Mercedes EQV im Test: Spaceshuttle unter Strom

Mercedes hat seinen elektrischen Großraumvan in Richtung Luxus aufgepeppt. Nicht nur optisch. Vor allem das Cockpit wurde nun auf Stand gebracht. Wie es mit Reichweite, Verbrauch und Variabilität aussieht, klärt der aktuelle ADAC Test.

  • Mercedes EQV in large und extralarge

  • 360 km Reichweite im ADAC Ecotest

  • Variabel Platz für sechs bis acht Personen

Elektromobilität fing ganz unschuldig an. Der Karabag 500 E, den der ADAC 2010 als allererstes E-Auto überhaupt auf seinen Prüfstand hob, wog seinerzeit nur knapp über eine Tonne. Smart Fortwo, Mitsubishi i-MiEV & Co., die etwas später kamen, waren in derselben Federleicht-Klasse unterwegs.

15 Jahre später gibt es Batterieautos längst auch in einer anderen Größenordnung. Eines der größten und schwersten Elektroautos ist der Mercedes EQV, die elektrische Version der V-Klasse. Leergewicht schlappe 2,6 Tonnen. Aber er ist auch einer der nutzwertigsten E-Autos mit reichlich Raum für alles und jeden.

2020 ging der EQV erstmals an den Start, 2024 hat ihm Mercedes die noble Modellpflege zuteil werden lassen, die auch die Diesel-V-Klasse bekommen hat. An der Akkukapazität von 100 kWh (netto 90 nutzbar) hat sich zwar nichts geändert. Vor allem im Cockpit gab es aber eine dringend nötige Auffrischung.

Mercedes EQV: Bedienung überarbeitet

Der neue Mercedes EQV nach dem Facelift im März 2024
Ein angenehm großer Touchscreen erleichtert die Bedienung im EQV nun erheblich© Mercedes-Benz AG

Wie in der Verbrenner-V-Klasse ist das angestaubte Bedienkonzept mit einem eher kleinen Bildschirm und einem Touchpad als Kontrolleinheit einem frischen Touchscreen-basierten Ansatz gewichen. Was erheblich schicker und moderner aussieht als vorher, muss aber nicht zwingend ein Fortschritt sein, was die Bedienbarkeit angeht.

So ist der Touchscreen relativ weit von Fahrer oder Fahrerin entfernt, wodurch speziell der rechte Bereich nur schwer zu erreichen ist. Hinzu kommt, dass die Touchflächen recht klein ausfallen und damit schwer zu treffen sind – Fehlbedienungen sind somit an der Tagesordnung.

Zweite Eingabemöglichkeit ist das Touchpad unterhalb der Klimabedieneinheit. Allerdings ist die Befehlseingabe darüber umständlich und langwierig, und die rechts davon angeordneten Direktwahltasten sowie der Lautstärkeregler werden davon verdeckt. Zudem fehlt eine Möglichkeit, den Arm aufzulegen und das Touchpad somit sicherer bedienen zu können.

Als dritte Eingabeart ist das rechte Touchfeld auf dem Lenkrad vorgesehen, das sich allerdings nur sehr unpräzise bedienen lässt. Auch hier sind Fehlbedienungen an der Tagesordnung. Gleiches gilt für die Lautstärkeregelung sowie die Einstellung der Geschwindigkeitsregelung, die ebenfalls über berührungsempfindliche Bedienflächen am Lenkrad erfolgen.

Abgesehen davon findet man alle benötigten Funktionen schnell und nach kurzer Eingewöhnung problemlos, dabei hilft auch, dass Funktionen wie die Lautstärkeregelung immer noch über Drehrädchen möglich sind. Neu ist die edle Holzoptik, die ein bisschen den Eindruck einer etwas moderneren Fernsehschrankwand vermittelt. Ansonsten ist die Materialanmutung sehr hochwertig, weiche Lederoberflächen beweisen, dass es ab jetzt nobler zugehen soll.

Behutsame optische Eingriffe

Detailfoto des neuen Mercedes EQV von vorne zu sehen
Der EQV hat nun mehr individuellen Charme, viel tut sich mit der Überarbeitung allerdings nicht© Mercedes

Die weiteren Neuerungen durch das Facelift sind überschaubar. Anders als bei der V-Klasse gibt es keine nach Ausstattungsversion variierenden Frontdesigns. Auch den erhabenen Stern über der Motorhaube spendiert Mercedes nur der Top-Ausstattung seines Verbrenners, nicht aber dem elektrischen EQV.

So sind es lediglich weniger Querstreben auf dem Kühler geworden, der EQV sieht damit ein bisschen mehr wie seine E-Auto-Kollegen aus, mit geschlossener "Black Panel"-Front mit beleuchteter Umrandung. Nur leicht retouchiert wurde das Heck mit neu gezeichneten LED-Leuchten und einem Chromzierstab mit Mercedes-Benz-Schriftzug. Einen Frunk gibt es weiterhin nicht.

