutschen Markt nicht anzutreten, denn das bedeute, ziemlich chancenlos zu sein.

Eigentlich schade, denn das Auto macht im Fahrbetrieb einen überraschend guten Eindruck. Im Design nahe an seinem großen Bruder, aber rund 20 Zentimeter kürzer als der 5,02 Meter lange Nio ES8 liegt er nicht nur in der Papierform auf Augenhöhe mit Audi e-tron quattro und Mercedes EQC. Das gilt bei 4,85 Metern Länge und 2,90 Metern Radstand für das Platzangebot wie für die Performance.

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Der große Unterschied wäre der Preis geworden: Die Basisversion mit 70-kWh-Akku hätte bei uns umgerechnet nur etwa 46.000 Euro gekostet, eine Version mit 84-kWh-Batterie umgerechnet 51.000 Euro. Für das Geld sind die Modelle von Audi oder Mercedes bei weitem nicht zu haben.

Der elektrische Antrieb des Nio besteht aus zwei E-Motoren mit zusammen bis zu 400 kW und 725 Nm, mit denen der 2,3-Tonner binnen 4,7 Sekunden auf Tempo 100 schnellt und freien Auslauf bis 200 km/h bekommt. Fahrleistungen, die einem am Steuer sitzend den Atem rauben. Stets tempokonform bewegt sollen die möglichen Reichweiten gemessen nach NEFZ-Normzyklus zwischen 410 und maximal 510 Kilometer betragen.

Modernes Elektroauto mit guter Verarbeitung

Cockpit vom NIO ES6
Viel Platz und bequeme Massagesessel© Nio

Während die Fahrleistungen leicht und locker auf dem Niveau der europäischen Konkurrenz liegen und sich der ES6 mit seiner serienmäßigen Luftfederung und soliden Brembo-Bremsen trotz des üppigen Gewichts ziemlich handlich bewegen lässt und auch in engen Kurven tapfer schlägt, ist der Innenraum typisch chinesisch.

Das gilt vor allem für das Sitzkonzept mit einem Wohlfühlsessel für Beifahrer vorne rechts, zu dem neben einer elektrischen Beinauflage und einer Fußraste unter dem Handschuhfach sogar eine riesige Ablage zählt.

Auch bei der Verarbeitung und Materialauswahl liegt Nio auf Augenhöhe mit der europäischen Konkurrenz. Und erst recht bei der Ausstattung mit LED-Scheinwerfern, Abstandsregelung, Head-up-Display und Massagesesseln.

Witzig ist das Infotainment. Bei Nio hat man einen elektronischen Freund namens Nomi, der nicht nur spricht, zuhört und einem alle Wünsche aufs Wort erfüllt, sondern auch Blickkontakt sucht, sein kleines Köpfchen dreht und sogar Gefühle zeigt.

Schade nur, dass Nomi derzeit nur Chinesisch spricht. Aber das soll sich bald ändern. Spätestens in fünf Jahren, sagt Mitbegründer Lihong Qin, will Nio auch im Ausland antreten. Da die Anzeigen solange noch von chinesischen Schriftzeichen dominiert werden, müssen sich sprachfremde Anwender mit einer App für Schrifterkennung und Übersetzung behelfen.

Finanzsituation bei Nio

Ein Nio ES6 fährt auf einer Straße, aufgenommen von hinten.
Autor Thomas Geiger fuhr den ES6 in China © Nio

Zwischenzeitlich gab es einige Medienberichte über finanzielle Schwierigkeiten, in der sich die Firma Nio befinde. Laut deutschem Pressesprecher hat sich die Lage aber deutlich entspannt. So sei die Finanzierung aller weiteren Aktivitäten für die nächsten Jahre gesichert. Der chinesische Staat, genauer die Provinz des Standorts, hat investiert und die Hälfte an der Firma übernommen. Weiteres Geld von Investoren sei zugesichert, insgesamt mehrere Milliarden Dollar. Auftragsfertiger für die Autos von Nio ist JAC, bei der sich übrigens bei VW zur Hälfte eingekauft hat.

Interessantes Detail: Der Nio bestehe nur zu etwa 30 Prozent aus Zuliefererteilen, die von chinesischen Firmen hergestellt werden. 70 Prozent der Teile stammen von deutschen bzw. internationalen Zulieferern wie Bosch oder Continental mit Standorten in China. Der chinesischen Staatsregierung sei wichtig, dass die Kernleistung des Antriebs von chinesischen Firmen komme. Das ist und bleibt nunmal die Batterie.

Technische Daten Nio ES6

Herstellerangaben

Nio ES6

Nio ES6 Performance

Motor/Antrieb

Elektrischer Allradantrieb, zwei E-Maschinen mit je 160 kW

Elektrischer Allradantrieb, zwei E-Maschinen mit 160 und 240 kW

Fahrleistungen

5,6 s auf 100 km/h, 200 km/h Spitze

4,7 s auf 100 km/h, 200 km/h Spitze

Batteriekapazität

70 oder 84 kWh

70 oder 84 kWh

Reichweite (NEFZ)

410 oder 480 km

430 oder 510 km

Maße

L 4,85 / B 1,97 / H 1,77 m

L 4,85 / B 1,97 / H 1,77 m

Preis

385.000 Yen (46.000 Euro)

398.000 Yen (51.000 Euro)

Text: Thomas Geiger, Wolfgang Rudschies