Bildergalerie: EQV im Detail

Mercedes EQV: Die Reichweite im ADAC Test

Der Mercedes EQV steht an der Strasse
Seine Masse merkt man dem EQV jederzeit an, angenehm ist das Fahrgefühl dennoch © ADAC/Wolfgang Rudschies

Auch bei Batterien und Antrieb hat sich nichts geändert. Der E-Motor läuft mit 150-kW-Spitzen- und 95-kW-Dauerleistung und im Wagenboden spendet der Lithium-Ionen-Akku mit einer Netto-Kapazität von 90 bzw. 60 kWh die Energie. Mercedes verspricht so 365 respektive 247 km (jeweils Langversion) Reichweite.

Der ADAC hat den EQV mit seiner großen Batterie dem standardisierten Ecotest unterzogen, der eine praxisnahe Mischung aus Stadt-, Überland-, und Autobahnfahrt beinhaltet. Das Ergebnis kann sich für ein Auto dieser Größe sehen lassen: 26,8 kWh pro 100 Kilometer sind samt Ladeverlusten passabel. Die Reichweite beträgt 360 Kilometer.

Ist der EQV damit auch für die Langstrecke geeignet? Nicht wirklich. Denn bei reiner Autobahnfahrt ist der Testverbrauch nicht zu halten. Mit mehr als 30 kWh/100 km muss man rechnen, im Winter mit noch mehr. Das bedeutet im "Worts-Case-Szenario" Winter und Autobahn rund 200 Kilometer Reichweite. Mit dem ADAC Reichweitenrechner können Sie selbst verschiedene Szenarien durchspielen:

ADAC Reichweitenrechner

Mercedes-Benz EQV 300 lang (90 kWh) 150 kW (204 PS)

-10

30

50

130

Berechnete Reichweite

354km

(Reichweite laut Hersteller: 365 km)

Immerhin kann jeder mit sparsamer Fahrweise Einfluss auf die Reichweite nehmen. Dabei kann zwischen vier Fahrmodi gewählt werden, bis zum spaßfreien, aber sparsamen ECO+-Betrieb, der mit der Leistung auch die Klimatisierung drosselt.

Wie gut funktioniert das schnelle Laden?

Das Nachladen auf der Autobahn soll laut Mercedes an Schnellladesäulen mit bis zu 110 kW möglich sein. Für heutige Verhältnisse ist das eher wenig, aber es kommt für kurze Standzeiten ja nicht auf die Peak-Leistung an, sondern darauf, wie lange die Ladeleistung hoch gehalten wird.

Das klappt sehr gut: Im Schnitt lädt der EQV laut der vom ADAC ermittelten Ladekurve mit einer Ladeleistung von 104,9 KW beim Hub von 10 auf 80 Prozent – das ist erstaunlich gut. Doch bis sich die nicht gerade kleine Batterie auf 80 Prozent gefüllt hat, muss man dennoch 38 Minuten warten. Unter guten Bedingungen wohlgemerkt, im Winter bei nicht-vorkonditionierter Batterie kann das anders aussehen und erheblich länger dauern. Wie die Ladekurve aussieht und weitere Angaben zu Ladezeiten können Sie im ausführlichen Test-PDF nachlesen.

An AC-Säulen in der Stadt oder an der eigenen Wallbox zieht der EQV 11 kW, so dass eine Vollladung rund neun Stunden dauert.

Komfortabel, manchmal träge

In der Stadt fühlt sich der elektrische Kleinbus ein bisschen an wie eine S-Bahn 1. Klasse. Denn zur hohen und vergleichsweise aufrechten Sitzposition und dem vornehmen Interieur kommt noch das elektrische Fahrgefühl. Und wie alle Akku-Autos beschleunigt auch der EQV zumindest auf den ersten Metern deutlich besser und spontaner als die Verbrenner. Vom Stand weg zieht der Motor gleichmäßig und nachdrücklich los, die Beschleunigung verläuft konstant und ohne jegliches Rucken oder Ungleichmäßigkeiten.

Anders als etwa beim ebenfalls massiven Kia EV9 merkt man dem EQV sein Gewicht (zulässig sind 3,5 Tonnen) vor allem bei mehr Tempo an. Dann geht es eher träge um enge Kurven. Gerade mit der optionalen Luftfederung kann aus dieser Trägheit aber durchaus auch Komfort werden. Unebenheiten und Bodenwellen werden gut geschluckt, Kanten wie abgesenkte Kanaldeckel sind eher zu hören als wirklich deutlich zu spüren.

Kurvige Landstraßen wirken ein wenig wie eine Fahrt auf stürmischer See. Allerdings haben die deutlich ausgeprägten Aufbaubewegungen keine negativen Auswirkungen auf die Fahrstabilität. Den ADAC Ausweichtest meistert der EQV fahrsicher, wenn auch wenig dynamisch. Bei abrupten Lenkimpulsen reagiert der EQV eher träge und zeigt dies durch ausgeprägte Wankbewegungen der Karosserie. Im Grenzbereich drückt das Gewicht nach vorn, und der Mercedes untersteuert.

ADAC Autotest: Das steckt hinter den Ergebnissen

Die ADAC Autotest-Ergebnisse beruhen auf akribischen Messungen: Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchen die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite.

Mercedes EQV: Elektrischer Raumriese

Der neue Mercedes EQV nach dem Facelift im März 2024
Platz ohne Ende auch in der elektrischen V-Klasse© Mercedes-Benz AG

Die Transportqualitäten sind zweifellos das, wo der Mercedes am meisten kann. Weil die Batterie komplett im Wagenboden verschwindet, gibt es genauso viel Platz und Variabilität wie in der fossilen V-Klasse. Wegen der Akkus fällt aber die Kurzversion, die es bei den Verbrennern gibt, weg.

Super: Auf dem ebenen Boden kann man Einzelsitze oder Bänke mit oder gegen die Fahrtrichtung montieren, kann jedes Möbelstück verschieben, versetzen oder ganz ausbauen – und dann jede Menge Gepäck einladen.

In der genormten Sitzkonfiguration des ADAC Tests (Sitzreihe zwei und drei sind auf 1,85 Meter große Passagiere eingestellt) beträgt das Kofferraumvolumen bis zur Scheibenunterkante beziehungsweise bis zur optionalen Laderaumunterteilung 755 Liter. Und maximal, also wenn Fondsitze oder -sitzbänke ausgebaut sind, lassen sich enorme 4785 Liter transportieren.

In der zweiten und dritten Sitzreihe finden Insassen bis zu einer Körpergröße von über 2,15 Metern dank der enormen Kopf- und Beinfreiheit bequem Platz, wenn die Vordersitze für 1,85 Meter große Personen eingestellt sind. Die Innenbreite ist im Fond ebenfalls üppig dimensioniert, auch das Raumgefühl fällt sehr gut aus.

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Auf dem Dach dürfen erstaunlich hohe Lasten von bis zu 150 Kilo transportiert werden, eine praktische Dachreling gibt es optional. Eine Stützlast ist dagegen nicht erlaubt, ebenso wenig eine Anhängelast. Standard in der Basisversion sind zwei Schiebetüren.

Wie Mercedes seinen Raumkreuzer weiterentwickelt, wird sich 2026 zeigen, wenn das neue Modell vorgestellt wird. In Sachen Ladeleistung, Bedienung und Anhängelast gäbe es Verbesserungsbedarf.

Mercedes EQV: Technische Daten und Preis

Technische Daten (Herstellerangaben)

Mercedes-Benz EQV 300 lang (90 kWh) (ab 01/24)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

150

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

204

Drehmoment (Systemleistung)

365 Nm

Antriebsart

Vorderrad

Beschleunigung 0-100km/h

12,1 s

Höchstgeschwindigkeit

140 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

365 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

27,2 kWh/100 km

Batteriekapazität (Netto) in kWh

90,0

Ladeleistung (kW)

AC:11,0 DC:110,0

Kofferraumvolumen normal

1.030 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

4.630 l

Leergewicht (EU)

2.811 kg

Zuladung

689 kg

Garantie (Fahrzeug)

2 Jahre

Länge x Breite x Höhe

5.140 mm x 1.928 mm x 1.923 mm

Grundpreis

63.209 Euro

ADAC Messwerte

ADAC Messwerte (Auszug)Mercedes-Benz EQV 300 lang

Überholvorgang 60 – 100 km/h

5,8 s

Bremsweg aus 100 km/h

36,5 m

Wendekreis

13,4 m

Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest

26,8 kWh/100 km, 134 g CO₂/km (Well-to-Wheel)

Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)

***

Reichweite

360 km

Innengeräusch bei 130 km/h

67,7 dB(A)

Leergewicht / Zuladung

2854 / 646 kg

Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch

1220 / 2620 / 4785 l

ADAC Testergebnis

ADAC Testergebnis

Mercedes-Benz EQV 300 lang (90 kWh) (ab 01/24)

Karosserie/Kofferraum

2,1

Innenraum

2,0

Komfort

2,1

Motor/Antrieb

1,4

Fahreigenschaften

2,9

Sicherheit

1,5

Umwelt/EcoTest

2,7

Gesamtnote

2,1
Sicherheit und Umwelt werden doppelt gewertet

sehr gut

0,6 - 1,5

gut

1,6 - 2,5

befriedigend

2,6 - 3,5

ausreichend

3,6 - 4,5

mangelhaft

4,6 - 5,5

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